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Turbo-Technik bei Porsche: Vom Schluckspecht zum Sparfuchs

1974 stellte Porsche erstmals den 911 Turbo vor. 1975 ging er in Serie: Mit 260 PS saustark, mit 260 Sachen sauschnell und mit 65 800 Mark sauteuer wie kein anderes deutsches Auto. Für die Leistungsexplosion sorgte ein Abgasturbolader. Seitdem steht Porsche quasi als Synonym für diese Technik.

Die Lader befeuerten die Topmodelle der Baureihen 924, 944, alle Generationen des 911 und sind heute bei 911, Cheyenne, Macan und Panamera aktiver denn je. Der Charakter der Zwangsbeatmung hat sich in vier Jahrzehnten komplett geändert. Heute sind Turbos beim Downsizing auf dem Weg zu geringeren Verbräuchen unverzichtbar.

Porsche gebührt die Ehre, ab 1975 den Durchbruch der Turbotechnik im Serienbau von Personenwagen in die Wege geleitet zu haben. Zwei Jahre zuvor hatte bereits BMW mit dem 2002 Turbo für Furore gesorgt, dem ersten Serienauto mit Ladertechnik, die mit 170 PS die kompakte Limousine zum Porsche-Schreck adelte.

Doch wer hat´s erfunden? Weder die Schwaben noch die Münchner. Es war tatsächlich ein Schweizer. Bereits 1905 meldete der eidgenössische Ingenieur Alfred Büchi den Abgaslader zum Patent an. Der Schweizer hatte erkannt, dass der Wirkungsgrad konventioneller Verbrennungsmotoren lausig war. Zwei Drittel der im Kraftstoff gebundenen chemischen Energie gingen als Wärme im Abgasstrom verloren. Büchis Rezept: Mit der Wärme und kinetischen Energie des Abgasstroms eine Turbine antreiben, die verdichtete Luft in den Verbrennungsraum presst. Sein erster Turbo-Motor von 1925 bot eine um 40 Prozent höhere Leistung als die entsprechende Saugversion.


Foto: Dr.Ing.h.c.F.Porsche GmbH

Seit den Pioniertagen von Gottlieb Daimler und Carl Benz träumten Ingenieure davon, durch Aufladung Verbrennungsmotoren mehr Leistung zu entlocken. Im Grunde ein einfaches chemisches Rechenexempel: Je mehr Luft in den Verbrennungsraum gelangt, desto mehr Sauerstoffmoleküle können mit den Kohlenwasserstoffmolekülen, aus denen Kraftstoff im wesentlichen besteht, die erforderliche Verbindung für ein zündfähiges Gemisch eingehen. Somit steigt die Leistung. Da die Luftzufuhr durch den Gasdurchsatz eines Saugmotors physikalisch begrenzt ist, hilft nur zusätzlicher Druck – via Lader.

Den Königsweg der Ladertechnik reklamierten lange die mechanischen Lader oder Kompressoren, die jedoch den Nachteil aufweisen, einen erklecklichen Teil der Motorleistung für den eigenen Antrieb zu reklamieren. Das verkneift sich der Turbo. Ihm reicht die Kraft des Abgasstroms als Antriebsenergie. Die beschleunigt ein kleines Turbinenrad, die die Kraft über eine Welle auf ein zweites Rad überträgt, das Frischluft verdichtet und zusätzlich in die Brennräume presst. Ob Porsche 911 Turbo S mit 412 kW / 560 PS aus 3,8 Litern Hubraum, oder neuer Ein-Liter-Dreizylinder von Opel mit 85 kW / 115 PS, der Lader ist heute klassenlos und unverzichtbar bei der Reduzierung von Verbrauch und Abgasausstoß.

Diese Eigenschaften waren dem Turbolader freilich nicht in die Wiege gelegt. Die ersten Turbo-Motoren der Serie waren im Alltagsbetrieb, vorsichtig ausgedrückt, gewöhnungsbedürftig. Unter 3000 Umdrehungen in der Minute ging wenig, weil die Massenträgheit der Turbine ordentlichen Abgasdruck zum Anspringen benötigte. Dann fiel die Power jedoch mit solch brachialer Gewalt über die Hinterräder her, dass eine kundige Hand am Volant erforderlich war, um das Ausbrechen des Hecks zu verhindern. Daneben galt die Faustformel: Turbo gleich durstig. Unter Volllast nahmen sich frühe 911 Turbo bis zu 35 Liter auf 100 Kilometer.

Unter Volllast leistet ein Lader rund 200 000 Umdrehungen pro Minute. Bei solchen Drehzahlen erreichen die Außenkanten der Laderschaufeln Geschwindigkeiten von 1200 bis 1500 km/h. Dank motornahem Einbau im Krümmer und einer variablen Geometrie des Laders, hat der Turbo gelernt, Leistung zu fördern, ohne dabei den Verbrauch in die Höhe zu treiben.

Für Porsche zahlt sich das deutliche „Ja!“ zum Turbo seit nunmehr 40 Jahren aus. Die zwangsbeatmeten Sechs-Zylinder-Boxer im Heck markierten stets die Topmodelle der jeweiligen 911-Modellreihe. Ihr Markenzeichen war äußerlich ein breites Heck und der mächtige Heckspoiler, der den bitter notwendigen zusätzlichen Anpressdruck auf der Hinterachse lieferte. Ab 1978 bot der 911 Turbo 221 kW / 300 PS aus 3,3 Liter Hubraum. Beim 964, der dritten 911-Generation kletterte die Leistung bis 265 kW / 360 PS. Die Generation 993 bis 1998 lieferte beim Turbo zuletzt 331 kW / 450 PS. Generation fünf wusste als Turbo mit 353 kW / 480 PS zu überzeugen. Der Turbo S der bis 2012 gebauten 911-Generation 997 verlockte schließlich mit 390 kW / 530 PS.

Auch im Sport hätte Porsche ab den Siebzigern ohne Turbo-Motoren keine derart beeindruckende Erfolgsgeschichte geschrieben. Mit dem aufgeladenen 5,4-Liter-Zwölfzylinder des 917/39 Spyder waren 1973 auf dem Prüfstand 1156 kW / 1570 PS erreicht. Ein bis heute unerreichter Rekord für Rennmotoren, die die schwäbischen Boliden aus dem Stand in 11,3 Sekunden auf Tempo 300 beamten. Unvergessen auf den Rennpisten der Welt ist auch der 935, der zwischen 1976 und 1981 im stark veränderten Kleid des 911 zahllose Siege sammelte – mit bis zu 620 kW / 849 PS im Heck. Der 956/962 agierte zwischen 1984 und 1991 als erfolgreichster Rennsportwagen aller Zeiten in der Gruppe C.

Der Turbolader wird auch in Zukunft mehr denn je die Fahrzeuge des Stuttgarter Sportwagenherstellers prägen. Freilich nicht nur bei Porsche, sondern bei allen Autobauern der Welt. Die Turbine, bei Dieselmotoren längst unverzichtbar, hat sich zum wichtigen technischen Merkmal zur Senkung von Verbrauch und Abgasemission gemausert. (ampnet/tl)

Text: Thomas Lang