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Fritz von Opel schreibt als "Rocket Man" Technik-Geschichte

Extremsportler, Techniktüftler, Visionär – Fritz von Opel gelingt 1929 das, was viele zur damaligen Zeit für unmöglich hielten: Am 30. September katapultiert sich der wagemutige Unternehmer auf dem Frankfurter Rebstockgelände in die Luft – mit Raketenantrieb. Er legt in 80 Sekunden rund zwei Kilometer zurück, bevor er unsanft, aber unversehrt, wieder auf dem Boden landet. Der Ruhm ist ihm gewiss: Der erste öffentliche bemannte Raketenflug der Welt eröffnet neue Perspektiven in der Antriebstechnik.

Fritz von Opel ist leidenschaftlicher Rennfahrer und Flieger. Geschwindigkeit begeistert den Enkel des Firmengründers Adam Opel. Als im Jahr 1927 der Südtiroler Astronom, Testpilot und Publizist Max Valier, Verfasser des Werks „Der Vorstoß in den Weltenraum“, Unterstützung für seine Forschung an einem „Raketen-Motor“ sucht, erkennt Fritz von Opel das Potenzial der neuartigen Technologie – und die Werbewirkung für die Marke Opel. Fortan wird in Rüsselsheim geforscht und auf einem eigens konstruierten Prüfstand die Schubkraft unterschiedlicher Raketen-Typen gemessen. Die hochmodernen Feststoff-Raketen liefert der Ingenieur Friedrich Wilhelm Sander. Nach erfolgreichen Versuchen mit Raketenantrieb in den RAK-Fahrzeugen im Jahr 1928 will Fritz von Opel im nächsten Schritt die Luft erobern.

„Die erste Menschenrakete“

Die unmittelbaren Vorbereitungen für den ersten bemannten Raketenflug nehmen den Sommer 1929 in Anspruch. Fluglehrer und Flugzeugkonstrukteur Julius Hatry entwickelt einen speziellen Hochdecker mit doppeltem Leitwerk: Das erste eigens für den Raketenantrieb gebaute Flugzeug wartet nun auf den Tag X.


Der Opel RAK I wird auf den Schlitten des Startkatapults montiert. Zahlreiche Zuschauer und Pressevertreter sowie die Besatzung des eigens aus Paris angereisten Tonfilmwagens der französischen Wochenschau sind in gespannter Erwartung.
Foto: GM Corp.

Am Nachmittag des 30. September ist es soweit: Fritz von Opel zündet auf dem Flughafen Frankfurt-Rebstock zwei 40 Zentimeter lange und 6,5 Kilogramm schwere Raketen, die das Flugzeug auf gut 100 km/h beschleunigen. Um exakt 15.30 Uhr hebt die Maschine ab. Zwei weitere Treibsätze sorgen für zusätzlichen Schub von insgesamt 96 Kilogramm und ermöglichen so den Steigflug. In einer Höhe von 20 bis 30 Metern erreicht das Flugzeug 150 km/h Spitze und legt knapp zwei Kilometer zurück. Beim Versuch, weitere Raketen zu zünden, versagt der Mechanismus – Fritz von Opel setzt nach 80 Sekunden in der Luft mit einer Bruchlandung auf dem Boden auf, bleibt aber unverletzt. Erstmals war es einem Menschen gelungen, ausschließlich mit Raketenkraft zu starten und in einen Steigflug mit anschließendem Streckenflug überzugehen. „Die erste Menschenrakete“ titelte eine Zeitung anlässlich dieses wagemutigen Unternehmens.


Am 30. September 1929 findet der erste öffentliche bemannte Raketenflug der Welt auf dem Frankfurter Rebstockgelände statt. Pilot Fritz von Opel: „Es ist wunderbar, so zu fliegen, von nichts anderem getrieben als Feuergasen.“
Foto: GM Corp.

Das nächste Ziel des Raketen-Tüftlers aus Rüsselsheim ist die Überquerung des Ärmelkanals. Dies soll für Fritz von Opel selbst allerdings ein Traum bleiben. Noch im gleichen Jahr muss er aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage die Arbeiten am Raketenantrieb einstellen. Doch die Verwirklichung seiner Visionen kann er noch bis zum epochalen Vorstoß in den Weltraum miterleben: Zehn Jahre nach dem Ende der RAK-Versuche hebt im August 1939 das erste serientaugliche Strahlflugzeug der Welt ab. Am 12. April 1961 fliegt der Russe Juri Gagarin als erster Mensch ins All und am 21. Juli 1969 betritt Neil Armstrong den Mond.

Geschichte der Opel-RAK-Versuche

Dem ersten bemannten Raketenflug waren ebenso erfolgreiche Opel-Raketenexperimente vorangegangen: Nach geheimen Probefahrten folgt am 11. April 1928 der erste öffentliche Start eines Raketenwagens auf der Opel-Rennbahn bei Rüsselsheim, der ersten permanenten Versuchs- und Rennstrecke Deutschlands. Nach nur acht Sekunden erreicht der RAK 1 Tempo 100 – ein Triumph für Fritz von Opel. Doch das ist erst der Anfang des Siegeszuges der Raketentechnologie. Schon einen guten Monat später geht der RAK 2 auf der Berliner Avus auf Rekordfahrt, weil die hauseigene Rennbahn nicht für Geschwindigkeiten über 140 km/h konzipiert ist. Rund 3.000 geladene Gäste wohnen dem aufsehenerregenden Ereignis bei. Das von 24 Raketen getriebene Fahrzeug entwickelt einen Schub von 6.000 Kilo. Mit 120 Kilogramm Sprengstoff im Rücken erreicht Fritz von Opel in der schlanken, schwarzen Karosserie mit zwei Flügeln 238 km/h Spitze.


Nach dem historischen Flug stellt sich das Team um Fritz von Opel dem Fotografen.
3.von links Fritz von Opel, 6. von links Friedrich Wilhelm Sander und 8. von links Julius Hatry.
Foto: GM Corp.

„In der fünften Etappe werden wir zum bemannten Raketenflug übergehen...“, kündigt der Hochgeschwindigkeitspilot nach dem Erfolg vollmundig an. Die Medien greifen den Faden auf. So schreibt die Zeitschrift „Das Motorrad“: „Es konnte sich niemand des Eindrucks erwehren, dass man am Beginn eines neuen Zeitalters steht. Vielleicht ist der Opelwagen mit Raketenantrieb der erste praktische Schritt zur Überwindung des Weltalls.“ Und „Raketen-Fritz“ lässt seinen Worten Taten folgen. Im Juni 1928 gehen die unbemannten Schienenfahrzeuge RAK 3 und RAK 4 auf der eigens gesperrten Reichsbahnstrecke Celle-Burgwedel an den Start. Ergebnis: Der RAK 3 erzielt mit 254 km/h einen neuen Weltrekord für Schienenfahrzeuge.


Fritz von Opel prüft vor Beginn des Fluges die Verkabelung der Raketen.
Foto: GM Corp.