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"Unglaublich, was die so alles verschrotten"

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FFH-Autodoktor und IKM-Mitglied Johannes Hübner schaut sich beim Autoverwerter um

Die sog. Umweltprämie scheint das rationale Nachdenken zu beeinträchtigen. "Manche Leute geben Ihr Auto nur deshalb zur Verschrottung", so ein Frankfurter Autoverwerter, "weil sie endlich mal was vom Staat kriegen können, selbst wenn die Kiste noch 4 bis 5.000 Euro wert ist. Ich habe Autos auf dem Platz - das ist eine echte Katastrophe!"

Na dann wollen wir doch mal schaun, was da so rumsteht: Audi A 6, 2.3 E, silber, AHK, SD, 170.000km und umweltsaubere Gas-Anlage! Noch ein A 6, ebenfalls silber, aber als Avant. Tiptop, gerade 122.000 Kilometer. Wir gehen auf einen anderen Lagerplatz und trauen unseren Augen kaum: Ein Audi A 3 Cabriolet von dem schon die Frontschürze abgebaut wurde, diverse 124er Benz, ein H-Kennzeichen-fähiger Mercedes 230 E der 123-Serie ohne jede Macke mit Fellüberzug auf den Sitzen und Scheckheft samt Betriebsanleitung im Handschuhfach. "Kannste haben", sagt der Autoverwerter, "aber nur zum Ausschlachten - und die Rohkarosse musste uns dann wieder abliefern." Dann gib mir wenigstens den schwarzen Alfa GTV-Spider, möchte ich schreien...

Offensichtlich scheinen sich Alfa-Besitzer besonders gern von ihren Autos zu trennen: Zwei kleinere Limousinen, sogar ein schicker Alfa 156 Berlina ohne Macken, dazu der ein- oder andere Lancia und massenweise Golf (sogar 4er!), Passat, Skoda Octavia Turbodiesel, viele Opel und noch mehr Ford, fast alle blitzblank gepflegt, wenig öde Koreaner und Japaner aber auch viele Kisten, denen man kaum eine Träne nachweint.

Kennzeichen: Fast ALLE haben eine grüne Plakette! Umweltprämie, was soll das denn? "Ich hab extra 5 Mann zum qualifizierten Ausschlachten eingestellt," sagt der Verwerter, "wir haben massenweise gute Motoren, Getriebe, Aggregate, Top-Winterreifen und sogar Alufelgen - das einzige, was die meisten ausbauen, ist das Radio, obwohl die damit am wenigsten anfangen können." Schlau wie er ist, hebt er vor allem CPUs auf, das Zentralhirn des Motormanagements, denn für die eigentlich so wichtigen Armaturenbretter und Türverkleidungen, die unter UV verrotten, hat keiner Platz. Man könnte in Depressionen fallen. Mein Tipp: Fahrt nie dorthin, wo die verhinderten Neoklassiker Trauer tragen, haltet Euch fern, sonst kriegt ihr das gewalttätige Rettersyndrom.

Die Rechnung klingt gut: 2.500 Euro gibt der Staat dem Eigentümer, der kauft für etwa 12.000 Teuro eine neue Kiste, davon bekommt der Staat 2.280.- Euro Mehrwertsteuer, beim Händler holt man noch ein bisschen Gewerbesteuer, Zulassung, Ab- und Ummeldung und Versicherungssteuer bringen auch noch was - dieser Kreislauf könnte doch eigentlich endlos weitergehen...

Nachdenklich umrunde ich einen von vier wunderschönen 124er Kombi. Warum stoppt diesen ökologischen Unsinn eigentlich keiner?! "Die Kunden scheinen so prämiengeil," erläutert ein hinzugekommener Autoverkäufer, "dass sie sogar vergessen, um Zubehör und Rabatte zu feilschen. Hauptsache die Prämie, schnell weg mit der Karre, her mit dem Geld. Man hat das Gefühl, manch einer rächt sich und will sich endlich auch mal Kohle vom Staat holen." Klar, dass alle Autos irgendwann altern, klar auch, dass die Mehrheit eines Tages verschrottet wird. Die Prämie aber packt aber genau die, die so gepflegt waren, dass sie die besten Chancen gehabt hätten, vom Youngtimer zum Klassiker zu reifen. Ich warte auf den Perversen, der sich seinen Porsche 924 wenigstens als Presswürfel ins Wohnzimmer stellt, mit daran baumelndem gelochtem Kfz-Brief: Ich bin Kulturgut Mobilität des Krisenjahrs 2009.

 

Johannes Hübner