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Der erste Daimler-Motor für ein Luftschiff

Am 17. Februar 1899: Der erste Daimler-Motor für das Luftschiff des Grafen Zeppelin wird ausgeliefert.
Der Vierzylinder-Leichtmetallmotor (Baumuster N) hat 4,4 l Hubraum und entwickelt 15 PS bei 700/min. Der Erstflug des Luftschiffs LZ 1, das von zwei Daimler-Motoren angetrieben wird, erfolgt am 2. Juli 1900.

„Leichter als Luft“ - Graf Zeppelins Traum vom Fliegen erfüllt sich am 2. Juli des Jahres 1900 um acht Uhr abends. Nach vielen Jahren rastloser Arbeit und langen Diskussionen mit Bürokraten, Militärs und Technikern, die sein Vorhaben für unrealistisch halten, hebt an diesem Sommerabend bei Manzell am Bodensee der erste „Zeppelin“ ab. Das 128 Meter lange Ungetüm, mit zwei Daimler-Motoren ausgestattet, bleibt 18 Minuten lang in der Luft und beweist, dass Zeppelins Idee vom starren, lenkbaren Luftschiff funktioniert.

Drei Monate später fährt LZ 1 sogar 90 Minuten über dem Bodensee, doch selbst ein kaiserlicher Orden und höchstes Lob können nicht verhindern, dass Zeppelins „Gesellschaft zur Förderung der Luftschifffahrt“ nach knapp zweieinhalb Jahren in Konkurs geht. Dem ehemaligen General aus Württemberg gelingt es nicht, die Regierung im fernen Berlin - und damit den größten potenziellen Geldgeber für solche Projekte - von seinen Plänen zu überzeugen.

Ferdinand Graf von Zeppelin, am 8. Juli 1838 in Konstanz geboren, gibt dennoch nicht auf. In Württemberg veranstaltet man eine Lotterie zu seinen Gunsten, sodass ein zweites Luftschiff gebaut werden kann. Am 17. Januar 1906 gelingt der Start von LZ 2, doch der Graf bleibt vom Pech verfolgt: Das Luftschiff gerät in starken Westwind, kommt vom Kurs ab. Als überdies auch einer der beiden Motoren ausfällt, gibt der Kommandant den Befehl zur Notlandung im Allgäu. In der Nacht zerstört ein Sturm das Luftschiff. Totalschaden.

Erst das dritte Projekt wird zum Erfolg: LZ 3, mit Zeppelins Privatvermögen und Geldern privater Förderer finanziert, hebt am 9. Oktober 1906 ab und ist zwei Stunden unterwegs. Ganz Deutschland ist begeistert.

Leichtbaumotoren aus Maybachs Konstruktionsbüro in Cannstatt

In Cannstatt, dem Sitz der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG), beobachtet man das Engagement des Luftschiffpioniers von Anfang an mit besonderem Interesse. Lange vor der Jungfernfahrt von LZ 1 hatte man Graf Zeppelin nach Cannstatt eingeladen und ihn von der Qualität der dort produzierten Triebwerke überzeugt - und vor allem vom geringen Gewicht der Motoren, das Wilhelm Maybach durch Einsatz neuartiger Leichtbauwerkstoffe kontinuierlich reduziert. Kein Wunder also, dass die ersten „Zeppeline“ mit Daimler-Motoren abheben: Beim LZ 1 (1900) sind es zwei Vierzylinder mit nur je 14,7 PS Leistung, sechs Jahre später gehen LZ 2 und LZ 3 bereits mit jeweils zwei 85 PS starken Triebwerken an den Start. Mit Magnet-Abreißzündung und anderen technischen Besonderheiten tragen sie die Handschrift des genialen Konstrukteurs Wilhelm Maybach.

Bei dem Besuch in Cannstatt hatten sich Graf Zeppelin und Wilhelm Maybach zum ersten Mal persönlich kennen gelernt - ein kurzes Treffen, das aber auf beiden Seiten in Erinnerung bleibt und Jahre später die Grundlage für eine intensive Geschäftsbeziehung bilden wird.

Mit dem Erlös einer weiteren Zeppelin-Lotterie konstruiert Graf Zeppelin in den Jahren 1907 und 1908 sein viertes Luftschiff - 136 Meter lang, 13 Meter Durchmesser und mit zwei 105-PS-Motoren aus dem Hause Daimler ausgestattet. Im Juli 1908 startet LZ 4 zu einer Testfahrt Richtung Schweiz und kehrt zwölf Stunden später an den Bodensee zurück. Ein voller Erfolg. Graf Zeppelin avanciert zum Volkshelden - gleich drei deutsche Universitäten verleihen ihm die Ehrendoktorwürde.

Doch die preußischen Regierungsstellen in Berlin, die das Luftschiffprojekt inzwischen finanziell unterstützen, verlangen einen weiteren Beweis der Leistungsfähigkeit: eine 24-Stunden-Nonstopfahrt von mindestens 700 Kilometern Länge. Sie beginnt am 4. August 1908 um sechs Uhr morgens und hält ganz Europa in Atem. Via Basel führt die Tour in Richtung Mainz, als am späten Nachmittag erste Probleme auftauchen: „Es trat eine sehr schnelle Abkühlung des Gases ein, und da gerade nur ein Motor im Gang war - der andere war durch den Bruch eines Rädchens, dessen Ersatz im kritischen Moment zu lange dauerte, unbrauchbar geworden - so konnte man den nun eintretenden Abtrieb nicht dynamisch überwinden. Es war kein Halten mehr, und man musste vollends auf dem Rhein herunter gehen“, berichtet Graf Zeppelin über das Geschehen, das ihn zur Notlandung bei Oppenheim zwingt.

Ballast wird abgeladen, und in den Abendstunden kann LZ 4 die Fahrt fortsetzen. Der Graf steht unter Erfolgszwang, will die vielen begeisterten Menschen, die ihm auf seiner Reise zujubeln, nicht enttäuschen. Der Wendepunkt Mainz wird erreicht, dann fällt der vordere Motor vollends aus und das Luftschiff kommt gegen den starken Wind kaum noch an. In Echterdingen, südlich von Stuttgart, entscheidet sich die Besatzung zu einer zweiten Landung und ruft Techniker der nahe gelegenen Daimler-Motoren-Gesellschaft zu Hilfe. „Dann geschah das Unglück, dass eine plötzlich anhebende Sturmwelle seitlich herkam und das Fahrzeug fortriss“, schildert der Graf die dramatischen Sekunden gegen drei Uhr nachmittags. LZ 4 treibt ab „macht einen Sprung von einem Kilometer“, fängt Feuer und stürzt vor den Augen hunderter Menschen ab. Binnen zehn Sekunden verbrennt das Wasserstoffgas und übrig bleibt nur ein Haufen Aluminiumschrott.

Nationalspende für die Zukunft der „Zeppeline“

Der Unfall vom 5. August 1908 wird zum nationalen Ereignis. Nie zuvor war die Popularität des Grafen größer als nach diesem tragischen Unglück. Tausende schreiben dem Luftfahrtpionier, machen ihm Mut - und überweisen ihre Spargroschen. Eine „Nationalspende“ wird initiiert, an der sich auch Banken, Industrielle und Organisationen beteiligen, um die Luftschifffahrt wieder auf Touren zu bringen. Sogar der deutsche Kaiser Wilhelm II. ist ergriffen und telegrafiert Graf Zeppelin, dass „die Summen vereinigt sind, welche die Gewähr bieten, Ihnen ein neues Luftschiff zur Verfügung zu stellen“. Insgesamt kommt durch die Spendenaktion die gewaltige Summe von über sechs Millionen Goldmark zusammen - genug für den Aufbau der Luftschiffbau Zeppelin GmbH mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee und die Gründung der „Zeppelin-Stiftung“.

Brief vom genialen Motoren-Erfinder

Unter den vielen Briefen, die Graf Zeppelin in jenen Tagen erreichen, ist auch ein Schreiben Wilhelm Maybachs, der die DMG bereits am 1. April 1907 verlassen hatte. Mit großem Bedauern stellt der geniale Konstrukteur in dem Brief fest, dass „die Motoren ihre Schuldigkeit nicht getan haben und Euer Exzellenz dadurch seinerzeit in tiefen Kummer versetzt wurde“. Zugleich betont Maybach aber auch, dass er seit geraumer Zeit keinen Einfluss mehr auf die Konstruktionen der DMG habe. Doch „im Interesse der nationalen Sache“ macht er „auf eine Neuheit in Motoren“ aufmerksam, die „geeignet ist, die denkbar größte Sicherheit zu bieten“.

Diese Neukonstruktion stammt von Maybachs Sohn Karl - „ein Motor, in allen Teilen so durchdacht und ausgeführt, ... dass er sich für Dauerleistung besonders eignet“ und somit „die größte Sicherheit für die Motorluftschiffahrt gewährleistet“.

Der Graf reagiert mit Begeisterung. Er trifft sich mit Wilhelm Maybach, lässt sich die technischen Details des neuen Motors erklären und gründet am 23. März 1909 als Tochtergesellschaft der Luftschiffbau Zeppelin GmbH seine eigene Motorenfirma, die Luftfahrzeug-Motorenbau GmbH. Der Sitz des Unternehmens ist Bissingen an der Enz; ihr technischer Leiter wird Karl Maybach. Der 62-jährige Wilhelm Maybach bleibt im Hintergrund, fungiert jedoch als Berater. Als die Firma 1912 nach Friedrichshafen in neue Fabrikhallen umzieht und sich fortan Motorenbau Friedrichshafen GmbH nennt, erwirbt er zusammen mit seinem Sohn 40 Prozent der Geschäftsanteile. Sechs Jahre später, am 16. Mai 1918, wird die Firma schließlich in Maybach-Motorenbau GmbH umbenannt.

Premiere des ersten Maybach-Sechszylinders im LZ 6

Der erste Maybach-Motor mit der Typenbezeichnung „AZ“ wird für LZ 6 gebaut und ist 1910 startklar. Der Sechszylinder leistet 145 PS. Um ihn notfalls auch während der Fahrt mit einfachen Mitteln warten oder reparieren zu können, entwickelt Karl Maybach sechs einzelne, mittels Spannverschlüssen befestigte Zylinder mit stehenden Ventilen, die von zwei Nockenwellen angetrieben wurden. Eine Besonderheit ist auch der schwimmerlose Spritzvergaser, der selbst in extremer Schräglage funktioniert. Mehr noch: Durch eine von Maybach erfundene variierbare Hauptdüse und eine Zündverstellung verringert sich der Kraftstoffverbrauch bei normaler Fahrt durch Abmagerung des Gemischs um bis zu 15 Prozent - ein beachtliches Resultat, das den Aktionsradius der „Zeppeline“ deutlich vergrößert. Auch wirtschaftlich hebt die junge Motorenfirma ab: Lizenzen des zuverlässigen „AZ“-Triebwerks werden nach Italien, Japan und England verkauft.

Der nächste Maybach-Motor mit dem Kürzel „CX“ leistet 210 PS und bringt „nur“ 410 Kilogramm auf die Waage. Er ist damit 15 Kilogramm leichter als sein Vorgänger. Karl Maybach präsentiert das Triebwerk erstmals anlässlich des 75. Geburtstages des Grafen Zeppelin am 8. Juli 1913. Dessen Luftschiffe absolvieren zu diesem Zeitpunkt unter der Regie der Deutschen Luftschiffahrts-Aktien-Gesell-schaft (DELAG) bereits regelmäßige Passagierfahrten und legen dabei immer größere Distanzen zurück. „Ich schließe die Augen und fühle wieder das schwebend leichte, weiche Reisen durch die Luft“, notiert der spätere Literatur-Nobel-preisträger Hermann Hesse nach einer solchen Reise und schwärmt: „Ich weiß gewiss: sobald ich wieder Gelegenheit finden werde zu fliegen, werde ich es mit tausend Freuden tun.

“Ferdinand Graf von Zeppelin stirbt am 8. März 1917 - in jenem Jahr, da sein Luftschiffbau auf Hochtouren läuft. Monatlich verlassen bis zu zwei „Zeppeline“ die Werften in Friedrichshafen, Potsdam und Staaken. Sie werden unter das Kommando der Militärs gestellt, denn in Europa herrscht Krieg.

Durch die Bestimmungen des Friedensvertrags von Versailles steuert die deutsche Luftschifffahrt nach Kriegsende in eine ungewisse Zukunft. Zwar nimmt die DELAG ihre siebenstündigen Passagierfahrten auf der Strecke von Berlin nach Friedrichshafen wieder auf und schickt die mit vier 260 PS starken Maybach-Motoren ausgerüstete LZ 120 „Bodensee“ im Oktober 1919 sogar zur Fernfahrt nach Stockholm, doch schon kurze Zeit später müssen alle Luftschiffe an die Alliierten übergeben werden.

Über 1,6 Millionen Kilometer mit fünf Maybach-Zwölfzylindern

Das zwingt auch die Friedrichshafener Maybach-Motorenbau GmbH, sich in einem anderen Geschäftsfeld zu profilieren: dem Automobilbau. „Zeppelin“-Motoren stellt das Unternehmen erst wieder ab 1924 für LZ 126 her, das als Reparationsleistung an die USA geliefert wird und dadurch das Fortbestehen des deutschen Luftschiffbaus sichert.

In den Jahren 1927/1928 entsteht der legendäre „Graf Zeppelin“ (LZ 127), der 1929 durch eine Erdumkreisung Schlagzeilen macht und ab 1931 im Liniendienst zwischen Europa und Südamerika pendelt. In ihren fünf Maschinengondeln arbeiten neu konstruierte Maybach-Zwölfzylindermotoren mit je 570 PS Leistung, die bei Vollgas eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 125 km/h ermöglichen. Damit absolviert das 237 Meter lange und nur 58 Tonnen schwere Luftschiff fast 600 Fahrten mit einer Gesamtstrecke von über 1,6 Millionen Kilometern. Insgesamt 74 Mal landet die „Graf Zeppelin“ in Rio de Janeiro.

Am 19. März 1936 nimmt die Deutsche Zeppelin-Reederei das Luftschiff „Hindenburg“ (LZ 129) in Betrieb und schickt es noch im gleichen Jahr auf 55 erfolgreiche Langstreckenfahrten. Für den Antrieb sorgten hier erstmals Dieselmotoren aus dem Hause Daimler-Benz. Am 3. Mai 1937 startet LZ 129 in Frankfurt/Main mit 36 Passagieren zu seiner ersten Nordatlantik-Fahrt und erreicht drei Tage später gegen 14 Uhr Ortszeit New York. Wegen einer Gewitterfront kann die „Hindenburg“ jedoch nicht planmäßig auf dem Flugplatz Lakehurst landen, sondern muss gut drei Stunden in einer Warteschleife kreisen. Erst gegen 18.20 Uhr können die Besatzungsmitglieder endlich die Landetaue zu Boden werfen. Fast gleichzeitig bricht am Heck ein Feuer aus, breitet sich rasend schnell aus. Rund 180 000 Kubikmeter Wasserstoffgas (Helium war zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland noch nicht verfügbar) verbrennen und verwandeln den stolzen „Zeppelin“ binnen 37 Sekunden in einen Trümmerhaufen. 36 Menschen sterben bei der Katastrophe.

Fast 37 Jahre nach der Jungfernfahrt von LZ 1 endet damit die zivile Zeppelin-Luftschifffahrt.