Logo

Mercedes-Knight: 1909 entsteht der erste innovative Motor

  • Ventilloser Schiebermotor nach dem Prinzip von Charles J. Knight
  • Außergewöhnliche Laufruhe und Kultiviertheit
  • Vom Vierliter-Typ entstehen innerhalb von 14 Jahren gut 5500 Stück

Im April 1909 beschließt die Daimler-Motoren-Gesellschaft den Bau von Versuchsfahrzeugen mit dem vom Amerikaner Charles J. Knight erfundenen ventillosen Schiebermotor. Das erste Exemplar einer Versuchsserie von sechs Stück wird am 23. Juni 1909 fertig gestellt. Die Erprobung ist erfolgreich, und so erwirbt die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) im März 1910 die Lizenzen zur Produktion der Knight-Motoren für einen Zeitraum von zunächst zehn Jahren. Mitte 1910 debütiert auf dem Pariser Automobil-Salon dann das erste Serienmodell mit Knight-Motor, ein Mercedes 16/40 PS mit 4-Liter-Vierzylinderaggregat. Die Serienfertigung des Typs beginnt Anfang 1911, er bleibt bis 1924 im Fertigungsprogramm. Zwei weitere Vierzylindermodelle, der 10/30 PS und der 25/65 PS, gehen 1913 in Produktion, sie werden bis 1915 gebaut.


Ruhiger Lauf und hohe Drehzahlen: Motoren mit Schiebersteuerung statt Ventilen nach dem Prinzip Knight.
Im Bild der Motor des Mercedes-Knight 16/45 PS aus dem Jahr 1911.

Mitte 1913 wird der Typ 16/40 PS wie alle anderen Typen im DMG-Verkaufsprogramm umbenannt und erhält die neue Typenbezeichnung 16/45 PS. Im Frühjahr 1924 wird die Modellbezeichnung der tatsächlichen Motorleistung angepasst und heißt seitdem 16/50 PS. Von Sommer 1924 an wird der 16/50 PS mit Vierrad-Trommelbremsen ausgerüstet. Er ist damit nach dem 28/95 PS das zweite DMG-Modell, das mit Vorderradbremse angeboten wird.


Großer Preis des Belgischen Automobil-Clubs, 24./25. August 1913: Léon Elskamp mit einem
Mercedes-Knight 16/45 PS.

Unter der Vielzahl der Pkw-Typen, die vor dem Ersten Weltkrieg bei der DMG gebaut werden, stellen die Mercedes-Knight eine Besonderheit dar. Vor- und Nachteile der Knight-Konstruktion werden seinerzeit von Automobilisten wie Ingenieuren kontrovers diskutiert. Unbestrittene Vorzüge des Systems sind die für damalige Begriffe außergewöhnliche Laufruhe und Kultiviertheit, durch die sich die Mercedes-Knight dann auch auszeichnen. Außerdem entwickeln Knight-Motoren im Drehzahlbereich von etwa 500 bis 1500/min eine höhere Leistung als gleich große konventionelle Aggregate. Diese und andere Gründe hatten Paul Daimler auch dazu bewegt, die Versuchsserie bauen zu lassen. Er hatte im April 1907 als Nachfolger von Wilhelm Maybach die Leitung des Konstruktionsbüros übernommen.


Innovatives Aggregat: Ventilloser Schiebermotor des Mercedes-Knight 16/45 PS (Bauzeit 1916 bis 1923)
nach dem Prinzip von Charles J. Knight. Der Schieber auf der Einlassseite ist geschlossen.

 

Doch das Knight-Wirkprinzip hat nicht nur Vorteile. Die Schiebermotoren erfordern beispielsweise einen hohen konstruktiven und fertigungstechnischen Aufwand sowie eine höchst sensible Bedienung. Ein besonders kritischer Punkt – der das Unternehmen in Form von vielen als störanfällig bezeichneten Fahrzeugen viel Geld gekostet hat – ist die ordnungsgemäße Schmierung der Zylinder- und Schieberlaufflächen, die mit den seinerzeit verfügbaren Schmierstoffen oftmals nicht gewährleistet ist, vor allem bei unzureichender Wartung. Zunehmend problematisch wird dieser Aspekt bei Drehzahlen von mehr als 1600/min, bei denen der Schiebermotor zudem hinsichtlich seiner spezifischen Leistung keine Überlegenheit mehr zeigt. Die realisierbare Höchstdrehzahl liegt bei 1750/min, was einer Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge von rund 80 km/h entspricht, so dass dem Entwicklungspotential und der praktischen Verwendbarkeit des Knight-Motors Grenzen gesetzt sind, zumindest langfristig.


Laufruhe und Kultiviertheit: Mercedes-Knight 25/65 PS als Landaulet (Bauzeit 1912 bis 1915)
mit einem Schiebermotor nach dem Prinzip von Charles J. Knight.

Dennoch gibt es unter den Kunden der Daimler-Motoren-Gesellschaft eingefleischte Knight-Befürworter. Das führt zu immerhin mehr als 5500 gebauten Fahrzeugen des 4-Liter-Modells während seines 14jährigen Produktionszeitraums.


Laufruhe und Kultiviertheit dank dem Schiebermotor nach dem Prinzip von Charles J. Knight:
Mercedes-Knight aus dem Jahr 1921.

Trotz der technischen Grenzen des Funktionsprinzips gibt es auch Rennwagen mit Knight-Motor. Zwar sind sie nur eine Randerscheinung, doch können sie beachtliche Erfolge vorweisen. Den bemerkenswertesten erzielt der belgische Mercedes-Vertreter Theodor Pilette am 30. Mai 1913 bei den 500 Meilen von Indianapolis. Sein Mercedes-Knight 16/45 PS ist als hubraumschwächster Wagen des Starterfelds gemeldet und kann sich als letzter für die Teilnahme qualifizieren. Dennoch beendet er das Rennen nach 7 Stunden 19 Minuten – ohne Boxenstopp – als Fünfter. Erstaunlich günstig ist auch der Benzinverbrauch des ventillosen Motors: 11,8 Liter auf 100 Kilometer. Zahlreiche Rennsiege und Platzierungen auf Mercedes-Knight werden in den Jahren 1912 und 1913 von Pilettes Landsmann Léon Elskamp errungen.