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Objekte im Rückspiegel sind oft näher als man denkt

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Objekte im Rückspiegel sind oft näher als man denkt
Die Autobiografie

Fetisch und Umweltsünde, Sicherheitskapsel und Waffe, Emanzipationsmotor und Turboantrieb des Kapitalismus: Das Automobil ist eine perverse Wunscherfüllungsmaschine, in der es nicht weniger chaotisch zugeht als in unserem Selbst (griech. »auto«).

Dabei fährt das Auto nicht von selbst. Es ist nicht automobil oder gar autark, es ist ein hilfsbedürftiges Wesen. Erst wenn wir seinen Durst nach Treibstoff stillen, in ihm Platz nehmen und den Schlüssel umdrehen, erwacht der Wagen – und mit ihm das Gefühl von Macht und Unabhängigkeit. Mit dem Auto ist die Welt ein Stück kleiner geworden, aber auch größer. Sie ist freier geworden, aber auch enger. Das Auto fährt uns in die Natur, die es bedroht. Es bringt uns individuellen Geschwindigkeitsrausch und kollektiven Stillstand, das Auto ist das Medium des 20. Jahrhunderts.

Matthias Penzel, Schriftsteller, Pop-Journalist und Ex-Chefredakteur des britischen Magazins F1 Racing, Autonarr aus Überzeugung und wider besseres Wissen, hat das erste Autobuch der post-automobilen Gesellschaft geschrieben. Seine Kulturgeschichte ist ein rasanter Trip, off-road und assoziativ, bildgewaltig und subjektiv wie ein Roadmovie.

Buchinformationen:

  • Matthias Penzel
  • Objekte im Rückspiegel sind oft näher als man denkt
  • 288 Seiten, illustriert
  • 170 x 225mm, Klappenbroschur
  • Orange-Press
  • € 25.00, sFr 33.90
  • ISBN 978-3-936086-51-5

Kommentar:

Wer bei dem Untertitel "Die Auto-Biografie" an ein nüchternes Herunterbeten von Fakten und bereits hundert- wenn nicht tausendfach verbreiteter chonologischer Abhandlungen über die Entstehung und Entwicklung des Deutschen liebsten Kinds denkt, der ist in diesem Fall gewaltig auf dem Holzweg!

Diese Auto-Biographie ist anders - erfrischend anders! Sie beleuchtet den vierrädrigen Untersatz, zwar ebenfalls chronologisch, doch deswegen nicht minder abwechslungsreich, von nahezu allen Seiten. Auch von denen, von welchen man es am wenigsten erwartet. Sie beschreibt das Automobil mal als hegemonisches Teufelszeug, mal als hedonistisches Objekt der Begierde eines jeden von uns.

Matthias Penzel nimmt den Leser mit auf eine unterhaltsame Reise sowohl ins Innere als auch in die Peripherie des Automobilismus. Er setzt sich kritisch auseinander u.a. mit Ressourcenverbrauch, alternativen Beförderungsmitteln, künftiger Städteplanung und Zukunftsvisionen einerseits, spielt jedoch wiederum mit der Faszination der unterschiedlichen Facetten des Automobils andererseits. Ob es nun der seit Anbeginn des Automobils existierende und die Massen faszinierende Rennsport oder schlicht die Massenmotorisierung und die damit einhergehende Unabhängigkeit und Freiheit des Individuums ist.

Fakt ist: Das Automobil hat wie keine andere Errungenschaft der Menschheit diese nachhaltig beeinflußt und verändert. Diese beiden Sachverhalte, die Beeinflussung und die Nachhaltigkeit kritisch, augenzwinkernd und ironisch von allen Seiten zu beleuchten, ist dem Autor vorzüglich gelungen. Welche Rolle spielt(e) das Automobil in der Musik, im Film, im Design, in der Gesellschaft, etc.? Die Antworten auf diese und noch mehr Fragen finden Sie, unterhaltsam und kurzweilig abgefasst, im Buch "Objekte im Rückspiegel sind oft näher als man denkt".

Wer nun bei dem Titel, wie ich ursprünglich, an das gleichnamige Lied von Meat Loaf aus dem Album "Bat out of Hell II: Back Into Hell" denkt, der liegt falsch! Davon abgesehen, daß es sich bei Meat Loafs Werk um eine getragene Ballade, im vorliegenden Buch aber um eine rasante, schrille und temporeiche Fahrt durch die Geschichte des Automobils handelt. Nein, laut Aussage des Autors hat sich dieser an einem Aufkleber, aufgebracht an Rückspiegeln in US-Fahrzeugen, orientiert, die den Fahrer immer daran erinnern sollen, daß "Objects in the rear view mirror may appear closer than they are".

Einziger Wermutstropfen: Alle Bilder sind in schwarz-weiß gehalten. Etwas Farbe hätte dem durchaus eigenwilligen doch charmanten Text-Layout gutgetan. Das sollte jedoch niemanden daran hindern, zum Buch zu greifen und eine rasante Achterbahnfahrt durch 125 Jahre Automobilhistorie mitzumachen. (mdr)