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Amphicar

Nein, ein Verkaufserfolg war der schnuckelige Wagen ganz sicher nicht. Gerade einmal 3878 Exemplare des Amphicar wurden zwischen 1961 und 1963 (andere Quellen sprechen von 1965) bei der Deutschen Waggon- und Maschinenfabrik in Berlin gebaut – geplant gewesen war eine Stückzahl von 25 000. Damit ging der skurrile Schwimmwagen im doppelten Sinne des Wortes baden!

Erfinder, Entwickler und geistiger Vater des Amphicar ist der bei Darmstadt geborene Hanns Trippel (1908 - 2001). Der war von der Idee, Amphibienfahrzeuge zu bauen, regelrecht beseelt. Er entwarf schon vor und auch während des Zweiten Weltkriegs solche Fahrzeuge, die eine Art Zwitter zwischen Auto und Boot darstellen. Bereits 1934 baute Trippel seinen ersten Schwimmwagen und bekam von der Wehrmacht einen Auftrag. Mit seinem Schwimmgeländewagen SG6 fuhr er 1938 von Deutschland nach Neapel, setzte dann nach Capri über und schipperte durch die Blaue Grotte. Unter seiner Regie entstanden im elsässischen Bugatti-Werk zwischen 1940 und 1944 rund tausend Trippel SG 6, die an die deutsche Wehrmacht geliefert wurden, rund 2500 der Fahrzeuge, die ab 1941 über Allradantrieb verfügten, sollen insgesamt gebaut worden sein. Ein aus dem Opel Kapitän stammender 2,5-Liter-Sechszylinder (40 kW / 55 PS) sorgte für den Antrieb.


Foto: Auto-Medienportal.Net/Technikmuseum Sinsheim

Nach Kriegsende, in den Wirtschaftswunderjahren der Bundesrepublik, wurde der Industrielle Harald Quandt (1921 - 1967) Trippels Partner. Die beiden Männer sahen in den USA, wo sie den Amphicar vertreiben wollten, einen echten Markt für das Fahrzeug. Einen ersten Prototypen konnte man im März 1959 auf dem Automobil-Salon in Genf bewundern. Dort trat der Wagen mit seiner hohen Front und den Haifischflossen am Heck erstmals unter dem martialischen Namen „Alligator“ auf. Im Jahr 1961 starten Trippel und Quandt dann die Produktion des Amphicar. Gebaut wurde die wannenförmige Karosserie im Lübecker Werk der Industriewerke Karlsruhe. In Berlin, bei der Deutschen Waggon- und Maschinenfabrik (DWM), wurde das Fahrzeug komplettiert. DWM produzierte seinerzeit nicht nur die legendären Berliner Doppeldecker-Busse, sondern außerdem auch U-Bahn-Waggons und ging ähnlich gründlich bei der Produktion des Amphicar vor. Ausgesprochen aufwendig war die Fertigung, denn jede Karosserie wurde im Tauchbecken einer Dichtigkeitsprüfung unterzogen. Schließlich folgte dann eine Probefahrt im Tegeler See, wo sich oft herausstellte, dass die serienmäßige Lenzpumpe an Bord nicht völlig überflüssig war. Gerade einmal vier Monate nach Beginn der Fertigung begann der Export in die USA - dorthin dürfte rund die Hälfte aller produzierten Amphicars mit dem dreieckige Markenzeichen, einem ockerfarbenen Vehikel auf einer blauen Welle, verkauft worden sein.


Foto: Auto-Medienportal.Net/Technikmuseum Sinsheim

Möglicherweise war der 4,33 Meter lange Amphicar den Amerikanern zu klein, zu unkomfortabel und zu schwach motorisiert. Der Reihen-Vierzylinder mit 1147 Kubikzentimetern Hubraum unter der Haube stammt vom Triumph Herald und lässt gerade einmal 38 Pferdchen (die Umrechnung auf 28 kW klingt noch weniger aufregend) auf die Hinterräder des Schwimmwagens los. Da war man in Texas oder Kalifornien doch andere Leistungswerte gewöhnt. Am Leistungsdefizit konnten auch Heckflossen nach Art der US-Straßenkreuzer und reichlich Chromzierat nichts ändern. Weniger störend als in Deutschland dürfte in den USA der Preis gewesen sein. Für deutsche Verhältnisse lag der mit anfangs 10 500 DM, später 11 200 DM relativ hoch, im April 1963 wurde er auf 8385 DM gesenkt. Gegen Ende der Fertigung sollen die Fahrzeuge gar für weniger als 5000 DM zu ihrem neuen Besitzer gerollt sein, bis 1968 wurden angeblich noch fabrikneue Amphicar verkauft, die in Amerika nicht mehr abgesetzt werden konnten. Dort wurden rund 3400 Dollar für das Schwimmauto aufgerufen.


Foto: Auto-Medienportal.Net/Technikmuseum Sinsheim

Interessanter als der Preis oder die Leistung machten den Amphicar für die Kundschaft jenseits des großen Teichs andere Eigenschaften. Etwa, dass der kuriose Wagen als zweisitziges Cabriolet mit zwei Notsitzen ausgelegt war. Und dass der Vierzylinder auf dem Wasser zwei Propeller aus Polyamid am Heck antrieb. Über ein Zweigang-Getriebe konnten die „Schiffsschrauben“ vorwärts und rückwärts laufen - gelenkt wurde, an Land wie im Wasser, über die Vorderräder. Damit der Amphicar sich über Wasser halten konnte, gab es eine voll abgedichtete Karosserie, an den Türen doppelte Dichtungen und eine Lenzpumpe serienmäßig. Auf der Straße brachte es das Amphibienmobil auf eine Spitze von 115 bis 120 km/h, im Wasser reichte es für rund 12 km/h. Im Jahre 1962 schaffte es ein Amphicar mit zwei Franzosen an Bord in fünf Stunden und 50 Minuten über den Ärmelkanal. Ein Berliner Ehepaar, so wird behauptet, soll sich mit dem Schwimmwagen gar furchtlos von Italien nach Elba gewagt haben. Dabei warnte der Hersteller ausdrücklich und eindringlich vor Fahrten in Salzwasser.

Und auch beim Einsatz im Süßwasser musste der offene 2+2-Sitzer bereits nach fünf Stunden Betriebszeit gründlich abgeschmiert werden, Mehr als zehn Schmiernippel wollen alleine unter der Rückbank mit Fett versorgt werden, insgesamt sind es mehr als 30. Ein reguläres Kundendienst-Netz existierte nicht - was den einen oder anderen Besitzer seinerzeit, und erst recht heute, selbst zur Fettpresse greifen ließ. Eine gewisse Bekanntheit erlangte das Amphicar während der Hamburger Flutkatastrophe von 1962, als beim DRK, der Polizei und der Wasserschutz-Polizei einige Fahrzeuge zum Einsatz kamen.


Foto: Auto-Medienportal.Net/Technikmuseum Sinsheim

Heute genießen die letzten überlebenden Amphicar absoluten Kultstatus. Vielleicht gerade deswegen, weil sie weder als Boot, noch als Automobil so richtig perfekt waren. Die einstigen Discount-Preise aus den 1960er Jahren werden längst übertroffen, Je nach Erhaltungszustand kostet ein Amphicar heute bis zu 60 000 Euro. Das ist ein Wort, für ein Fahrzeug, das einst für unter 10 000 DM verkauft wurde. 200 bis 500 Exemplare dürften weltweit noch existieren, in den USA, in den Niederlanden, in Großbritannien und in Deutschland. Hier braucht der Kapitän für den Betrieb seiner Landyacht im Wasser einen Führerschein für Sportboote. Und die Bereitschaft zur Pflege des Kultobjekts. Denn, wer gut schmiert, der gut fährt - und schwimmt.

Text: Gerhard Prien
Quelle: Auto-Medienportal.net