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Die größten Auto-Prozesse

Mit dem Aufbau des Patentwesens im 9. Jahrhundert wurde die Strafverfolgung von Patentverletzern möglich. Wenig kümmerte das die Amerikaner, die staunend verfolgten, was in Europa geschah, sich aber wenig darum kümmerten, wer was erfunden hatte. So gab es in Nord-Amerika besonders viele Nachbauer der Benzinkutschen von Carl Benz, von Gottlieb Daimler und von Panhard-Levassor. Die meisten Prozesse um das Automobil sind im Dunkeln der Geschichte verschwunden. Doch einige große Gerichtsverfahren sind überliefert. Davon erzählt Hanns-Peter von Thyssen-Bornemissza, ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen.

Direktorenposten statt Lizenzgebühren

Gottlieb Daimler übertrug Ende des Jahres 1889 seine französischen und belgischen Patente der Madame Louise Sarazin, der Witwe des früheren Rechtsberaters der Deutzer Motorenwerke in Frankreich, Edouard Auguste Sarazin. Der hatte in Paris eine Kanzlei für die Vermittlung von Lizenzrechten betrieben und war 1887 verstorben. Louise Sarazin heiratete im Mai 1890 in zweiter Ehe den Emile Levassor, den Mitinhaber der Firma Panhard & Levassor, mit dem Daimler bereits einen Lizenzvertrag abgeschlossen hatte. Nach dessen Tod 1897 blieb Panhard-Levassor aber Lizenzen schuldig, weshalb die Witwe vor Gericht klagte. Der Prozess endete mit einem Vergleich, der bestimmte, dass ihr Sohn Henri Sarazin bei Panhard-Levassor einen hoch dotierten Direktoren-Posten bekam und damit alle ausstehenden Lizenzzahlungen abgegolten waren.

Gottlieb Daimler und die Lizengebühren aus Frankreich

Schon seit 1887 half der Industrielle Max von Duttenhofer dem klammen Erfinder Gottlieb Daimler mit Geldbeträgen aus. Als Gottlieb Daimler 1890 die „Daimler Motoren Gesellschaft (DMG)“ gründete, holte er als Teilhaber Max von Duttenhofer und den Munitionsfabrikanten Wilhelm Lorenz dazu. Im März 1900 starb Gottlieb Daimler. Nach seinem Tod stellte Teilhaber von Duttenhofer fest, dass Daimler Lizenzgebühren aus Frankreich nicht vertragsgemäß an die DMG abgeführt hatte, sondern in die eigene Tasche gesteckt hatte. Duttenhofer drohte der Familie Daimler mit einem großen Skandal und erwirkte damit einen Verzicht der Erben auf alle Ansprüche an der Führung des Unternehmens. Bis zu seinem Tod im Jahre 1903, blieb von Duttenhofer Chef von DMG. Die Öffentlichkeit erfuhr von dem Prozess wenig. Erst der Journalist Halwart Schrader holte in seinem Buch „Motor Men" die Umrisse des Falles wieder ans Licht.


Wegbereiter des Automobils in der Neuen Welt: Ausstellerausweise von Gottlieb Daimler für die Weltausstellung 1893 in Chicago, USA.
Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler

Wie Anwalt Selden die US-Autohersteller übernehmen wollte

Ein großer Auto-Prozess fand im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts in den USA statt. Der in Clarkson 1846 geborene amerikanische Patentanwalt George Baldwin Selden hatte sich am 8. Mai 1879 ein Patent verschafft, das zwar nichts Inhaltliches besagte, mit dem er aber praktisch jeden Versuch, eine Automobilindustrie ohne sein Mitwirken aufzubauen, hätte lahmlegen können.

Auf einer Europareise hatte er Dampfautomobile kennengelernt und er nahm sich 1876 den von George Brayton konstruierten Zweitakt-Motor als Vorbild. Das Patent Nr. 549.160 vom 5. November 1896 hatte nur folgenden Zweck: „Eine sichere, einfache und billige Art Straßenlokomotive zu bauen, die nicht viel wiegt, leicht zu bedienen ist und hinreichend Kraftleistung aufweisen soll, um eine Durchschnittssteigung zu überwinden." Bis 1895 machte Selden von seinem Patent auch keinen Gebrauch. Doch in diesem Jahr beantragte er ein „Kombinationspatent", das seinen ursprünglich ganz roh formulierten Anspruch nach Maßgabe der inzwischen erfolgten technischen Entwicklung in Europa präzisieren sollte.

1899 verkaufte er sein Patent einer von Alfred Pope geführten Finanzgruppe, die nun ihrerseits die amerikanischen Autoproduzenten abkassierte. Eine eigene erfinderische Leistung war damit immer noch nicht verbunden. Nach diesem Kombinationspatent stellte die Verbindung von einem Wagen mit der Rumpfmaschinerie und Steuerrad mit Hebelmechanismus für die Fortbewegung und mit dem Motor selbst ein gültiges Patent dar. Unverständlich war, dass das amerikanische Gericht diesem Ersuchen um ein Kombinationspatent stattgab, obwohl dem Gericht bekannt sein musste, dass es ein sehr theoretischer und zweifelhafter Anspruch war. Denn sieben Jahre vor Erteilung dieses Patentes, also 1888, hatte der Klavierbauer William Steinway in New York die „Daimler Motor Company" gegründet und montierte seitdem Daimler-Wagen für Amerika. Dies hätte eigentlich den Richtern bekannt sein müssen. Außerdem erschien im Jahr 1895 der erste amerikanische Nachbau eines Benz von Duryea, der Nachbau eines Motorrades von „Wolfmüller & Hildebrandt" von Pennington und der erste Elektrowagen von William Morris.

Das eigentliche Ziel dieser Patenterteilung war der Zusammenschluss von Interessenten zu einer von Selden gegründeten „Association of licensed Automobile Importers", einer Gesellschaft, die versuchte, vor allem den Import ausländischer Kraftfahrzeuge zu unterbinden oder durch hohe Lizenzgebühren so weit zu verteuern, dass sie nicht mehr konkurrenzfähig waren.

Diese Gesellschaft ging aber noch einen Schritt weiter als sie merkte, dass ihre patriotisch getarnten Monopolbestrebungen den Ausländern gegenüber auf fruchtbaren Boden fielen. Sie versuchte nun, alle 30 Firmen, die in den Vereinigten Staaten selbst auf dem Gebiet des Kraftfahrzeugwesens tätig waren, in ihre Vereinigung mit Lizenzgebühren wie in ein Syndikat oder einem Trust zusammen zu zwängen. In Anzeigenkampagnen wurden sogar die Käufer von Fahrzeugen „lizenzloser" Hersteller mit Zwangsmaßnahmen bedroht. Damit stießen sie später bei Henry Ford auf Ablehnung und damit auf ihren Meister, der in jahrelangem Ringen unter dem Einsatz aller finanziellen Machtmittel seine Selbstständigkeit verteidigte.

Den Prozess gegen Selden führte Ford zusammen mit der Vehicle Company „Automobilclub de France". Der Prozess zog sich über einige Jahre und viele Instanzen hin. 1911 gewann er den Prozess; das Selden-Patent war wertlos. Selden hatte die Lizenzrechte inzwischen schon an die Electric Vehicle Company verkauft, einen Hersteller von Elektromobilen. Womit die paradoxe Situation eintrat, dass ein Elektroauto-Hersteller die Industrie mit konkurrierenden Benzinfahrzeugen weitgehend kontrollierte.

Selden unterlag endgültig erst am 11. Januar 1911 vor dem Supreme Court in New York. Selden aber hatte sein Schäfchen längst ins Trockene gebracht. Zu diesem Termin wurde das Selden „Auto-Buggy" auf Gerichtsbeschluss mit Frontantrieb gebaut und dabei festgestellt, dass die angebrachte Jahreszahl von 1877 falsch war. In einem Revisionsverfahren wurde allerdings nur noch der Anspruch auf den mittlerweile veralteten Brayton-Motor gebilligt.

Opels Ärger mit dem Laubfrosch

Der Auto-Prozess der 20er-Jahre fand um den Opel Laubfrosch statt. Mit großem Aufwand hatte Opel erstmals in Deutschland seine handwerkliche Fertigung auf industrielle umgestellt. Nach amerikanischem Vorbild wurde in den Hallen in Rüsselsheim ein elektrisches Fließband installiert. Nach Fertigstellung 1924 entdeckten die Opel-Techniker aber, dass hierfür auch andere Konstruktionen entwickelt werden mussten. Doch es war nichts in der Entwicklung; eine neue zu beginnen, hätte zu viel Zeit gekostet. So sahen sich die Opel-Manager einfach bei der Konkurrenz um.

Das einzige Automobil, das schon für die Fließbandherstellung geeignet war, war der französische Citroen Trefle, ein zweisitziges Cabriolet mit zwei Türen, Bugmotor und Hinterradantrieb, das ausschließlich in der Farbe Gelb geliefert wurde. Die Opel-Techniker kauften sich einige Exemplare ,zerlegten sie und bauten daraus ein neues Opel-Modell. Der 8/25 wurde also exakt dem französischen Citroen Trefle nachgebaut und ausschließlich in grüner Farbe geliefert. Und dies, ohne mit Citroen Rücksprache zu nehmen oder um Erlaubnis zu fragen, geschweige denn, Lizenzen zu zahlen.

Im Herbst 1924 lief das neue Fließband mit dem nachgebauten Franzosen an, der im Volksmund wegen seiner einheitlich grünen Farbe "Laubfrosch" genannt wurde. André Citroen verklagte die Opel-Firmenleitung und die wurde dazu verurteilt, den Laubfrosch zu stoppen. Mittlerweile hatte aber die Opel-Konstruktionsabteilung eine Weiterentwicklung auf die Räder gestellt, deren Produktion nun nach der des Laubfrosch anlief. Für André Citroen war dies aber der Startschuss, in Deutschland ein Montagewerk aufzubauen.

Das Reichsgericht rettet Ferdinand Porsche

Der nächste große Auto-Prozess der 30er-Jahre hatte schon staatstragende Züge und es wurde kein juristisches Urteil gefällt, sondern ein politisches. Der Prototyp des kleinen Motorradherstellers Standard von Wilhelm Gutbrod, der Standard Superior genannt wurde, stand 1932 auf den Rädern. Hauptmerkmale waren ein Rohrrahmen und laut www.carfolio.com ein mittig angeordneter 396 ccm-Zweizylinder-Motor mit 12-PS-Motor und Einzelradaufhängung mit Schwing-Achsen. Ausgerüstet war der Superior schon mit Dynastart-Anlasser, Tachometer und Kühlwasser-Temperaturanzeiger. Vorgestellt wurde der Superior auf der Internationalen Automobil- und Motorradausstellung in Berlin im Februar 1933, beworben als "Volkswagen". 1933 zog Wilhelm Gutbrod mit seiner Firma nach Stuttgart-Feuerbach um. Bis Ende 1934 wurden insgesamt 250 Exemplare des Superiors gebaut (Quelle: „Neben den Großen" von Otfried Jaus). Tatra verklagte Standard damals auf eine Million Mark Schadensersatz. Verschreckt hatte Gutbrod 1936 die Produktion seines kleinen Superiors aufgegeben.

Auch Ferdinand Porsche fürchtete eine Klage Tatras. Im Januar 1933, während der politischen Unruhen in Deutschland, wurde der NSU-Porsche-Vertrag inoffiziell annulliert. Der Mercedes-Benz 150 H trug einen weit nach vorne gerückten Passagierraum, eine geteilte Frontscheibe, ein Reserverad, das hinter der Fahrertür außen hing und ein spitz zulaufendes langes Heck. Aufgebaut war der 150 H ebenfalls auf dem von Tatra patentierten Zentralrohrahmen. Dadurch kam es noch in Zusammenhang mit der Konstruktion des Standard Superiors zu einem großen Prozess.


Ferdinand Porsche an einem Käfer-Prototyp (1937).
Foto: Auto-Medienportal.Net/Porsche

Ferdinand Porsche fürchtete die Tatra-Klage auch wegen eines anderen Projekts; den von den Nationalsozialisten in Auftrag gebenen KdF-Wagens. Hier hatte Porsche den beanstandeten Zentralrohrrahmen verwendet. Lizenzzahlungen an Tatra hätten den von Diktator Hitler vorgegebenen Preis gefährdet, denn das Landgericht Ludwigsburg hatte den Tschechen Recht gegeben. Nun fürchteten allerdings die Nationalsozialisten um ihr Projekt KdF(später Volks)-Wagen. Es wurde die Firma Daimler-Benz in den Prozess eingewoben und Ferdinand Porsche musste in dem Prozess auftreten.

Aus der Auto-Historie wurde nun alles ausgegraben, was schon vor dem Tatra-Patent diese geschützten Konstruktionsmerkmal getragen hatte. Dann ordnete die Reichsregierung an, den Prozess am höchsten deutschen Gericht, dem Reichsgericht in Berlin, neu aufzurollen. Und im Februar 1941 entschied das Reichsgericht auf höchste Anweisung zugunsten von Gutbrod – und zugunsten des Volkswagens.

Borg-Warner wollte den Namen Borgward verbieten lassen

Von dem Auto-Prozess der Nachkriegszeit erfuhr die Öffentlichkeit eigentlich gar nichts: Schon seit Ende der 30er Jahre hatte der Bremer Unternehmer Carl Friedrich Wilhelm Borgward die Hansa-Werke übernommen und erstmals einen Wagen unter seinem Namen herausgebracht. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schuf Borgward mit dem Hansa 1500 den ersten deutschen Wagen mit Pontonkarosserie. Mit dem Modell Isabella festigte er seine Marktposition.


Borgward 1500, 1952 - 1954
Foto: Lothar Spurzem/Wikipedia

Um 1956 erreichte Borgward eine Klage der amerikanischen Getriebefabrik Borg-Warner. Sie klagte gegen die Ähnlichkeit der Namen und verlangte die Umbennung der Auto-Marke. Noch ehe es allerdings zum Prozessende kam, musste Borgward 1961 Konkurs anmelden. Borg-Warner war 1928 aus einer Fusion von vier Firmen hervorgegangen und hatte sich zum größten Getriebeproduzenten der Welt entwickelt. Aktuell ist die Frage immer noch, da der Enkel von Carl F.W. Borgward sich ja wieder mit Plänen trägt, ein Borgward-Auto herauszubringen. Mal sehen, ob Borg-Warner den alten Fall wieder aufnimmt. (ampnet/vt)