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1940 gewann BMW die Mille Miglia - Sieg mit Leidenschaft und Präzision

Vor 70 Jahren kannte die Rennsportabteilung bei BMW nur ein Ziel: „I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia“. Insgesamt fünf Rennsportfahrzeuge aus München waren für das große Rennen gemeldet. Die Vorbereitungen standen nicht immer unter einem guten Stern und am Schluss lief dem BMW Team fast die Zeit davon.

Doch als die silbernen BMW Rennfahrzeuge am 28. April in Brescia über die Ziellinie fuhren, war das erreicht, was kaum einer erwartet hatte: Gesamtsieg, Mannschaftssieg sowie die Platze 3, 5 und 6. An diesem Apriltag feierte BMW seinen bis dahin größten Rennsporterfolg auf vier Rädern – und bis heute steht dieser Tag für den Charakter der Marke: „Der Sieg bei der Mille Miglia 1940 ist bis heute ein Meilenstein in der Geschichte der Marke BMW. Er zeugt nicht nur von der außergewöhnlichen technischen Kompetenz sondern auch von der Leidenschaft, mit der bei BMW gearbeitet wird“, unterstreicht Dr. Klaus Draeger, Vorstand für Entwicklung bei der BMW Group die Bedeutung der Mille Miglia 1940.


Offizielles Veranstaltungsplakat zum I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG

Die Mille Miglia 1940 steht am Ende einer Entwicklung, die mit der Konstruktion und Präsentation des BMW 328 begonnen hatte. Der BMW 328 zählt nicht nur zu den schönsten Sportwagen der Vorkriegszeit, er war in den 30er Jahren auch der erfolgreichste Sportwagen auf den Rennstrecken Europas. Seine herausragende Straßenlage in Verbindung mit hoher Motorleistung ließen ihn nicht nur zum Objekt der Begierde zahlreicher Rennfahrer werden, sondern ermöglichten es auch Privatkunden, in den Genuss eines unverfälschten Roadster-Fahrgefühls zu kommen.

Ein Wagen für die Freunde des Hauses

Aus einem kleinen Prospekt erfuhren Ende 1935 einige Eingeweihte von der Existenz eines neuen 2-Liter Sportwagens, der die Bezeichnung Typ 328 tragen sollte. Die Beschreibung blieb zurückhaltend, es gab keine Leistungs- oder Geschwindigkeitsangaben. Gedacht war der Prospekt wohl nur als Appetitanreger für ‚Freunde des Hauses’, denn eine Ankündigung in der Presse gab es dazu nicht.

Am 13. Juni 1936 sahen ihn die Journalisten erstmals mit Erstaunen im Fahrerlager auf dem Nürburgring stehen. Der Motorrad-Weltrekordhalter Ernst Henne sollte ihn am Tag darauf beim Internationalen Eifelrennen fahren. Vom Start weg setzte er sich gleich vom Feld ab und verwies mit einem phänomenalen Durchschnitt von 101,5 km/h seine Mitstreiter auf die Plätze. Diese Leistung weckte bei einigen Kommentatoren große Hoffnungen, was die Zukunft des deutschen Sportwagens betraf. Dass sie den Beginn einer neuen Ära miterleben durften, konnte noch keiner ahnen.

Was dort vor sich gegangen war, ist vermutlich nur wenigen klar gewesen. Selbst BMW verharmloste das neue Modell in einer Pressemitteilung noch als „2-Liter Sportwagen mit einem etwas windflüssigeren Aufbau“. Auch einige Journalisten hatten nicht richtig hingesehen und schrieben von einem „Zweiliter-V-Motor mit doppelter Nockenwelle“. Von Seiten BMW war es vielleicht auch Taktik, die Hoffnungen in das neue Modell anfangs nicht zu hoch zu stecken, denn bis dahin gab es ja nur drei gebaute Prototypen.

Die Siegesserie

Im August folgte der zweite Sieg. Der englische BMW Importeur H.J.Aldington war beim Schleißheimer Dreiecksrennen der Schnellste. Auch war es Aldington, der die BMW Verantwortlichen zu einem weiteren Auslandseinsatz drängte. Bei der Tourist Trophy in Irland traten die drei Prototypen als grün-lackierte Frazer-Nash-BMW an und triumphierten mit einem 1-2-3 Sieg. Nun schien das Eis gebrochen, doch war es immer wieder einer dieser drei Vorserien-Wagen, die mit wechselnden Fahrern in den kommenden Monaten für erste Plätze sorgten.

Noch mussten private Kunden große Geduld aufbringen, denn die Produktion kam nur zögerlich in Gang. Erst ab Ende April 1937 konnten die ersten Auslieferungen erfolgen. So dauerte es seit Hennes Debüt genau ein Jahr, bis die privaten Besitzer eines BMW 328 die Chance erhielten, diesen auch im Renneinsatz zu testen.


Lurani während der Rückfahrt von der Mille Miglia 1940
Foto: BMW AG

Beim Eifelrennen 1937 standen jetzt neun BMW 328 am Start, die den Sieg unter sich ausmachen mussten. In den folgenden Jahren gab es nur wenige zögerliche Versuche, mit anderen Fahrzeugen gegen die schnellen BMW anzutreten. Diese mutigen Einzelkämpfer waren jedoch zum Scheitern verurteilt, denn der BMW 328 dominierte in kürzester Zeit die Rennstrecken in Deutschland.

Auch aus den entfernteren Winkeln ganz Europas kamen die Siegesmeldungen nach München. Es waren aber nicht nur die Klassensiege, die der Wagen so mühelos errang, auch gegen weit stärkere Konkurrenz konnte er sich behaupten. Viele Gesamtsiege gegen einstmals überlegene Gegner gingen auf das Konto des kleinen 2-Liter Sportwagens.

Generalprobe – die Mille Miglia 1938

Das Jahr 1937 war für BMW und seinen neuen Sportwagen überaus erfolgreich gewesen. Auf deutschen Rennstrecken hatte er in der 2-Liter klasse keine Konkurrenten mehr. Einige Auslandserfolge, vor allem durch Ernst Henne, hatten den BMW 328 auch bei Sportfahrern in anderen Ländern bekannt gemacht. Was BMW eigentlich noch fehlte, war ein internationaler Durchbruch, ein Erfolg im Ausland, der für Schlagzeilen sorgen sollte.

Während in Mitteleuropa noch die winterliche Kälte regierte, war man südlich der Alpen schon emsig mit den Vorbereitungen zu einem Ereignis beschäftigt, das seit vielen Jahren zu den berühmtesten Rennveranstaltungen zählte: die Mille Miglia, das legendäre Straßenrennen durch halb Italien, dass am 3. April 1938 von Brescia aus zum zwölften Male ein ganzes Land in einen ungeahnten Begeisterungstaumel stürzen sollte. Die Vorbereitungen waren seit Monaten im Gange, in unzähligen Garagen und Werkstätten wurde gebaut und gebastelt. In der Münchner Rennabteilung war man ebenso dabei, zwei der Werkswagen vorzubereiten.


BMW 328 "Mille Miglia" Bügelfalten-Roadster während des I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG

Der Veranstalter hatte für dieses Jahr die Klassen- Einteilungen neu überarbeitet. Es gab die Kategorien Sportwagen International mit und ohne Kompressor, sowie Sportwagen National. Von den 155 gemeldeten Fahrern starteten 119 in der nationalen Klasse, was deutlich machte, dass die Mille Miglia doch in erster Linie eine national-italienische Veranstaltung war. Die kleinste Klasse, in der internationale Fahrer antreten konnten, war deshalb auch die für Sportwagen der 2-Liter Klasse.

In diesem Jahr wollte der Veranstalter noch mehr ausländische sprich: deutsche Fahrer zu einer Teilnahme motivieren. Es kamen allerdings nur vier Nennungen, alle auf BMW 328. Das National-Sozialistische-Kraftfahrer-Korps (NSKK) meldete als Fahrer den Prinzen Max zu Schaumburg-Lippe und als Manifestation der deutsch-italienischen Freundschaft den überaus erfahrenen Mille Miglia Fahrer Conte Giovanni Lurani als dessen Co- Pilot. Das BMW Werk schickte zwei seiner Werkswagen ins Rennen. Der eine wurde besetzt mit den Privatfahrern Uli Richter und Dr. Fritz Werneck, der andere mit dem englischen Fahrer A.F.P. Fane mit William James als beifahrendem Mechaniker und Navigator.

Diese drei Wagen bildeten zusammen eine Mannschaft, gemanagt von Ernst Loof, dem Leiter der BMW Sportabteilung. Eine weitere, allerdings private Nennung kam von Heinrich Graf von der Mühle-Eckart als Fahrer und Theodor Holzschuh von der BMW Sportwagen- Reparaturabteilung als Mechaniker. Als weitere Teilnehmer hatten ein Fiat, ein Riley sowie ein schneller Aston Martin gemeldet.

Klassenbester

Die Wetterbedingungen für dieses Rennen hätten nicht besser sein können. Seit Tagen war es schon frühlingshaft warm, lediglich beim Start war es noch etwas kühl.

In der Nacht vom 2. auf den 3. April war im Zentrum von Brescia an Nachtruhe nicht zu denken. Tausende von Schaulustigen hatten sich am Startplatz und an den Ausfallstraßen eingefunden, um bei diesem großartigen Spektakel dabei zu sein. Um zwei Uhr morgens wurden die ersten Fahrzeuge der kleinsten nationalen Klasse auf die Strecke geschickt. Der Start erfolgte in halb- minütigem oder minütigem Abstand, je nach Klasse. Aufgrund der großen Anzahl von Teilnehmern mussten sich die Fahrer der größeren Wagen ziemlich in Geduld üben. Sie sollten später den Vorteil bekommen, dass sie im Tageslicht fahren durften. Allerdings mussten sie dann auch alle anderen Teilnehmer überholen.

Als die 2-Liter Klasse an die Reihe kam, war es aber noch finstere Nacht. Punkt 4.30 Uhr ging Prinz Schaumburg als erster ins Rennen, gefolgt von Uli Richter, den drei Konkurrenten, Fane und von der Mühle-Eckart. Schon von Anbeginn an legten die BMW ein enorm hohes Tempo vor, im Vertrauen auf die Haltbarkeit ihrer perfekt vorbereiteten Rennmotoren. Schon bis Rom hatten sie zwei ihrer Konkurrenten verloren, der letzte musste bald danach aufgeben. Das bedeutet aber keineswegs, dass die BMW nun langsamer fuhren. Im Gegenteil, denn nachdem die Klassengegner weg waren, begann der Angriff auf die größeren Klassen. Dabei fuhren die deutschen Fahrer mit einer uhrwerkmäßigen Präzision, denn es trennte sie immer nur wenige Minuten voneinander.


BMW 328 "Mille Miglia" Roadster beim I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG

Am späten Nachmittag kamen dann die schnellsten Fahrer wieder in Brescia an. Keine zwölf Stunden nach dem Start waren erwartungsgemäß die großen kompressorbetriebenen Alfa Romeo, die Delahaye und Talbot wieder im Ziel. Die große Überraschung sollte aber noch folgen. Denn bereits als achter im Gesamtklassement und als Sieger der 2-Liter Klasse folgte Fane auf dem BMW 328, mit dem er den größten Teil der größeren Kompressorwagen abgehängt hatte. Und um das Maß voll zu machen, kamen die anderen BMW 328 auf die Plätze zehn, elf und zwölf im Gesamtklassement und sicherten sich in ihrer Klasse die Plätze 2, 3 und 4. Außerdem gewannen sie noch die Mannschaftspreise für Gleichmäßigkeit und die besten ausländischen Starter.

BMW war zu Recht stolz auf den größten Sieg seiner bisherigen Firmengeschichte. Der BMW 328 hatte bewiesen, dass er in der Lage war, ein enorm hohes Tempo auch über lange Distanzen klaglos durchzustehen. Die hohe Leistung des Wagens in Verbindung mit der perfekten Straßenlage hatte gezeigt, dass es auch möglich war, weitaus stärkere Konkurrenten in die Knie zu zwingen. Für BMW bedeutete dieser Erfolg den internationalen Durchbruch auf den Rennstrecken Europas.

Effizienzsteigerung durch Stromlinie

Ein Rennsportwagen muss offen sein, so verlangte es das Reglement aller Rennen im Deutschland der 30er Jahre. Der BMW 328 war ein Roadster der klassischen Art. In wenigen Exemplaren gab es ihn auch in geschlossener Ausführung und zwei von ihnen rückten für kurze Zeit in das Licht der Öffentlichkeit.

Seit seinem Debut beim Eifelrennen 1936 hatte sich der BMW 328 in kürzester Zeit die Rennstrecken Europas erobert. Für die Ingenieure in München war dies jedoch kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Mit Hochdruck arbeitete man an der Erhöhung der ursprünglichen Leistung von 80 PS. Bei den Wettbewerbsmotoren war man bereits bei ca. 110 PS angekommen, eine nennenswerte Steigerung war jedoch nicht mehr zu erwarten. Auch das Gewicht des serienmäßig ohnehin nicht schweren Wagens ließ sich kaum mehr verringern. Eine höhere Geschwindigkeit war nur noch durch Verringerung des Luftwiderstandes möglich. Die rundliche Form des 328 mit den akzentuierten Kotflügeln war zwar in konstruktiver wie gestalterischer Hinsicht ein Meisterstück, strömungstechnisch aber nicht ideal. Die BMW Techniker standen deshalb vor der Aufgabe, eine völlig neue Karosserie zu entwerfen, die den aktuellen Erkenntnissen der Aerodynamik-Forschung Rechnung tragen sollte.

Geschlossen statt offen

Durch Versuche hatte man erkannt, dass eine geschlossene Limousine, trotz der größeren Stirnfläche, durch strömungstechnische Optimierung weitaus bessere Werte erzielen konnte als ein offener Sportwagen. Die Frankfurter Adler-Werke, die die ersten „Rennlimousinen“ einsetzten, hatten mit ihrem überzeugenden Auftritt bei den 24-Stunden von Le Mans in den Jahren 1937 und 38 deutlich gezeigt, dass durch Stromlinienkarosserien eine motorische Unterlegenheit durchaus kompensiert werden konnte.

Bei BMW hatte man sich zur gleichen Zeit auch mit diesem Thema beschäftigt. Prof. Wunibald Kamm, der Leiter des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren an der Technischen Hochschule Stuttgart (FKFS) hatte erste Windkanalversuche mit BMW Modellen durchgeführt.


BMW 328 "Mille Miglia" Kamm Rennlimousine beim Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG

Unter Handlungsdruck gerieten die BMW Techniker durch den Beschluss der deutschen und italienischen Sportbehörden, zur Manifestation der politischen Achse Berlin – Rom, im Oktober 1938 eine Hochgeschwindigkeitsfahrt auf den neu gebauten Autobahnen zwischen den beiden faschistischen Metropolen auszutragen.

Für BMW, ebenso wie für andere Hersteller, bedeutete dies, in kürzester Zeit einen Hochleistungs-Sportwagen zu entwickeln, der sich nicht nur gut behaupten konnte, sondern eine realistische Chance auf den Gesamtsieg hatte.

Schnell aber instabil

Rudolf Flemming, der schon an der Konstruktion des 328 maßgeblichen Anteil hatte, erhielt dafür die Vorgabe: Der Wagen musste geschlossen sein, um alle Vorteile der Stromlinie auch nutzen zu können. Dies bedeutete aber, dass der Wagen nie bei einem Sportwagen-Rennen in Deutschland starten durfte, denn geschlossene Fahrzeuge waren hier nicht zugelassen. In konsequenter Anwendung des Leichtbauprinzips entwarf Flemming auf dem Chassis des 328 einen filigranen Gitterrohrrahmen, der mit einer dünnen Aluminiumhaut überzogen wurde.

Das intern als Projekt AM 1007 bezeichnete Fahrzeug konnte jedoch nicht überzeugen. Die in Eisenach gefertigte Karosserie war aus handwerklicher Sicht nicht zufriedenstellend, außerdem ließ das Fahrverhalten sehr zu wünschen übrig. Der Wagen erreichte bei Testfahrten zwar ungeahnte Geschwindigkeiten, war aber so instabil, dass er die gesamte Autobahnbreite benötigte. Es bedurfte noch einer Menge Entwicklungsarbeit, um hieraus einen brauchbaren Rennwagen zu machen.


BMW 328 "Mille Miglia" Roadster beim I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG

Die Bemühungen bei BMW, ein schnelles Fahrzeug auf die Beine zu stellen, waren auch nicht unbeobachtet geblieben.

Bereits im Frühjahr 1938 hatte das NSKK ein eigenes Team aufgestellt, das sich quasi als deutsche Sportwagen-Nationalmannschaft verstand und mit seinen eigenen drei BMW 328 bei Rennveranstaltungen im Ausland die deutschen Farben vertreten wollte. Das Werk hatte sich zwar vertraglich verpflichtet, die NSKK-Wagen auf dem neuesten Entwicklungsstand zu halten, in der Rennlimousine erwuchs dieser Truppe aber ein potentieller Gegner, der ernst zu nehmen war. Auf keinen Fall durfte es einem Werks-Fahrer möglich sein, den für sich in Anspruch genommenen Sieg der NSKK-Mannschaft in Frage zu stellen. Prinz Max zu Schaumburg-Lippe, der Spitzenfahrer dieser Mannschaft, forderte nun ebenfalls eine Rennlimousine. Bei BMW gab man aber an, keinerlei Kapazitäten dafür frei zu haben.

Das Touring Coupé

Und so blieb zu Schaumburg-Lippe nichts anderes übrig, als sich bei seinen Bundesgenossen umzusehen. Auch bei der Mille Miglia hatte sich gezeigt, dass schwächer motorisierte Fahrzeuge durch leichte, windschlüpfrige Aufbauten enorm hohe Geschwindigkeiten erzielen konnten. Jetzt, gut ein Jahr später, nutzte man die guten Beziehungen nach Italien, um von der „Carrozzeria Touring“ in Mailand ein Angebot für einen Stromlinienaufbau einzuholen. Dort hatte man ein ganz ähnliches Projekt für Alfa Romeo bereits in Arbeit und konnte auf Erfahrungen mit einer gleichartigen Karosserie aus dem Vorjahr zurückgreifen. Diese Stromlinienkarosserie in der patentierten „Superleggera“- Bauweise ließ sich ohne große Mühen an das serienmäßige 328 Chassis anpassen. Die italienischen Blechkünstler schafften es, in nur vier Wochen den Aufbau fertigzustellen.


BMW 328 Touring Coupé beim Start zum I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG

Zwar konnte man den Wagen bei Touring nicht im Windkanal testen, dafür hatte man die richtige Form eher intuitiv und durch empirische Vorgehensweise gefunden.

Das nur 780 kg schwere Coupé, in der deutschen Rennfarbe weiß lackiert, konnte aber nicht nur ästhetisch überzeugen. Testfahrten hatten ergeben, dass es die 200 km/h Marke überschreiten konnte und dabei auch noch relativ gut geradeaus lief. Beim Rennen in Le Mans am 17./18. Juni 1939 kam das Touring-Coupé zu seinem ersten Einsatz. Gefahren wurde es von Prinz Schaumburg und dem BMW Ingenieur Hans Wencher. Nach 24 Stunden und 3188 Kilometer konnten sie die 2-Liter Klasse mit einem sensationellen Durchschnitt von 132,8 km/h gewinnen. Im Gesamtklassement schafften sie einen hervorragenden fünften Platz gegen weit überlegen motorisierte Gegner.

Das Kamm-Coupé

Den Erfolg des „Stiefkindes“ hatte man bei BMW mit gemischten Gefühlen aufgenommen. In der Entwicklungsabteilung war man aber nicht untätig geblieben.

Nach längeren Windkanal-Erprobungen hatte man heraus gefunden, dass beim Projekt AM 1007 der Stromlinienaufbau nicht zum Fahrgestell passte. Also ging man in der neu gegründeten Abteilung „Künstlerische Gestaltung“ unter der Leitung von Wilhelm Meyerhuber daran, eine neue Stromlinienkarosserie unter der Projektnummer AM 1008 zu entwerfen.

Um eine Verbesserung des Geradeauslaufs zu erzielen, verlängerte man das Chassis um 20 cm. Ein völlig neu konstruierter Gitterrohrrahmen wurde aus Elektron gefertigt und wog nur 30 Kilogramm. So konnte in Verbindung mit einer Aluminium- Außenhaut auch bei BMW eine „Superleichte“ Karosserie geschaffen werden.


BMW 328 "Mille Miglia" Kamm-Rennlimousine beim I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG

Das so genannte „Kamm-Coupé“ war deutlich größer als die vergleichbare Touring-Variante, durch den konsequenteren Leichtbau wurde es aber um 20 Kilo leichter.

Die Entstehung des Wagens zog sich wegen der begrenzten Kapazitäten im Prototypenbau über einige Monate hin. Aber im Gegensatz zur italienischen Variante konnten die BMW Techniker ihre eigene Rennlimousine umfangreichen Testfahrten unterziehen. Im Spätsommer 1939 wurde der Wagen auf der Autobahn München – Salzburg gründlich geprüft und in vielen Details noch verbessert.


Das BMW Fahrerlager beim I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 1940
Foto: BMW AG

Aber die Bemühungen zahlten sich aus: Das Kamm-Coupé hatte eine deutlich bessere Richtungs-Stabilität und zeigte sich wesentlich unempfindlicher gegen Seitenwind. Der Cw-Wert lag mit ca. 0,25 (gemessen an einem Modell) deutlich unter dem des Touring-Coupés mit ca. 0,35.Auch in der Höchstgeschwindigkeit setzte der Wagen mit 230 km/h neue Maßstäbe. Durch den Kriegsausbruch blieb aber zunächst völlig offen, ob er jemals die Chance bekäme, seine Stärken auch zu zeigen.

Die Roadster

Auch bei den offenen Fahrzeugen hatte man beim Thema Stromlinie Neues zu vermelden. Unter Wilhelm Meyerhubers Leitung waren Entwürfe für einen Stromlinien-Roadster entstanden, dessen schwungvolle Karosserie schon im Stand den Eindruck von Dynamik und Geschwindigkeit vermittelte. Auch hier hatte man Modelle angefertigt und sie intensiven Versuchen im Stuttgarter Windkanal unterzogen. Im Herbst 1939 wurde dann dem serienmäßigen Fahrgestell des einstigen Mille Miglia Klassensiegers vom Vorjahr ein Gitterrohrrahmen aufgesetzt, der mit einer dünnen Aluminiumhaut überzogen wurde. Aufgrund seiner markanten Kanten in den Kotflügeln erhielt der Wagen schnell den Beinamen „Bügelfalten-Roadster“.


BMW 328 "Mille Miglia" Roadster während des I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG

Dem Münchner Rennfahrer Uli Richter fiel die Aufgabe zu, den fertigen Wagen bei eisiger Kälte über die Autobahnen im Münchner Umland zu hetzen, um die optimale Abstimmung zu finden. Doch der Stromlinienroadster bedurfte nur minimaler Verbesserungen. Zwei weitere Gitterrohrrahmen waren bereits auf neue Fahrgestelle montiert, da geriet man in München in Zeitnot. Die Karosserieabteilung war personell schwach besetzt - Autos baute BMW damals nur in Eisenach - und man befürchtete, die zwei Fahrzeuge nicht rechtzeitig bis zum Frühjahr fertig stellen zu können. Also ließ man wieder die guten Beziehungen nach Mailand spielen und verfrachtete die zwei halbfertigen Rennwägen zu Touring. Für die routinierten italienischen Karosseriebauer war es kein Problem, die Fahrzeuge in kürzester Zeit zu komplettieren. Mit von der Partie war Willy Huber, der geniale Alleskönner und begabte Blechkünstler der Rennabteilung, der den italienischen Kollegen bei der Verarbeitung der Aluminium-Platten gerne über die Schulter schaute.

BMW im Zenit – die Mille Miglia 1940

Frühjahr 1940: In Italien ist man vollauf damit beschäftigt, die legendäre „Mille Miglia“ wieder aufleben zu lassen. Zuletzt hatte sie 1938 auf dem traditionellen Kurs stattgefunden. Wegen zahlreicher Unfälle war ihre weitere Durchführung aber zunächst untersagt worden. Jetzt, zwei Jahre später, sollte das Rennen wieder stattfinden. Doch nicht mehr auf der ursprünglichen Route, sondern auf einem 167 km langen Dreieckskurs zwischen Brescia, Cremona und Mantua, der dafür 9 mal zu fahren war, sehr zur Freude des Publikums, denn früher sah man die Wagen immer nur ein einziges Mal vorbeifahren.


BMW 328 "Mille Miglia" Roadster während des I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG

Der neue Kurs war aber nicht mehr so spektakulär wie der alte. Er verlief in ebener Landschaft auf gut ausgebauten Straßen mit vielen langen Geraden, die einen hohen Durchschnitt erwarten ließen. Anknüpfend an die alte Tradition trug das Rennen nun den Namen „I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia“. Im März 1940 begann die generalstabsmäßige Planung des deutschen Einsatzes. BMW Rennleiter Ernst Loof war mit einer Gruppe Fahrer mit den zwei Coupés und einem Roadster in Italien, um die Strecke kennen zu lernen, eine Rennstrategie auszutüfteln und die Anlage der Depots zu organisieren. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 20 Litern auf 100 Kilometern teilte man die Gesamtstrecke in drei Abschnitte zu je 500 km, so dass sich die ideale Lage für ein Depot in der Ortschaft Castiglione etwa 25 km vor Brescia anbot. Hier war für Benzin und Öl gesorgt und Loof konnte seinen Fahrern die notwendigen Anweisungen geben.

Silber, Rot, Blau

In den letzten drei Tagen vor dem Rennen versammelten sich die Teilnehmer mit ihren Fahrzeugen zur Abnahme auf der Piazza della Vittoria im Herzen Brescias. Die fünf deutschen BMW Wagen wurden mit silberner Lackierung präsentiert. Dominiert wurde das Starterfeld traditionsgemäß von den „Roten“. 70 italienische Fahrerteams auf FIAT, Lancia und Alfa Romeo waren erschienen. Auch zwei „blaue“ Fahrzeuge des französischen Herstellers Delage kamen zum Einsatz, ihre Fahrer waren aber ebenfalls Italiener.

Als Fahrer der drei Stromlinienroadster wurden die Mitglieder der NSKK-Mannschaft bestimmt, die seit zwei Jahren die deutschen Interessen bei ausländischen Rennveranstaltungen mit großem Erfolg vertreten hatten. Wagen Nr. 71, der erste Stromlinienroadster, wurde von Hans Wencher und Rudolf Scholz pilotiert, die zwei weiteren Roadster mit der Nummer 72 von Willi Briem und Uli Richter, die Nr. 74 von Adolph Brudes und Ralph Roese. Auftragsgemäß sollten diese drei Teams nicht ihr Äußerstes geben, sondern schnell und materialschonend zugleich fahren. Zwar wurden auch vordere Platzierungen angestrebt, das Hauptaugenmerk lag jedoch auf dem Ankommen und damit dem Gewinn des Mannschaftspreises.


Das BMW Fahrerlager beim I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 1940
Foto: BMW AG

Die beiden Coupés hingegen waren von der ONS gemeldet worden. Das Touring-Coupé fuhren Fritz Huschke von Hanstein und Walter Bäumer. Für das werkseigene Kamm-Coupé hatte man mit dem Grafen Giovanni Lurani Cernuschi und Franco Cortese zwei hervorragende italienische Fahrer gewonnen. Diese zwei Coupés waren für den Gesamtsieg, während alle Welt traditionsgemäß von einem Sieg der Alfa Romeo Mannschaft ausging. Die Chancen für das italienische Team standen nicht schlecht, hatte doch das Kamm-Coupé bei den Testfahrten bessere Fahreigenschaften gezeigt und deutlich höhere Geschwindigkeiten erzielt, als das Touring Coupé.

Alles auf eine Karte

Seit 4 Uhr am Morgen des 28. April wurden die Teilnehmer im Minutenabstand auf die Strecke geschickt. Um 6:40 Uhr gingen von Hanstein/Bäumer mit dem ersten BMW ins Rennen, gefolgt von den Teamkollegen und den italienischen Fahrern in der größten Klasse. Von Anfang an setzte der junge von Hanstein alles auf eine Karte. Bereits die erste Runde legte er in einem Tempo zurück, das keiner der Anwesenden für möglich gehalten hätte. Schon trennten ihn fast eineinhalb Minuten von seinem hartnäckigsten Verfolger in einem Delage, Platz drei hielten Lurani/Cortese auf dem zweiten BMW Coupé, gefolgt von einem der favorisierten Alfa Romeos. Die drei Roadster lauerten abwartend auf den Plätzen 7 bis 9.


Zieldurchfahrt beim I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28. April 1940
Foto: BMW AG

In der zweiten Runde waren beide BMW Coupés vorne, dahinter kämpften die Italiener bereits mit den vordringenden offenen Stromlinien-Roadstern. Doch das Kamm-Coupé hielt das mörderische Tempo nicht lange durch. Erst gab es Probleme mit dem Vergaser, dann mit der Ölzufuhr, in der siebten Runde mussten sie den Wagen schweren Herzens aus dem Rennen nehmen.

Unterdessen zog das Touring-Coupé weiterhin unbeirrt seine schnellen Runden. Mit einem Schnitt von über 174 km/h hatte v. Hanstein die schnellste Runde gefahren, die je bei einem Sportwagenrennen gemessen wurde. Zwischen ihm und seinem Co-Piloten Bäumer war es zu einigen Meinungsverschiedenheiten gekommen, denn der ehrgeizige Baron wollte unbedingt das Rennen gewinnen und hielt sich nicht an den verabredeten Fahrerwechsel. Es bedurfte einiges an Überredungskunst, dass Bäumer sich mit der Rolle des Beifahrers zufrieden geben sollte, um den Sieg nicht zu gefährden. Mittlerweile hatte das Coupé aber einen uneinholbaren Vorsprung gegenüber seinen Verfolgern. Wenige Kilometer vor dem Ziel kam es dann doch zum Fahrerwechsel und Walter Bäumer genoss den Triumph, das Touring-Coupé als Gesamtsieger über die Ziellinie zu fahren.

Jubel erst in München

Wie zu erwarten, brandete beim italienischen Publikum kein frenetischer Jubel auf, vielmehr machte sich auf den voll besetzten Tribünen einige Ratlosigkeit bemerkbar. Wo blieben die „Roten“? Über eine Viertel Stunde verging, bis der Alfa Romeo von Farina/Mambelli als zweiter ins Ziel kam, gefolgt von Brudes/Roese auf Platz drei, Biondetti/Stefani auf Platz vier, sowie Briem/Richter und Wencher/Scholz auf den Plätzen fünf und sechs. BMW konnte sowohl den Mannschaftssieg als auch den Gesamtsieg feiern. Das Team erwartete Begeisterungskundgebungen bei der Rückkehr nach München. Der Odeonsplatz mit der Residenz bot die eindrucksvolle Kulisse, um der Münchner Bevölkerung die siegreichen Wagen zu präsentieren.


Impressionen von der Rückfahrt der BMW "Mille Miglia" Mannschaft vom I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia, 28.04.1940
Foto: BMW AG