Logo

BMW Neue Klasse

Die Wartezeit lag bei etwa einer halben Stunde. So lange hieß es Schlange stehen, wenn man den Star der Internationalen Automobilausstellung 1961 in Frankfurt aus nächster Nähe sehen wollte.

Oder gar besitzen, wenn es auch höchstens nur für eine bedrängte Minute war. „Alles was irgendwie auf dem weitläufigen Ausstellungsareal zu tun hatte, fühlte sich hingezogen zu dem Stand der Bayerischen Motoren Werke,“ beobachteten die Reporter einer großen deutschen Illustrierten, “genauer gesagt: Zu dem neuen BMW-Mittelklassewagen, der bis dahin geheime Werkssache war und nun auf dem BMW-Stand zum ersten Male besichtigt werden durfte.“

Der BMW 1500 feierte Weltpremiere
In jungfräulichem Schneeweiß drehte sich einer der beiden Prototypen des neuen Mittelklasseautos aus München auf einem umzäunten Podest, ein paar Meter weiter stand der Zwilling zum Anfassen und Probesitzen. Wer einen Zuschauerplatz vor der kniehohen Absperrung ergatterte, konnte den Viertürer bei seinen Pirouetten bewundern. Im Telegrammstil informierte eine flache Tafel unter der vorderen Stoßstange über die Kenndaten modernster Technik: 4 Zylinder in Reihe, 75 PS bei 5500 U/min, 5 mal gelagerte Kurbelwelle, Oben liegende Nockenwelle, Federbeinachse vorn, schrägstehende Längslenker hinten, Scheibenbremse vorn, Höchstgeschwindigkeit 150 km/h, Gewicht (getankt) ca. 950 kg. Selbst das nebenan erstmals der Weltöffentlichkeit präsentierte, überaus elegante Achtzylinder-Coupé 3200 CS hatte dieser magischen Anziehungskraft des neuen Modells nichts entgegenzusetzen.

Im Handumdrehen avancierte der neue BMW nicht nur zum absoluten „Mittelklasse-Traumwagen“ der rund 950.000 Besucher, die diese 40. IAA als neuen Rekordwert zählte und damit den Durchbruch zur Massenmotorisierung feierte. Auch die Fachwelt attestierte dem Debütanten beste Zukunftschancen.


BMW 1500
Foto: BMW AG

„Der BMW 1500 hat tatsächlich einiges zu bieten, was ihn aus der Masse der 1,5 Liter-Wagen heraushebt und ihm jenen Hauch von technischer Exklusivität verleiht, der für viele Leute mit den drei Buchstaben BMW verbunden ist“, schrieb Deutschlands führendes Automagazin. Gleichzeitig bestach der Viertürer auch durch seine schnörkellos-moderne Linienführung: „Er ist die Augenweide der Limousinenschau. Wir wollen aber hoffen, dass die schönste Serienlimousine zu dem angegebenen Preis auch eines Tages zu haben sein wird.“ 8.500 Deutsche Mark hatte BMW als voraussichtlichen Preis für den 1500 genannt – ein preiswertes, aber kein billiges Angebot.

Es kam zur richtigen Zeit. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland, zunächst dem Hauptzielmarkt des BMW 1500, wuchs Anfang der 60er Jahre jährlich um rund zehn Prozent und lag 1961 bei 6.723 DM pro Jahr. Erstmals wurden in diesem Jahr über eine Million Personenwagen in Deutschland neu zugelassen. Mit dem Einkommen stiegen die Ansprüche, die BMW mit dem bisherigen Modellprogramm nicht erfüllen konnte: Zwischen den konservativen Achtzylinder-Limousinen – im Volksmund „Barockengel“ genannt - und den flinken 700er Kleinwagen fehlte ein Angebot für die aufstrebende Mitte. Gleichzeitig fand eine kontinuierliche Umstrukturierung innerhalb der einzelnen Klassen statt. Bis zum Jahre 1958 dehnte sich beispielsweise die Klasse der Kleinstwagen, in der BMW mit der Isetta beteiligt war, stetig aus. Im gleichen Maße wie diese Klasse danach an Bedeutung verlor, steigerten sich dagegen die Zulassungen in der unteren Mittelklasse, in der BMW mit dem BMW 700 lag. Zudem hatte die Borgward Isabella als Premiumfahrzeug der Mittelklasse eine Lücke hinterlassen, als das Bremer Automobilwerk nur wenige Wochen vor der IAA Konkurs anmeldete. Es war bei BMW klare Absicht, mit dem 1500 zum überwiegenden Teil die Lücke zu schließen, die Borgward mit noch über 4000 Zulassungen im Jahre 1961 hinterlassen hatte.


BMW 1500
Foto: BMW AG

1960: Kapitalerhöhung schuf Finanzierung für Entwicklung und Produktion
Andererseits war der nagelneue Typ auch ein mutiges Wagnis. 1959 war BMW selbst haarscharf an der Pleite und dem Verkauf an Daimler-Benz vorbeigeschrammt und vom Großaktionär Herbert Quandt gerettet worden. Die Imageträger BMW 503 und 507 liefen ebenfalls 1959 aus, doch ausreichend Platz für die Produktion eines auflagenstarken Fahrzeuges entstand dadurch nicht. Also entschied man sich für den Aufbau einer komplett neuen Fertigungshalle im Werk München-Milbertshofen, in der der neue Mittelwagen – wie er werksintern zunächst hieß – gebaut werden sollte. Um das nötige Geld zu beschaffen, wurde das BMW Aktienkapital 1960 zunächst von 30 Millionen DM auf 22,5 Millionen DM herabgesetzt und anschließend auf 60 Millionen DM erhöht. Damit waren die Mittel für Werk und Entwicklungen gesichert. Die Aufbruchsstimmung paarte sich also mit Bedenken, was sich auch in einem zeitgenössischen Kommentar ablesen ließ: „Das Werk ist aus den roten Zahlen heraus. Ob es aber das Spiel schon gewonnen hat, wird sich erst zeigen, wenn der jetzt in Frankfurt vorgestellte BMW 1500 produziert und verkauft wird.“

Die Entwicklungsingenieure in München arbeiteten mit Hochdruck daran, den Zeitplan einzuhalten. Und der hieß: Markteinführung im Sommer 1962. Immerhin hatten schon auf der IAA die ersten Kunden Lieferverträge mit dem Termin „Zweite Hälfte 1962“ unterschrieben. Vertriebsvorstand Paul Hahnemann versprach kurz nach der IAA: “Wir rechnen fest damit, dass wir im Juni nächsten Jahres die Null-Serie bauen. Im Juli soll dann die Produktion beginnen.“ Die Wartezeit war garniert mit Gerüchten. Im April 1962 war unter der drängenden Überschrift „Wann kommt der BMW 1500?“ zu lesen, dass die Serienfertigung im August 1962 nach den Betriebsferien anlaufen solle und Pessimisten bereits mit einem Preisanstieg auf 10.000 Mark rechneten.

Tatsächlich wurde der Zeitplan fast genau eingehalten. Anfang Juni 1962 waren die Vorbestellungen bereits auf rund 25000 angewachsen, da lud die BMW Presseabteilung Motorjournalisten aus dem In- und Ausland nach Rottach am Tegernsee ein, um die ersten Testfahrten mit dem 1500 zu ermöglichen: „Nun ist es soweit: die letzten Peilarbeiten an der konstruktiven Entwicklung sind abgeschlossen, die harten und ermüdenden Dauererprobungen haben auf Autobahnen und Landstraßen jeden Gütegrades die Überlegungen und Berechnungen der Konstrukteure bestätigt, und in Milbertshofen wuchs eine neue, hochmoderne Fertigungshalle in imponierender Stahlkonstruktion empor, die eigens für die Serienfertigung des BMW 1500 gebaut wurde.

Design mit der Handschrift von Giovanni Michelotti
Auf die Journalisten wartete der Stammvater der später sogenannten Neuen Klasse, die BMW endlich den Durchbruch als Hersteller weltweit begehrter, moderner Automobile bringen sollte. Die geräumige viertürige Karosserie hatte eine Linienführung ohne stilistische Extravaganzen, die mit ihrer strömungsgünstigen Form so dezent und klar gehalten war, dass sie über einen langen Zeitraum gültig bleiben konnte. Das Design war weder konservativ, noch vom US-amerikanischen Stil beeinflusst, sondern erinnerte eher an italienische Linien. Kein Wunder: Wilhelm Hofmeister, Chefstylist von BMW, hatte sich bei der Entwicklung des 1500-Designs von Giovanni Michelotti beraten lassen, der bereits beim 700 mitgearbeitet hatte. Dessen Entwurf arbeitete Hofmeisters Team fertig aus und so trug der Wagenkörper die modernen und schnörkellosen Linien von Michelotti, während die Kühlermaske aus der 507-Ära stammte.

Als Großaktionär Herbert Quandt den fertigen Entwurf gesehen hatte, so wird erzählt, wollte er unbedingt die klassische BMW Doppelniere sehen. Die Designer bastelten in aller Schnelle eine passende Niere und platzierten sie in der Frontmitte. Niere und Horizontaleffekt der Kühlermaske kamen dadurch zusammen – ein neues BMW Gesicht entstand.

Ab dem 1500 war die Niere mehr Schmuck als Hauptelement, die Scheinwerfer übernahmen eine immer wichtigere Rolle im Design. Und noch ein weiteres Detail fand sich erstmals an dem neuen Mittelklassewagen: Der Übergang von der C-Säule zum Wagenkörper war nicht mehr rund, sondern in einem Knick ausgeführt. Das hatte zunächst ganz profane Gründe: Die verbreiterte Abstützbasis der C-Säule war eine Folge der Ganzstahlkonstruktion des 1500 um einen möglichen Schwachpunkt am Dachübergang auszuschließen. Zu Ehren des Karosseriechefs, der diese Formgebung als Stilelement für BMW kultivierte, taufte man es Jahre später „Hofmeister-Knick“.

80 PS-Vierzylinder mit modernster Motorentechnik
Unter der Fronthaube arbeitete ein vollkommen neuer, unter der Regie des damaligen BMW „Motorenpapstes“ Alexander von Falkenhausen entwickelter Vierzylinder-Reihenmotor mit 1,5 Litern Hubraum. Er war eine jener Komponenten, die seit der Weltpremiere der Prototypen auf der IAA noch spür- oder sichtbar verändert wurden: Statt wie ursprünglich angegeben 75 PS bei 5500/min leistete das Triebwerk jetzt 80 PS bei 5700/min, dank einer von 1:8,2 auf 1:8,8 erhöhten Verdichtung. Der Motor war ursprünglich auch für den Betrieb mit Normalbenzin vorgesehen gewesen, jetzt aber auf Superbenzin ausgelegt. Das reichte für eine Spitzengeschwindigkeit von 150 km/h aus, ein hervorragender Wert im Vergleich zur Konkurrenz. Gleiches galt für die Beschleunigung: Den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 absolvierte der neue BMW in sportlichen 16,8 Sekunden. Dank der strömungsgünstigen Form setzte die Karosserie dem Fahrtwind relativ wenig Widerstand entgegen und so konnte bei der damals vorgeschriebenen DIN-Verbrauchsmessung bei 110 km/h die Schallgrenze von zehn Litern um einen Zehntelliter unterboten werden. Den Straßenverbrauch gab BMW mit neun bis zehn Litern an. Der Tankinhalt von 53 Liter reichte damit für eine Strecke von über 500 Kilometern.

Eine Reihe konstruktiver Besonderheiten wies den Motor als eine sehr fortschrittliche Lösung aus, für den das Unternehmen kaum verhohlen bereits Leistungssteigerungen ankündigte: Er biete alle Möglichkeiten „ihn mindestens für die nächsten 10 Jahre in der Leistung up-to-date zu halten.“ Wie weltmeisterlich sich diese Vorhersage einmal erfüllen sollte, konnte damals freilich noch niemand ahnen.

Bei seinem Debüt war der Vierzylinder der einzige deutsche Tourensport-Motor seiner Klasse mit obenliegender Nockenwelle und V-förmig hängenden Ventilen. Die Ventile waren etwas aus der Mitte versetzt, was gerade und gering belastete Kipphebel ergab. Diese Ventilanordnung ermöglichte die Konstruktion des Brennraums als sogenannte "Wirbelwanne". Durch diese Brennraumform strömte das Luft/Gasgemisch mit Drall ein und wurde zu gezielter Verwirbelung gezwungen. Dadurch verbesserte sich die Verbrennung, der Motor wurde sparsamer.

Für die hervorragende Füllung des Motors sorgten nur schwach gekrümmte Saugkanäle und eine raffinierte schwingungstechnische Abstimmung des Gaswechsels auf der Einlass- und Auslassseite. Die Rohrlängen vor dem Luftfiltergehäuse und zwischen Luftfilter und Vergaser waren auf die Länge der fächerförmigen Ansaugrohre genau so exakt abgestimmt wie auf das Volumen des Ansaugdämpfers und die Steuerzeiten.

Die fünffache Lagerung der steifen, durch Gegengewichte sorgfältig ausgewuchteten Kurbelwelle bürgte für hohe Laufruhe über den ganzen Drehzahlbereich und mit ihren Vierschichtlagern für zusätzliche Notlaufeigenschaften. Der Motorblock aus Grauguss wies Wasserräume zwischen allen Zylindern auf und war weit über die Kurbelwellenmitte heruntergezogen. Dieses Kurbelgehäuse erwies sich im Laufe der weiteren Motorenentwicklung als so robust, dass sie auch einem Vielfachen der anfänglichen Belastungen gewachsen war.

Mit einem Hub von 71 Millimetern und einer Bohrung von 82 Millimetern war der Vierzylinder als moderner Kurzhuber für höhere Drehzahlen ausgelegt. Dennoch lieferte er über den großen Drehzahlbereich von 1400/min bis 5700/min ein Drehmoment von 98 Newtonmeter ab, der Scheitelpunkt der Kurve lag bei 117 Newtonmeter. Damit lag er an der Spitze in der Vergleichsklasse und erlaubte dem Fahrer durch die hohe Elastizität auch schaltfaul zu fahren. Von seiner Abstufung her war das Vierganggetriebe allerdings auf sportliche Fahrer abgestimmt. Alle vier Gänge waren voll synchronisiert, das Getriebe ließ sich schnell, ruckfrei und ohne Zwischengas schalten.

Neuartige Fahrwerksauslegung mit hohen Reserven
Pionierarbeit leisteten die BMW Ingenieure um Entwicklungschef Fritz Fiedler und Versuchsleiter Eberhard Wolff auch bei der Fahrwerksauslegung. Zum ersten Mal wurde die Kombination einer Federbein-Vorderachse mit an Längsschwingen aufgehängten Hinterrädern konsequent so sorgfältig aufeinander abgestimmt, dass die Rollachse - jene gedachte Linie, um die sich der Karosserieaufbau bei Kurvenfahrt neigt – auch bei unterschiedlicher Belastung nahezu unverändert horizontal lag. Der BMW 1500 zeigte auch bei sehr scharfer Kurvenfahrt und unterschiedlichen Besetzungsverhältnissen eine weitgehend neutrale Lenktendenz, neigte dadurch weder vorn noch hinten zum Ausbrechen. Diese Abstimmung wurde im Wesentlichen durch die Spreizung der vorderen Federbeine und die Anstellung der Hinterradschwingen in Zusammenklang mit den Federkennungen erreicht.

„Die Begriffe Untersteuern und Übersteuern“, zitierte ein großes deutsches Nachrichtenmagazin den BMW Direktor für Technische Verkaufsplanung Helmut Werner Bönsch, „verlieren bei diesem Wagen ihre Bedeutung. Seine Straßenlage ist kein Produkt des Zufalls, sondern eine exakt berechnete Sache.

“Die BMW Konstrukteure“, so schrieb das Blatt weiter, „seien auf Grund ihrer Forschung in der Lage, heute von den 168 Faktoren, die die Straßenlage eines Autos beeinflussen, rund 130 exakt zu ermitteln, zu berechnen und das Fahrverhalten eines Autos mithin im gewünschten Sinne zu beeinflussen.“

Um das Potenzial, das dieses Fahrwerk bot, besser ausschöpfen zu können, vergrößerten die BMW Ingenieure beim Serienmodell Räder und Bremsen. Eigens für den 1500 wurde eine neue Reifendimension entwickelt, der Niederquerschnitt-Reifen in der Größe 6.00-14. Rundschulter und breite Aufstandsfläche aber geringe Reifenhöhe gewährleisteten trotz weicher Reifenfederung hohe Seitenführungskräfte und damit hohe Stabilität in der Kurve.

Ein weiterer entscheidender Gewinn beim Übergang von der 13 Zoll- auf die 14 Zoll-Felge lag in der Möglichkeit, größere Bremsen unterzubringen. So wuchsen der Außendurchmesser der vorderen Festsattel-Scheibenbremse von 238 mm auf 268 mm und der Durchmesser der hinteren Trommelbremse von 230 mm auf 250 mm.

Sachliche und praxisorientierte Karosserie und Ausstattung
Die Karosserie war nach modernsten Konstruktionsprinzipien aufgebaut. Der Aufbau war mit der steifen Bodengruppe verschweißt und bildete als selbsttragende Ganzstahlkarosserie eine Zelle hoher Biege- und Verwindungssteifheit bei geringem Gewicht. Besonderer Wert wurde mit einer inneren Türöffnung von 828 mm vorn und 726 mm hinten auf einen guten Einstieg gelegt. Die vorderen Einzelsitze waren körpergerecht geformt und im unteren Teil, zur seitlichen Abstützung beim schnellen Kurvenfahren, schalenähnlich ausgebildet. Eine zusätzliche Querfeder diente als Bandscheibenstütze, die sportliche Zukunft der neuen Baureihe war bereits programmiert.

Der Begriff der passiven Sicherheit war anfangs der 1960er noch ein Fremdwort, doch die ersten wichtigen Details dafür fanden sich bereits im neuen 1500. Für alle vier Sitze waren Schraubanschlüsse für die Befestigung von Sicherheitsgurten fest eingebaut. Das griffige Zweispeichen-Lenkrad besaß eine gepolsterte Brustplatte, das Armaturenbrett spiegelte sich in der Windschutzscheibe ebenso wenig wie die versenkt angeordneten Instrumente in dem dunkel gepolsterten Armaturenbrett. „Im Übrigen“, ergänzte der Pressetext, „gilt natürlich überall der Satz: Aus gutem Grund ist alles rund.“

Dem vorbildlich ausgenützten Innenraum entsprach der große, durch die niedrige Rückwand leicht beladbare und durch den völlig ebenen Boden vorbildlich ausnutzbare Kofferraum. Mit 600 Liter Fassungsvermögen konnte er drei normalgroße Koffer und zwei kleinere sowie weitere Taschen bequem aufnehmen. Zum Tanken musste der Kofferraum ebenfalls geöffnet werden, der Tankverschluss saß unter dem Heckdeckel auf dem rechten Kotflügel. Eine weitere Besonderheit war die Motorhaube: Um grundsätzlich auszuschließen, dass sie sich während der Fahrt öffnen konnte, war sie vorn angelenkt und stellte sich unter großem Aufstellwinkel selbsttätig fest.

Den ursprünglichen Preis für den neuen 1500 hatte BMW zwar nicht halten können, doch ganz so üppig wie von Pessimisten befürchtet fiel der Aufschlag dann doch nicht aus. 9485 DM schrieb das Unternehmen den Händlern vor, einschließlich „aller serienmäßigen Einbauten, ohne die das Auto nicht geliefert werden kann, wie Scheibenbremsen, Klimaanlage, Scheibenwaschanlage usw.,“ wie Vertriebsvorstand Paul G. Hahnemann bei der Pressevorstellung betonte. „Ich glaube, Sie werden sich besonders darüber freuen, dass wir bei der Preisfindung für unser neues Automobil von dem oft von Ihnen angefehdeten gespaltenen Preis abgegangen sind. Ich meine aber, dass das bei einem Automobil dieser Preisklasse auch richtig sei.“

Durchweg positives Presseecho: „Dieses Auto ist sein Geld wert“
Die ersten Fahr- und Testberichte bestätigten diese Meinung voll und ganz. „Dieses Auto ist sein Geld wert“ titelte eine Kraftfahrerzeitung und schwärmte: „Der BMW kommt zwar aus der Konfektion, aber er lässt sie nicht erkennen. Seine Verarbeitung würde jeder Auto-Maßschneiderei zur Ehre gereichen. Sein Kleid ist Präzisionsarbeit, die Konstruktion eine Meisterleistung.“ Die Kollegen von Deutschlands Auto-Fachzeitschrift Nummer Eins ergänzten: „Zwei erste Fahreindrücke, die wohl jeder haben wird, der sich erstmals in den BMW 1500 setzt, sind für diesen Wagen typisch: die angenehme Sitzposition mit ausgezeichneten Sichtverhältnissen und die beinahe kleinwagenmäßige Handlichkeit, mit der sich der Wagen dirigieren lässt.“ Die italienische Presse lobte den neuen Mittelklasse BMW als ein Fahrzeug, das zwar unter den Vierzylinder-Limousinen viele Konkurrenten habe, „die jedoch hinsichtlich des Grades von Vollkommenheit, Modernisierung und Stärke des Motors nicht mithalten können.“ Bei französischen Testern hinterließ der Newcomer als Ganzes und im Detail einen hervorragenden Eindruck. „Hier manifestiert sich ein Fahrzeug, bei dem seine Erbauer nicht nur daran gedacht hatten, den Preis so niedrig wie möglich zu halten, sondern den Besitzer desselben auf lange Sicht zufriedenzustellen.“

Die Entwicklungsgeschichte: Erste Projekte schon ab 1953
Für die Väter des BMW 1500 erfüllte sich mit dieser Markteinführung ein lang gehegter Traum. Denn es war ein weiter, steiniger und verschlungener Weg bis zu diesem Juni 1961. Bereits Anfang der 50er Jahre war klar geworden, dass ein Mittelklassewagen mit Vierzylindermotor zwischen den großen Sechs- und Achtzylindern einerseits und den kleinen Ein- und Zweizylindern andererseits fehlte. Obwohl eine Finanzierung in den Sternen stand, begannen ab 1953 die Entwicklungen für solch ein Fahrzeug. Als Favoriten für den Antrieb kristallisierten sich unter einer Fülle von Motorenkonzepten zwei Vierzylinder heraus, die direkte Ableitungen des berühmten Leichtmetall-V8 im BMW 502 oder 507 waren:
Beim intern M521V genannten Triebwerk war der Achtzylinder quer halbiert worden, beim M521R längs. Dieses Konzept nannte man „Partnerschaftsmotoren“, weil sie eine kostengünstige Entwicklung und Fertigung durch Gleichteile mit dem V8 versprachen. Während der 1955 als erster gebaute V-Motor inakzeptable Schwingungs- und Laufeigenschaften aufwies und verworfen wurde, zeigte der Reihen-Vierer vielversprechende Eigenschaften. Weil seine Einbaulage als V8-Derivat um 45 Grad seitlich geneigt war, hieß er im Werksjargon schnell „Der schräge Otto“ nach einem zeitgenössischen deutschen Revuefilm. Für den 1,6 Liter, der im Versuch 62 PS entwickelte, entstand auch eine Karosserie, die BMW Direktor Bönsch später als „futuristisch“ bezeichnete: Die Heckscheibe verlief nicht abfallend zum Heck, sondern war in Gegenrichtung schräg eingezogen wie Jahre später bei einem französischen Kleinwagen.

Die Weiterentwicklung des Triebwerks ergab 1957, dass sich die Idee des Partnerschaftsmotors nicht realisieren ließ: Das Aluminium-Kurbelgehäuse wäre zu teuer geworden und die technische Entwicklung zeigte, dass ein Querstromzylinderkopf mit V-förmig angeordneten Ventilen und obenliegender Nockenwelle notwendig wurden. Der neue Motor hieß M530 und leistete bereits 75 bis 80 PS. Der Karosseriebau entwickelte für das Triebwerk den BMW 530 als Prototyp, eine zwei- oder viertürige Limousine mit dem Kühlergesicht des BMW 507, deren Trapezlinien bereits große Ähnlichkeit mit dem späteren 1500 aufwiesen. Parallel dazu entstand ein äußerst elegantes Coupé mit Design-Bezügen zum BMW 503, für das der 1,6 Liter auf 1900 Kubikzentimeter vergrößert wurde und 100 PS stark sein sollte. Der Serienanlauf für Limousine und Motor war für den Jahreswechsel 1958/1959 geplant und die Serienentwicklung wurde komplett abgeschlossen. Die immer prekärer werdende finanzielle Lage zwang BMW jedoch dazu, das Projekt Ende 1958 wegen fehlender Mittel einzustellen.

Wiederbeginn mit dem Prototyp eines BMW 1300
Als nach der Sanierung ein Mittelwagen wieder in den Bereich des Möglichen gerückt war, begann man von Neuem mit der Konzeption. Das hieß, dass auch alle vorhandenen Motorenkonzepte auf ihre Tauglichkeit hin untersucht wurden. Weil für das Projekt ein möglichst leichtes und kompaktes Triebwerk gesucht wurde, machte aber diesmal ein Entwurf das Rennen, der ursprünglich als Kleinwagenmotor gedacht war. Aus dem 0,9 Liter entstand ein 1300 Kubikzentimeter-Motor mit 65 PS Leistung in Graugussausführung und 62 PS in Aluminiumbauweise. Seine Bezeichnung lautete M113 und folgerichtig hieß auch der Prototyp des BMW 1300 im Jahr 1961 BMW 113.

Durch den Zylinderabstand von 93 Millimetern waren jedoch die Möglichkeiten, den Vierzylinder bei Bedarf zu vergrößern, beschränkt. Deshalb erweiterte man das Stichmaß auf 100 Millimeter und schuf damit den M115 mit exakt 1499 Kubikzentimetern Hubraum. Er wurde zum Urvater aller BMW Vierzylindermotoren bis 1990. Und auch die späteren, legendären Reihensechszylinder erben von ihm nicht nur den Zylinderabstand von 100 Millimetern.

Mit derselben Akribie, den Mittelwagen von Grund auf möglichst perfekt zu konzipieren, gingen die Karosserieentwickler an das Projekt. Sie hatten beim BMW 530 die Erfahrung machen müssen, dass die Karosserie noch zu wenig verwindungssteif für die angestrebte sportliche Auslegung war. Also starteten sie eine Reihe von Belastungsversuchen indem sie beispielsweise einen BMW 700 mit einem Hochleistungsmotor ausrüsteten und die Versuchsfahrer auf Tempojagd schickten. Mit bis zu 170 km/h schossen die Kleinwagen über Autobahnen und Landstraßen bis die Karosserie nachgab. Die Bruchstellen wurden so lange umkonstruiert und verbessert, bis sie nicht mehr knickten sondern allenfalls noch Biegungen aufwiesen. So entstanden Grundlagen für die vorbildliche Steifigkeit des BMW 1500, die ab dem Juni 1962 so hoch gelobt wurde.

Qualitätsprobleme durch Mangel an qualifizierten Arbeitskräften
Die Produktion des 1500 lief zunächst planmäßig im September 1962 an, nachdem die Vorserie für Test- und Vorführwagen im späten Frühjahr vom Band gerollt war. Auch der Export nach Japan oder in die USA begann bereits. Die wachsenden Fertigungszahlen gingen aber auch mit einer zunehmenden Fehlerquote einher. Sie war auch auf die hohe Zahl ungelernter Arbeitskräfte und Gastarbeiter in der Fertigung zurück zu führen, die das Unternehmen für den zügigen Aufbau der Fertigung eingestellt hatte. Weil die Zeit drängte, konnten sie erst beim Produktionsanlauf eingelernt werden. Bald wurden die Mängel publik und drohten, dem Ruf des 1500 und von BMW insgesamt nachhaltig zu schaden. Also führte die Produktionsleitung ein mehrstufiges System der Qualitätsprüfung noch während der Fertigung ein. Bis Mitte 1963 gelang es dadurch, die Produktionsqualität der Autos sprunghaft zu verbessern.

Mit dem 1500 hatte BMW endlich das fehlende Bindeglied zwischen Klein- und Großwagen im Programm. Hatte man bisher gespottet, BMW baue nur „Autos für Bankdirektoren und Tagelöhner“, sprach die neue Mittelklasse – wie beabsichtigt - einen neuen Kundenkreis an. Während beim BMW 700 und beim BMW LS nur 14 Prozent aller Kunden Selbständige in ihrem Beruf waren, kamen die Aufträge für den BMW 1500 anfangs zu 76 Prozent aus den Kreisen beruflich Selbständiger.

Aus der „neuen Klasse“ wurde mit dem BMW 1800 die „Neue Klasse“
Flugs nannte die BMW Werbung den 1500 bereits 1962 die „neue Klasse“, wobei das Wort „neue“ zunächst kleingeschrieben war. Monate später ging man dazu über, die „NEUE KLASSE“ in Großbuchstaben zu schreiben – und kreierte damit einen Eigennamen, der sich wenig später „Neue Klasse“ las. BMW war selbstbewusst der Meinung, mit den sportlich ausgelegten Mittelklasse-Limousinen eine eigenständige und konkurrenzlose neue Klasse geschaffen zu haben.

Ein geschickter Marketing-Schachzug, denn ab Herbst 1963 wurde aus dem Einzelkind 1500 eine kleine Familie: Der BMW 1800 und der 1800 ti debütierten auf der IAA und machten aus dem Klassenprimus den Klassenkleinsten.

Das Konzept für den BMW 1800 war ein Beispiel für das Baukastensystem wie aus dem Lehrbuch: Mehr Hub und eine größere Bohrung bescherten dem Motor 1,8 Liter Hubraum und dementsprechend mit 90 PS mehr Leistung. Auch die Karosserie war praktisch unverändert, nur besser ausgestattet. Äußerlich unterschied sich der 1800 lediglich durch das andere Typenschild und zwei zusätzliche Chromleisten. Für 9985 DM, 500 Mark mehr als der 1500 kostete, bekam der Kunde ein Auto, das in 13,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h spurtete und 160 Kilometer in der Stunde schnell rennen konnte.

Das überragende Fahrwerk bedurfte keiner Änderung, es war von vornherein für wesentlich höhere Geschwindigkeiten ausgelegt worden. Lediglich der gummi-isoliert befestigte Hinterachsträger wurde durch zwei kurze Stützstreben noch fester an der Bodenpartie verankert - ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor, der gleichzeitig auch dem BMW 1500 zu Gute kam. Mit Rücksicht auf die höheren Fahrleistungen erhielt der 1800er einen Mastervac-Bremskraftverstärker, mit dem die Betätigungskräfte erheblich abgebaut wurden. Die Werbung brachte es auf den Punkt: „Der BMW 1800 hat 90 PS. Bei 120 km/h braucht er davon nur vierzig. Mit den restlichen 50 PS können Sie beschleunigen, überholen oder 160 fahren.“

Weitgehend überarbeitet war die Ausstattung. Waren die Rücklehnen des 1500 verstellbar ausgebildet, so erhielt der große Bruder Liegesitzbeschläge. Die Sitz- und Seitenbezüge waren in den Farben auf die neuen Außenfarben abgestimmt und in Skaiflor und Stoff oder in reinem Skaiflor – einem Kunstleder - erhältlich. Zwei Taschen in den Rückenlehnen der Vordersitze nahmen Zeitungen, Karten und kleine Dinge für die Reise auf. Der Innenspiegel war abblendbar.

Für sportliche Fahrer: Der BMW 1800 TI
Das Highlight der Modellneuheiten auf der IAA 1963 war freilich der neue BMW 1800 TI. Die beiden Buchstaben standen für Touring International und sollten zum Synonym für einen der schnellsten und erfolgreichsten Renntourenwagen der 60er Jahre werden. Der 10.960 Mark teure Straßen-1800 TI war „für einen internationalen Käuferkreis, der einen besonders schnellen Wagen mit luxuriöser Ausstattung bevorzugt.“ Für den sportlichsten Vertreter der Neuen Klasse wurde die Verdichtung des Motors auf 1:9,5 erhöht, zwei Solex Doppelvergaser, von einem riesigen Luftfilter in ihrer Atmung nicht behindert, sorgten für eine hervorragende Füllung. Größere Einlassventile und härtere Ventilfedern, eine Nockenwelle mit längeren Ventilzeiten und höheren Nocken trieben zusammen mit den anderen Maßnahmen die Leistung des 1,8 Liter auf jetzt 110 PS bei 5800/min. Für die gute Rückkühlung des Öles, sorgte die auf fünf Liter Inhalt vergrößerte und kräftig verrippte Leichtmetall-Ölwanne.


BMW 1800 beim 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa Francorchamps 1966
Foto: BMW AG

Ein eng gestuftes Sportgetriebe, dessen 1. und 4. Gang nur um 1:2,819 auseinander lagen, ermöglichte eine überaus sportliche Fahrweise. Auch die Lenkung war knapper übersetzt, um schnelle Wechselkurven noch exakter anpeilen zu können. Der vordere Drehstabstabilisator wurde durch einen weiteren Stabilisator für die Hinterräder unterstützt, die Feder selbst kürzer und durch härtere Stoßdämpfer im Zaum gehalten. Der 1800 TI hatte eine für die damalige Zeit berauschende Beschleunigung: Elf Sekunden nach dem Start strich die Tachonadel über die 100 in dem vorbildlich ablesbaren Rundinstrument und erst bei 170 km/h war Schluss mit der Beschleunigung.

Die heiße Version für Profis: Der BMW 1800 TISA
Damit nicht genug: „Wer von sportlichem Lorbeer träumt und sich an Rennen oder Rallyes beteiligen will, kann den 1800 TI in einer noch heißeren Version erhalten,“ lockte BMW. Diese „Sonderausführung für Wettbewerbe“ bot Schalensitze für Fahrer und Beifahrer, härtere Vorderfedern, die den Wagen um sechs Millimeter tiefer legten und härtere oder verstellbare Stoßdämpfer.

Zur Wahl standen ein Viergang-Getriebe mit Sportübersetzung oder ein Fünfgang-Getriebe sowie vier verschiedene Hinterachsübersetzungen. Ein Sperrdifferenzial war ebenso im Lieferumfang wie Rennbeläge und Zusatzkühlung für die Scheibenbremse ein Kraftstoffbehälter mit 105 Liter Inhalt nebst elektrischer Kraftstoffpumpe. Das motorsportliche Doping machte auch vor dem Motor nicht halt: Speziell geformte Vierringkolben erhöhten die Verdichtung auf 10,2, eine Nockenwelle mit längeren und höheren Nocken bearbeitete vergrößerte Einlassventile mit härteren Ventilfedern. Für einen zusätzlichen Ölkühler wurde bereits ein Anschluss vorgesehen. Seine Abgase entließ der solchermaßen auf rund 130 PS erstarkte Motor durch eine Sport-Auspuffanlage. Aus Homologationsgründen legte BMW 1965 eine auf 200 Exemplare limitierte Kleinserie des 1800 TI in weiterentwickelter Motorsport-Version auf und nannte sie 1800 TISA, wobei die beiden letzten Buchstaben für „Sonderausführung“ standen. Der 13500 Mark teure Wagen wurde ausschließlich an lizenzierte Renn- und Sportfahrer in Europa und den USA verkauft und rannte je nach Übersetzung bis zu 192 km/h schnell.

Die Fertigung des BMW 1800 begann im November 1963, während der BMW 1800 TI erst im Frühjahr 1964 in Serie ging. BMW konnte gar nicht so viele Modelle der Neuen Klasse liefern, wie gewünscht wurden. Die Produktion der großen Limousinen wurde 1963 eingestellt, von den Achtzylindern blieb einzig der 3200 CS übrig. „Zu diesem Entschluss zwang uns die Notwendigkeit, alle verfügbaren Fabrikationsflächen für die Mittelwagenproduktion freizumachen“, hieß es dazu im Geschäftsbericht zum Jahr 1963. „Der Export nach Übersee musste eingeschränkt werden, da wir unsere Exportquote wegen der durch den Arbeitskräftemangel begrenzten Produktionskapazität nach wie vor drosselten. Die Gesamtexportquote betrug 32,5 %.“ Weitaus schneller als die stückzahlmäßige Produktion stieg auf Grund der Verlagerung zum Mittelklassewagen der wertmäßige Umsatz: Gegenüber 1962 explodiert der BMW Umsatz um 47 Prozent auf 433 Millionen Mark. Die Neue Klasse hatte daran bereits einen Anteil von 46 Prozent.

Motorsport-Ikonen der 60er Jahre: 1800 TI und 2000 TI
Während der BMW 1800 im Handumdrehen zum Erfolgsmodell im Verkauf avancierte, sammelte der 1800 TI in der Rennsportausführung reihenweise sportliche Lorbeeren ein. Seine Erfolge sind untrennbar mit einem Namen verbunden: Hubert Hahne. Bereits im ersten Jahr 1964 dominierte er mit dem neuen BMW Tourenwagen die Konkurrenz nach Belieben. Hahne siegte 14-mal in 16 Rennen und wurde deutscher Rundstreckenmeister. Auch auf Langstreckenrennen und in der Tourenwagen-Europameisterschaft wurde das Duo Hahne/BMW zum Maßstab. Beim 12 Stunden-Rennen für Tourenwagen auf dem Nürburgring fuhr Hahne 1964 beispielsweise den Gesamtsieg heraus. Als schnellste Runde wurden ungeschlagene 126,6 km/h gestoppt, sein Gesamtdurchschnitt lag bei 120,9 km/h. Doch die besten Jahre sollten erst noch kommen: Am 6. August 1966 umrundete Hahne in einem Rahmenrennen zum Großen Preis von Deutschland mit dem hubraumstärkeren BMW 2000 Ti als erster in einem Tourenwagen die Nürburgring-Nordschleife in weniger als zehn Minuten. Nach exakt 9:58 Minuten blieb damals die Stoppuhr stehen, die Sensation war perfekt. Außerdem gewann er 1966 zusammen mit Jacky Ickx das 24-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps, im englischen Snetterton kamen sie auf den zweiten Platz.

Im Jahr darauf gewann Helmut Bein auf BMW 1600 acht von zehn Läufen zur Deutschen Automobil-Rallyemeisterschaft und wurde damit Meister aller Klassen. Die Rallye Monte Carlo 1968 beendeten Bachmann/Strunz auf dem 2000 TI als Sieger in der Klasse Serientourenwagen bis zwei Liter. Der Vierzylindermotor der Neuen Klasse erwies sich nicht nur in den Tourenwagen als Meistermacher. Zunächst sorgte er auch in den Formel 2-Rennwagen von Lola für Erfolge. An den leistungsstarken BMW Motoren kam in den Folgejahren kaum ein Team vorbei. Zahllose BMW Siege und Europameisterschaften bestimmten die Szene.

Die größte Stunde des Vierzylinders schlug freilich über 20 Jahre nach seinem Produktionsbeginn Anfang der 1980er Jahre: Gebrauchte Motorblöcke lieferten die Basis für den 1,5-Liter Turbomotor, dem das Spezialistenteam um „Motorenpapst“ Paul Rosche sagenhafte 800 PS für den Einsatz in der Formel 1 entlockte. 1983 folgte der Triumph: Nur 630 Tage nach der Premiere errang der Brasilianer Nelson Piquet auf Brabham BMW die Weltmeisterschaft.

Breit gefächerte Zielgruppe: Vom Frauenauto zum Straßensportler
Zurück ins Jahr 1964. Die neuen Modelle mit 1,8-Liter Motor trafen bei Kunden und Presse auf ungeteiltes Lob. „Nicht wenige halten ihn für das gelungenste und zugleich beste Gebrauchsauto, das der Markt gegenwärtig zu bieten hat“, attestierte man dem 1800. Die Werbung griff die Allroundeigenschaften auf und platzierte den BMW 1800 unter der Überschrift „Ein Wagen nicht nur für Männer" auch als Frauenauto: „Neben dem Luxus und der Bequemlichkeit einer großen Reiselimousine bietet der BMW 1800 die Leistungswerte und Fahreigenschaften eines echten Sportwagens. Von Männern und Frauen wird dieser Wagen deshalb gleichermaßen mit Begeisterung gefahren: einerseits aus Liebe zum Komfort - andererseits aus Freude am Fahren." Allerdings stand die elegant gekleidete Frau auf dieser Anzeige noch neben der offenen Beifahrertür.

Der BMW 1800 TI rief darüber hinaus wahre Begeisterungsstürme hervor. Von „Absolute Weltklasse" über „Vollblut für Familienväter" bis zu „Bürgerlich getarnte Rakete" reichten die Überschriften über die Tests. „Alle, die von einem Automobil etwas verstehen,“ las man in Österreich, „ein Fahrzeug nicht nur fahren, sondern auch beurteilen können und gern sicher und unproblematisch fahren, sind der Ansicht, dass der BMW 1800 TI derzeit zu den Spitzenwagen der Weltproduktion gehört.“ Die Werbung charakterisierte ihn als „Sportwagen für Fünf“ und munkelte unter dem Titel „Verdächtig“ 1965: "Trauen Sie keinem BMW 1500, der Sie mit 170 km/h überholt. Es könnte ein 'getarnter' BMW 1800 TI sein. Die Nachfrage nach 1500er Zeichen deutet darauf hin, dass sehr viele davon unterwegs sind.“

Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der BMW 1500 schon ein Auto von gestern. Im Dezember 1964 wurde die Produktion des Archetyps der Neuen Klasse eingestellt. Sein Nachfolger als Einstiegsmodell war der seit Frühjahr 1964 produzierte BMW 1600. Der auf 1573 Kubikzentimeter vergrößerte Vierzylinder leistete jetzt mit einem neuen Vergaser 83 PS und rannte damit 155 km/h schnell. Doch die Kundschaft setzte ganz auf den 1,8 Liter und so nahm BMW den 1600 nach zwei Jahren Produktionszeit wieder aus dem Programm.

1965: 100000 mal Neue Klasse und Premiere des BMW 2000
Bereits weniger als vier Jahre nach Produktionsbeginn feierte die Belegschaft am 18. August 1965 den 100000 Wagen der Neuen Klasse, da holte BMW den letzten Pfeil aus dem Köcher: Den Zweiliter. Ab Ende Januar 1966 ging das neue Topmodell in Serienproduktion, 100 PS stark, knapp 170 km/h schnell und 11260 Mark teuer. Optisch grenzte sich der BMW 2000 durch sein neues Gesicht mit Rechteck- statt Rundscheinwerfern ab. Eine rings um die Motorhaube und in die Gürtellinie einlaufende Intarsien-Zierleiste betonte die neue Frontpartie. Das ebenfalls neu gestaltete Heck wirkte durch die großflächigen Heckleuchten mit vier Leuchtkammern besonders breit und übersichtlich. Die Mittelsäule trug eine verchromte Blende und unterstrich damit die noble Eleganz des Zweiliter. Auch im Innenraum bot die viertürige Limousine mit ihrem holzfurnierten Armaturenbrett noch mehr Komfortdetails. Der Motor war eine Weiterentwicklung des 1800ers mit einer neuen Brennraumgeometrie, der aus der Wirbelwanne entstandenen „Kugel-Wirbelwanne“. Die fünffach gelagerte Kurbelwelle wies acht statt vier Gegengewichte auf und zeichnete sich deshalb durch herausragende Lauf- und Schwingungseigenschaften aus.

Doch der BMW 2000 unterschied sich von den hubraumkleineren Modellen in mehr als nur der Motorisierung. Die mit dem 1800 TI aus dem Rennsport gezogenen Erfahrungen führten auch zu einer umfangreichen Optimierung des Fahrwerks. In den verstärkten Achszapfen und in der verstärkten vorderen Lagerung zeichneten sich die Erfahrungen des Renneinsatzes ab, während die näher zur Radmitte versetzten hinteren Federn, die veränderte Gummilagerung des Hinterachsträgers und die neue Stoßdämpferabstimmung der Komfortverbesserung diente.

Aufgrund der positiven Erfahrung, die BMW mit den Varianten des 1800 gemacht hatte, stand der neuen Reiselimousine von Anfang an auch gleich eine sportlichere Version zur Seite, der 2000 TI. Bei ihm ersetzten zwei Doppelvergaser den Vierfachvergaser des 2000 zudem stieg die Verdichtung von 8,5 auf 9,3. Das Ergebnis waren 20 PS mehr, die dem 2000 TI immerhin eine Spitzengeschwindigkeit von 180 km/h ermöglichte. Bei ihm kultivierte BMW einmal mehr das Understatement und lieferte ihn zunächst im Karosseriedesign des 1800 aus. Lediglich die Typbezeichnung in der Frontmaske und auf dem Heckdeckel wies auf das nunmehr stärkste und mit 11750 DM auch teuerste Straßenmodell der Neuen Klasse hin.

Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Kunden zwar die Mehrleistung des 2000 TI goutierten, den Komfort und den repräsentativeren Auftritt des Zweiliter-Grundmodells nicht missen mochte. BMW reagierte schnell und stellte bereits im Juli 1966 den 2000 tilux vor, erstmals mit einem Schriftzug in Kleinbuchstaben. Für genau einen Tausender mehr als der 2000 TI konnte der Kunde nun beides haben: Sportliche Touring International-Leistung und Luxus, zusammengefasst in der Modellbezeichnung.

1969: Die letzte große Modellpflege
Dieses Rezept erwies sich als das erfolgreichere und deshalb lief der 2000 TI im Jahr 1968 aus. In diesem Jahr debütierten die neuen Sechszylinder-Limousinen 2500 und 2800, die die Neue Klasse jetzt von oben in die Zange nahmen, während die überaus erfolgreiche zweitürigen 02-Serie von unten drückte. Um die Viertürer für die noch verbleibende Produktionszeit weiter attraktiv zu halten, ließ BMW ihnen 1969 nochmals eine größere Modellpflege angedeihen.

Die größten Änderungen betrafen den BMW 1800. Schon die äußerlichen Korrekturen machten ihn auf den ersten Blick als Modell 1969 erkennbar. Der Grill war umgestaltet, mit leicht vorgezogener Niere. Der Innenraum war komplett überarbeitet und auf die verschärften amerikanischen Sicherheitsbestimmungen abgestimmt worden. Dazu zählte beispielsweise ein neues vertieftes Dreispeichen-Lenkrad mit großer Prallplatte und Bedienknöpfe aus elastischem Material, die jetzt in einer vertieften Leiste im Armaturenbrett saßen. Auch sämtliche anderen Hebel, Knöpfe, Kurbeln, Griffe sowie die Armstützen bestanden nun aus nachgiebigem Werkstoff. Der Instrumententräger war ebenfalls wie die Armaturentafel gepolstert.


BMW 2000 C/CS
Foto: BMW AG

Unter der Fronthaube saß ein neuer Motor, der auf dem Motorblock des BMW 2000 basierte. Mit dessen Kolben ergaben sich bei 71 Millimeter Hub rund 1,8 Liter Hubraum, aus denen der 1800er unverändert 90 PS Leistung entwickelte. Der extreme Kurzhuber glänzte durch hohe Laufruhe und mehr Leistung im höheren Drehzahlbereich. Für noch mehr aktive Sicherheit sorgte die neue Zweikreis-Bremsanlage mit Bremskraftverstärker. Auch die Zweiliter-Modelle 2000 und 2000 tilux bekamen die neue Sicherheits-Innenausstattung und die verbesserte Bremse.

Rare Krönung zum Abschluss: Der BMW 2000 tii mit Einspritzmotor
Die zukunftsweisendste Technik hatte freilich ab 1969 das neue Spitzenmodell der Neuen Klasse aufzuweisen, der BMW 2000 tii. Das zweite i stand für Injection und signalisierte der Umwelt, dass hier mit 130 PS der leistungsstärkste Viertürer der BMW Mittelklasse daherkam. Das Triebwerk saß in einer gegenüber dem tilux unveränderten Karosserie, auch das Fahrwerk war mit dem Schwestermodell identisch.

Die Kugelfischer-Saugrohr-Benzineinspritzung war bei BMW seit Jahren im sportlichen Einsatz mit Leistungen bis zu 205 PS erfolgreich erprobt worden, sodass es nahe lag, dieses System auch für die schrittweise Leistungssteigerung der serienmäßigen sportlichen BMW Limousine zu verwenden. Getreu dem BMW Prinzip des kontrollierten Fortschrittes wurde die Leistung des Zweiliter-Motors von 120 PS bei 5500 U/min auf 130 PS bei 5800 U/min angehoben. Dabei erstreckt sich der Leistungszuwachs über den gesamten Drehzahlbereich. Helfer bei dieser Leistungssteigerung war die Anhebung des Verdichtungsverhältnisses von 9,3 auf 10 - eine Maßnahme, die durch die bessere Kraftstoff-Verteilung ohne Sorge vor erhöhter Klopfneigung durchgeführt werden konnte. Der spezifische Kraftstoffverbrauch lag über dem gesamten Drehzahlbereich rund fünf bis acht Prozent niedriger als bei dem an sich schon sparsamen Viervergaser-Motor. Die Höchstgeschwindigkeit stieg von 180 km/h auf 185 km/h und von 0 - 100 km/h brauchte man mit 10,4 Sekunden eine halbe Sekunde weniger als bisher. Was das Fahren mit diesem BMW 2000 tii aber so besonders erfreulich machte, war das verzögerungsfreie Gasannehmen - der Wagen hing wie kein zweiter am Gaspedal.

14290 Mark war ein stolzer Preis für das neue Topmodell, das heute mit weniger als 2000 gebauten Exemplaren zu den gesuchtesten Raritäten der Neuen Klasse gehört. Drei Jahre Laufzeit waren ihr noch vergönnt, dann endete nach 350.729 gebauten Fahrzeugen die Ära einer Fahrzeuggeneration, die BMW zu dem gemacht hat, was es heute ist.