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Fruehjahr – Feinstaubzeit

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Eine Satire (oder auch nicht?)

von Ingrid Fuckner

Von der Politik wurden wir belehrt, dass der Feinstaub unsere Gesundheit gefährdet und dass gerade am Jahresanfang die Feinstaubbelastung typischerweise sehr hoch ist. Dies sind die Wochen, in denen es besonders häufig zu Überschreitungen der Feinstaub-Grenzwerte kommt. Sie sagen, das wäre das Wetter. Da wird der Feinstaub nicht so leicht durch den Wind fortgetragen sondern durch die Inversionswetterlage auf den Boden gedrückt. Menschen mit Atemwegsproblemen leiden besonders darunter, sagen sie. Könnte es sein, dass sie Recht haben? Ich habe es gesehen!

Es war am Montag, den 27. April 09. Ein sonniger Tag, aber sehr windig. Ein guter Tag, um meinem Oldie wieder einmal ein bisschen Bewegung zu verschaffen. Ich hatte ihn schon startklar rausgestellt und ging nur noch einmal kurz ins Haus. Als ich zurückkam, war er eingepudert; in wenigen Minuten, von oben bis unten! Überall Feinstaub. Ja, ich merkte es auch: Es kratzte im Hals und es biss in den Augen. Der Wind ließ die Staubschlieren auf dem Dach meines Oldies fröhlich tanzen. Und ich sah es auf dem Boden, in den Ecken, auf den Blättern der Bäume, alles voll! Mir schoß es siedend heiß durch den Kopf, dass der Staub, den man da sieht, ja nur der harmlose Teil des Problems ist: Die Myriaden unsichtbarer feinster Staubpartikel klumpen sich zusammen zu größeren Körnchen, die durch die Anlagerung weiterer, feinster Staubpartikel beständig weiter wachsen bis sie schließlich zu groß werden, um vom Wind fortgetragen zu werden, und zu Boden sinken. Das ist es, was man dann sieht. Man nennt das Scavenger-Effekt. Aber wenn man schon so viele von den großen zusammengeklebten Körnchen sieht, wie unendlich viele der gefährlichen, unsichtbar feinen Staubpartikel müssen dann erst in der Luft sein? Ja, es kratzt im Hals und brennt in den Augen.

Haben wir denn nicht irgendwo eine Feinstaub-Messstation hier? Das wäre eine Sprengung der Skala! Kann uns denn niemand schützen vor dieser unsichtbaren Bedrohung?

Aber ich wohne in einer ländlichen Gegend. Wir sind hier so etwas wie eine natürliche Umweltzone. Doch man muss dazu niemandem das Fahren verbieten; es ist selten, dass sich in unser Wohngebiet mal ein fremdes Auto verirrt. Ich höre Kinder auf der Straße spielen. Weht der Staub von der nur wenige Hundert Meter entfernten Landstraße herüber? Aber dort ist das Risiko, überfahren zu werden, wenn man einfach achtlos auf die Straße läuft, an den meisten Tageszeiten nur gering. Die meisten Heizungen sind auch abgestellt; es ist warm genug. Für Gartenfeuer ist es zu windig und fürs Grillen zu früh am Tag. Doch wenn es bei uns trotz allem schon so furchtbar staubig ist, wie wird man dann erst in den größeren Städten zurecht kommen? Hat man bereits das vollständige Fahrverbot verhängt? Das muss man doch, denn: wenn Feinstaub, dann Fahrverbot! Doch hier ist niemand, der meinem Oldie das Fahren verbieten will. Ein Nachbar winkt mir freundlich zu. Ich mache mich hustend auf den Weg.

Heute ist Dienstag. In der Nacht hat es geregnet; der staubige Spuk ist vorbei. Ich kann mich wieder ohne Hustenanfälle ins Freie wagen. Oder ist es doch nicht vorbei? Auf meinem Balkon, auf dem Schuppendach, auf den Straßen und Wegen, überall hat der Regen die gelben Schlieren der gestrigen Staubattacke zusammengeschwemmt. An manchen Stellen könnte man das Zeug mit dem Löffel einsammeln. In meiner Regentonne klebt ein dicker gelber Rand und der Inhalt ist eine trüb-gelbe Brühe. Pollen!

Ein Blick in meine Literatur zeigt: Pollen erreichen die Dimensionen des thorakalen Schwebstaubs, der tief in die Bronchien eindringt (PM10). Ja, wir Menschen mit Atemwegsproblemen leiden darunter. Jedes Jahr wieder überfällt es besonders die Pollenallergiker wie mich. Ja, das ist gesundheitsschädlich, sicher; es führt zu Entzündungen in den Atmungsorganen, klar; die Spätfolgen können erheblich sein, wie wahr! Die daraus folgenden Kosten für das Gesundheitssystem sind astronomisch.

Mancher sagt, man soll den Menschen das Autofahren verbieten, um die besonders gefährdeten Personen – solche wie mich – vor den schädlichen Auswirkungen des Feinstaubs zu schützen. Aber hilft uns das denn? Bäume, Gräser und Co. blühen, ob wir Menschen mit dem Auto fahren oder nicht. Und wir brauchen sie, diese Pollen: Ohne die Getreidepollen keine Ernte. Der Wind trägt zusammen mit den Pollen die Erde von den Äckern mit ihrer ganzen schädlichen Fracht von Schimmelsporen, Viren, Bakterien und Reizstoffen fort, seit der Mensch Ackerbau betreibt. In der Schule habe ich gelernt, dass die fruchtbaren Ackerböden in manchen Gegenden Deutschlands nichts anderes als vom Wind abgelagerter Feinstaub sind, der vermutlich schon seit ewigen Zeiten Menschen zum Husten gebracht hat. Auch wenn nicht ein einziges Auto mehr fährt, wird es Feinstaub geben, der nicht nur unsere Atemwege reizt. Jedes Jahr werden nicht nur wir Pollenallergiker wieder husten und schniefen.

Doch wir haben uns eine Welt erschaffen, in der wir alle auf Mobilität angewiesen sind; sie ist einer der Motoren unserer Wirtschaft und die Wirtschaft ist es, die uns alle ernährt. Wir brauchen die Traktoren auf den Feldern und die Lkws, die uns die produzierten Lebensmittel bringen. Ohne Transport von Menschen und Gütern kann man die vielen Menschen in den Städten nicht mehr versorgen. Und gerade wir hier in den ländlichen Gebieten wissen, wie dringend wir Menschen unsere Pkws brauchen, um zur Arbeit zu kommen, die Lebensmittel zu holen und eventuell auch ein bisschen Lebensqualität zu gewinnen.

Unsere Welt ist nicht mehr so, wie sie vor 200 Jahren war; wir haben uns eine schnellebige Welt der weiten Wege geschaffen. Das alles lässt sich nicht einfach rückgängig machen. Wir brauchen unsere Mobilität, um in dieser Welt zu bestehen. Davor will man uns beschützen? Sicher sollte man die Aspekte unseres modernen Lebens so verträglich wie möglich machen, doch in Krisenzeiten wie diesen frage ich mich, ob man uns manchmal nicht besser beschützen sollte vor denen, die uns beschützen wollen.