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Mercedes-Benz „Nürburg“: Debüt im Oktober 1928

Nürburg Cabriolet Bj1929

• Erster Serienpersonenwagen von Mercedes-Benz mit Achtzylinder-Reihenmotor
• Die Baureihe wird insgesamt elf Jahre gefertigt

Stuttgart. Es mag rückblickend als ungünstiger Zeitpunkt erscheinen: Im Oktober 1928 und damit ein Jahr vor Beginn der Weltwirtschaftskrise debütiert auf dem Automobil-Salon in Paris der Mercedes-Benz 18/80 PS Typ Nürburg 460 (Baureihe W 08). Das in jeder Hinsicht großzügig ausgelegte Fahrzeug wendet sich an eine betuchte Kundschaft – eine auf den ersten Blick in jenen Tagen eher „ungünstige“ Klientel.

Doch eine andere Perspektive ist erlaubt: Zwar verlieren auch die Wohlhabenden viel Geld in den Turbulenzen der Weltmärkte, doch mancher von ihnen behält mit bedachtem Finanzmanagement immer noch genug, um ein neues Auto zu kaufen und damit zugleich ein Statement abzugeben. Damals wie heute gilt ein Mercedes-Benz als gutes Investment. Für Mercedes-Benz geht die Geschichte gut aus, die Baureihe W 08 erfreut sich über einer Laufzeit von elf Jahren einer vergleichsweise großen Beliebtheit im Segment der Luxus- uns Spitzenklasse.

Der „Nürburg“ – so wird das Fahrzeug abgekürzt meist genannt – ist der letzte Eckpfeiler des neuen gemeinsamen Modellprogramms, das nach der Fusion der Daimler-Motoren-Gesellschaft mit der Firma Benz & Cie. im Jahr 1926 zur Daimler-Benz AG entsteht.
Er gilt als Nachfolger des Sechszylinder-Kompressormodells 15/70/100 PS und wird eilig unter der Leitung von Ferdinand Porsche entwickelt: Andere Marken haben großen Erfolg im Luxuswagen-Segment, in Deutschland beispielsweise Horch mit dem Horch 8 – den ausgerechnet Paul Daimler entwickelt, nachdem die Daimler-Motoren-Gesellschaft sein Konzept abgelehnt hatte und ihn zur Konkurrenz hatte ziehen lassen.

Als erstes Serienmodell von Mercedes-Benz hat der Nürburg einen Achtzylinder-Motor. Deshalb wird er in einigen Druckschriften auch „Nürburg 8“ genannt, und das Deckblatt der frühen Kataloge ziert eine goldgeprägte 8, die in eine Raute eingebettet ist. Seinen Beinamen erhält er nicht aufgrund einer besonderen Sportlichkeit, sondern wegen seiner Zuverlässigkeit: Bei einer Dauererprobung auf dem Nürburgring hatte das Fahrzeug innerhalb von 13 Tagen und Nächten 20 000 Kilometer zurückgelegt.

Bereits 1929 erscheint eine überarbeitete Variante

Der Nürburg baut zunächst auf einem Hochrahmenchassis auf und erscheint so tatsächlich ein wenig wie eine Burg: stämmig und eindrucksvoll. Zugleich sieht er allerdings etwas betagt und angestaubt aus, gelten doch bereits andere Gesetze in Fahrzeugkonstruktion und -design. Deshalb wird der Typ bereits kurz nach seinem Debüt grundlegend überarbeitet und erhält ein Niederrahmenchassis – eine der ersten Aufgaben von Hans Nibel, der zum 1. Januar 1929 als Nachfolger von Porsche Chefkonstrukteur der Daimler-Benz AG wird. Der nun wesentlich gefälligere Nürburg wird im Herbst 1929 wiederum auf dem Pariser Automobil-Salon präsentiert. Das niedrigere Fahrzeug wirkt gestreckter und eleganter und steht in seiner äußeren Erscheinung den Wettbewerbern nun in nichts mehr nach.

Für den Antrieb sorgt ein Achtzylinder-Reihenmotor mit 4,6 Liter Hubraum und 80 PS (59 kW) in Verbindung mit einem Viergang-Getriebe. 1931 gesellt sich aufgrund von Kundenwünschen eine stärkere Variante mit 100 PS (74 kW) aus 4,9 Liter Hubraum hinzu, die erst später offiziell als 19/100 PS Typ Nürburg 500 geführt wird; für einen stattlichen Mehrpreis von 2000 Reichsmark hat diese Variante nicht nur den kräftigeren Motor, sondern auch einen als „Schnellgang“ titulierten Spargang, der drehzahlsenkend bei jedem der vier Vorwärtsgänge zuschaltbar ist, sowie edle und leistungsstarke Zeiss-Scheinwerfer. Von September 1932 an gibt es den Schnellgang für 1400 Reichsmark auch im Typ 460.
Während der Typ 500 ausschließlich mit langem Radstand erhältlich ist, gibt es vom Typ 460 zusätzlich auch eine um 240 Millimeter kürzere Ausführung mit der Zusatzbezeichnung „K“ – nicht zu verwechseln mit dem „K“ im Namen der späteren Kompressorfahrzeuge. Das kurze, zugleich um 50 Kilogramm leichtere Fahrgestell wird für 4/5-sitzige Aufbauten verwendet, die als Limousine, offener Tourenwagen und Cabriolet D erhältlich sind. Die Niederrahmen-Variante des 460 K ist zusätzlich noch als Spezial-Cabriolet C „St. Moritz“ lieferbar. Der klangvolle Name des Engadiner Wintersportorts wird diesem Modell Anfang 1930 verliehen, da es bei einer dort veranstalteten Schönheitskonkurrenz die beste Wertung aller vorgeführten Wagen erhalten hatte.

Eine Sonderausführung des Nürburg 460 auf dem kurzen Fahrgestell ist in keinem Prospekt und keiner Preisliste enthalten: Ein zweisitziger Sportroadster, von dem zwei Fahrzeuge im Jahr 1929 an Motorsport-Veranstaltungen teilnehmen. Rudolf Caracciola und Otto Merz steuern diese ungewöhnlichen Sportwagen bei der Internationalen Alpenfahrt über eine Distanz von 2660 Kilometer und bei der acht Stunden dauernden ADAC-Langstreckenfahrt für kompressorlose Tourenwagen auf dem Nürburgring.

Ein großes Angebot an Karosserievarianten

Der Nürburg mit langem Radstand ist als offener Tourenwagen und als Pullman-Limousine erhältlich, jeweils mit 6 bis 7 Sitzen. Ende 1931 wird die Modellpalette durch ein 6/7-sitziges Cabriolet F ergänzt, das allerdings nicht mit Sindelfinger Karosserie, sondern mit Fremdaufbauten von Neuß, Erdmann & Rossi, Voll & Ruhrbeck, Papler sowie Gläser angeboten wird. Die hauseigenen Karosserien der anderen Varianten entstehen nicht nur im Werk Mannheim, wo sämtliche Modellvarianten des Nürburg gefertigt werden, sondern teilweise auch in Sindelfingen. Bei besonders hochkarätigen Kunden wie beispielsweise Papst Pius XI. wird auch für den Nürburg der Pullman-Aufbau des „Großen Mercedes“ verwendet. Wie seinerzeit allgemein üblich, kann der Kunde auch das unkarossierte Fahrgestell erwerben und bei einem Karossier mit einem Aufbau seiner Wahl versehen lassen. Zu diesem Zweck sind Fahrgestelle in beiden Radständen erhältlich. Als ganz spezielle Variante des Nürburg entsteht im Februar 1931 eine Pullman-Limousine in Sonderschutzausführung, die durch eine Serie zeitgenössischer Archivfotos dokumentiert ist.

Die Produktion des Nürburg 460 endet im Dezember 1933. Im Februar 1934 wird der Typ Nürburg 500 in Typ 500 umbenannt. Etwas verwirrend: Denn schon einen Monat später erscheint der „Typ 500 mit Kompressor“, heute besser bekannt als 500 K. Zur Unterscheidung der beiden Fahrzeuge werden dann bald die Bezeichnungen 500 N und 500 K eingeführt.

Technisch bestehen zwischen den Typen 500 und 500 N nur geringe Unterschiede. Prägnanter ist die zurückhaltende Modernisierung der Karosserien, die jedoch als kontinuierlicher Prozess bereits im letzten Modelljahr des Nürburg 500 begonnen hatte. Eine eindeutig erkennbare, obwohl ebenfalls nur dezente Neuerung ist der leicht schräggestellte Keilkühler, der beim 500 N den Flachkühler seines Vorgängers ersetzt. Ansonsten haben nun auch die Werkskarosserien zumindest leicht geneigte Frontscheiben, was zuvor im wesentlichen dem Cabriolet „St. Moritz“ und den Fremdkarosserien vorbehalten gewesen ist. Im Sommer 1935 präsentiert sich das Design nochmals überarbeitet, und die Neigung nicht nur der Frontscheibe, sondern auch des Kühlers sind stärker ausgeprägt. Mitte 1936 gibt es noch einmal eine technische Änderung: Die Motorleistung wird durch Erhöhung der Verdichtung auf 110 PS (81 kW) angehoben. Der Typ 500 ist während des gesamten Produktionszeitraums als Pullman-Limousine und als offener Tourenwagen erhältlich. Die ursprünglich ebenfalls lieferbaren Cabriolets C, D und F entfallen der Reihe nach zu Beginn des Modelljahrs 1937, 1938 und 1939.

Als im Oktober 1939 die letzten sieben Exemplare der Baureihe W 08 produziert werden, ist das in mehrfacher Hinsicht eine bemerkenswerte Zäsur. Mit elf Jahren Bauzeit geht die längste Produktionszeit einer vor dem Krieg bei Daimler-Benz gebauten Pkw-Baureihe zu Ende. Der zuletzt hergestellte 500 N ist aber auch der letzte Personenwagen von Mercedes-Benz, der mit einer Starrachse ausgerüstet ist, und der letzte Personenwagen weltweit, der noch mit Holzspeichenrädern ausgeliefert wird. Und schließlich endet mit dem 500 N die traditionsreiche Produktion von Personenwagen im Daimler-Benz Werk Mannheim.

Die erfolgreiche Gesamtbilanz: Von den Typen Nürburg 460 und 460 K werden mit Hochrahmenchassis von 1928 bis 1929 insgesamt 1385 Fahrzeuge gebaut, mit Niedrigrahmenchassis sind es in den Jahren 1929 bis 1933 dann 1508 Stück. Von den Typen Nürburg 500 und 500 N entstehen zwischen 1931 bis 1939 insgesamt 931 Stück. Die Gesamtrechnung ergibt also 3824 Fahrzeuge – ein achtbares Ergebnis im damaligen Segment der Luxusklasse.

Weitere Informationen von Daimler sind im Internet verfügbar: www.media.daimler.com