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Hans Nibel

Der Ingenieur Hans Nibel (1880 bis 1934) prägt als Chefkonstrukteur von Benz & Cie. und später der Daimler-Benz AG in erheblichem Maß die Produkte beider Unternehmen. Zu den von ihm konstruierten Fahrzeugen zählen beispielsweise der „Blitzen-Benz“ (1909), der „Große Mercedes“ Typ 770 (1930), der Mercedes-Benz 170 (1932) und der Silberpfeil-Rennwagen W 25 (1934). Als Vorstandsmitglied ist er zudem Mitgestalter der Fusion von Benz & Cie. und der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) zur Daimler-Benz AG im Jahr 1926.

 

Geboren wird Hans Nibel am 31. August 1880 in Olleschau/Mähren, damals in Österreich-Ungarn und heute in Tschechien gelegen. Sein Vater ist Fabrikdirektor, vermutlich einer Papierfabrik, so dass sein Sohn frühzeitig ein technisches Umfeld erlebt. Er ist ein gelehriger Schüler, wie ein Zeugnis aus dem Jahr 1899 ausweist, und die Note „vorzüglich“ beispielsweise in den Fächern Mathematik, Physik und Zeichnen gibt einen ersten Hinweis auf Neigungen, die Hans Nibel später beruflich nutzen wird. Zum Studium schreibt er sich an der Technischen Hochschule München ein, die er als Diplom-Ingenieur verlässt. Er ist zunächst bei verschiedenen kleineren Maschinenfabriken tätig, bevor er am 1. März 1904 als Konstrukteur bei Benz & Cie. in Mannheim eintritt. Dort begleitet er den Aufstieg des Unternehmens zu einem führenden Autohersteller.

 

Nibel wird schon bald stellvertretender Bürochef und 1908 im Alter von 28 Jahren schließlich zum Leiter der Konstruktionsabteilung befördert. Unter seiner Beteiligung und Federführung entstehen zahlreiche Fahrzeuge, darunter kleinere Typen, die das Unternehmen auf eine breitere wirtschaftliche Basis stellen, wie etwa der 1910 vorgestellte Benz 6/14 PS, aber auch Fahrzeuge der Luxusklasse, die weltweit Botschafter sind für die herausragenden Automobile aus Mannheim. Eng verbunden mit dem Namen Nibel ist zudem der „Blitzen-Benz“, damals das leistungsstärkste und schnellste Automobil der Welt. Er wird 1909 erstmals vorgestellt und setzt 1911 schließlich die Weltrekordmarke für das schnellste Automobil auf 228,1 km/h, die bis 1919 ungebrochen bleiben wird.

Derlei Erfolge befördern Nibels Karriere. Im Dezember 1911 wird er Prokurist von Benz & Cie., und wie zur Bestätigung der Verdienste seines Chefkonstrukteurs erhält das Unternehmen 1912 den Kaiserpreis für den besten deutschen Flugmotor, damals ebenfalls im Lieferprogramm der Firma.

Einige Male macht Nibel auch bei Motorsportveranstaltungen auf sich aufmerksam. So erhält er beispielsweise 1909 bei der Prinz-Heinrich-Fahrt den „Preis der Erbprinzessin von Sachsen“, 1912 bei der Internationalen Österreichischen Alpenfahrt die „Silberne Plakette“ und 1914 bei der Karpathenfahrt den „Preis des Ministeriums des Innern“.

Verdienste für das Automobil und das Unternehmen

Im August 1917 wird Nibel als stellvertretendes Mitglied in den Vorstand von Benz & Cie. aufgenommen. Dies ist eine Anerkennung nicht nur für seine Verdienste als Automobilkonstrukteur, sondern spiegelt auch seine Leistungen für Benz & Cie. in den Jahren des Ersten Weltkriegs wider. Wie damals üblich wird das Produktionsprogramm auf Militärbedarf umgestellt, verbunden mit zahlreichen Neukonstruktionen, die unter Nibels Ägide entstehen. Somit hat er großen Anteil daran, das Unternehmen erfolgreich durch diese nicht einfachen Jahre zu bringen.

Benz & Cie bestellen Nibel im August 1922 zum ordentlichen Vorstandsmitglied. Im gleichen Jahr verleiht die Technische Hochschule Karlsruhe ihm den Titel Dr.-Ing. e.h. in Anerkennung seiner großen Verdienste als Konstrukteur und Techniker. Ebenfalls 1922 baut Nibel zusammen mit dem Leiter des Mannheimer Konstruktionsbüros für Fahrgestelle, Max Wagner, zum ersten Mal Rennwagen in Stromlinienform und mit Einzelradaufhängung, die bei internationalen Wettbewerben für Rennerfolge sorgen. Darüber hinaus beeinflusst er maßgeblich die Verwendung des Dieselmotors in Straßenfahrzeugen – 1922 stellt Benz & Cie. einen Ackerschlepper mit dem selbstzündenden Motor vor, das erste Diesel-Straßenfahrzeug der Welt.

Mit Beschluss der Interessengemeinschaft von Benz & Cie. und der Daimler-Motoren-Gesellschaft im Jahr 1924 tritt Nibel auch in den Vorstand der DMG ein. Im gemeinsamen Konstruktionsbüro ist er gleichberechtigt neben Ferdinand Porsche tätig, wobei dieser jedoch verantwortlich zeichnet.

Nibel ist ein starker Befürworter des Unternehmenszusammenschlusses, der 1926 erfolgt – woraufhin er in den Vorstand der neuen Daimler-Benz AG einzieht. Ebenfalls 1926 verlegt er seine Tätigkeit endgültig ins Untertürkheimer Konstruktionsbüro des neuen Unternehmens. Als Ingenieur, aber auch als Vorstand des Unternehmens ist er unter Führung des Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Kissel einer der Protagonisten, die den Zusammenschluss der beiden ältesten Automobilhersteller der Welt erfolgreich meistern.

Technischer Direktor der Daimler-Benz AG

Zum 1. Januar 1929 wird Nibel verantwortlicher Technischer Direktor in der Nachfolge von Ferdinand Porsche. Dessen Fahrzeugkonstruktionen verfeinert er. So machen beispielsweise nicht zuletzt seine Verbesserungen aus dem Mercedes-Benz 8/38 PS Typ Stuttgart 200 (Baureihe W 02) ein erfolgreiches Auto, das der Marke in Zeiten der damaligen Weltwirtschaftskrise beachtliche Stückzahlen beschert. Die sportlichen Typen S, SS, SSK und SSKL (W 06, 1926 bis 1934) sowie die noble „Nürburg“-Reihe (W 08, 1929 bis 1939) verbessert Nibel, so dass sich die einen im internationalen Sportgeschehen, die anderen im internationalen Markt der Luxusautomobile vorzüglich behaupten. Und der erste „Große Mercedes“ Typ 770 (W 07, 1930 bis 1938) verankert Mercedes-Benz im internationalen Bewusstsein als jene Marke, die die besten Autos der Welt baut – ebenfalls ein Verdienst Nibels, denn als Chefkonstrukteur verantwortet und versteht er immer das gesamte Fahrzeug. Zu den technischen Neuerungen des „Großen Mercedes“ gehören ein mit Kühlrippen versehenes Kurbelgehäuse aus Leichtmetall und eine neunfach gelagerte Kurbelwelle aus Chromnickelstahl mit angeschmiedeten Gegengewichten.

Es folgt der Typ 170 (W 15, 1931 bis 1936), in dem wichtige Patente umgesetzt sind: zum Beispiel für die Einzelradaufhängung, die Einzelradlenkung und ein „Schnellganggetriebe“ nach dem System Mercedes-Benz-Maybach. Das Getriebe liefert für jede Geschwindigkeit und Geländeverhältnisse die passende Übersetzung, zugleich wirkt es bei höheren Geschwindigkeiten drehzahl- und damit verbrauchsmindernd. Diese und weitere Neuerungen fließen nach und nach auch in andere Baureihen von Mercedes-Benz ein. Einstweiliger Gipfel ist der 1932 präsentierte und gleichfalls von Nibel verantwortete Kompressor-Typ 380 (W 22), dessen Nachfolger die noch berühmteren Typen 500 K/540 K (W 29) sind; insbesondere diese Fahrzeuge heben die Kompressortechnik weg von der seitherigen Sportwagencharakteristik auf das Niveau kultivierter Luxuswagen. Ihre Karosserien aus werkseigener Fertigung („Sindelfinger Karosserie“) setzen Maßstäbe im Fahrzeugdesign – weltweit werden sie in der Ganzheit ihres Entwurfs als Glanzstücke von Mercedes-Benz angesehen.

1934 erlebt im Typ 130 (W 23) ein gänzlich anderes und nicht minder revolutionäres Antriebskonzept, das Nibels Handschrift trägt, die Marktpremiere: Das Fahrzeug hat einen Heckmotor. Es erweist sich zwar, zusammen mit den weiterentwickelten Typen 150 (mit Mittelmotor) und 170 H, im Portfolio der Marke als etwas glücklos, doch technisch gilt die Nibel-Konstruktion als wegweisend. Umso erfolgreicher ist der Mercedes-Benz 170 V (W 136, 1936 bis 1942), den Nibel noch auf den Weg bringt – das erste Fahrzeug mit einem X-förmigen, leichten und stabilen Ovalrohr-Rahmen.

Für Furore sorgt außerdem der von Nibel für die 750-Kilogramm-Formel konstruierte Rennwagen W 25, der in den Jahren 1934 bis 1937 mit Fahrern wie beispielsweise Rudolf Caracciola dem Unternehmen wichtige Rennerfolge beschert und zudem die Tradition der Silberpfeile begründet.

Die Handschrift Nibels tragen auch zahlreiche Flugmotoren der Daimler Benz AG der 1930er Jahre.

Am 25. November 1934 ist Hans Nibel am Hauptbahnhof Stuttgart gerade im Begriff, den Schnellzug nach Berlin zu besteigen, um dort unter anderem die Rennsportsaison 1935 vorzubereiten. Ein Herzschlag reißt ihn und damit einen der fähigsten Automobilingenieure der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg aus dem Leben. Die Daimler-Benz AG verliert ihren Chefingenieur – und kann bei der Gestaltung der nachfolgenden Jahre gleichwohl auf das reiche technische Erbe zurückgreifen, das Nibel hinterlässt. So darf beispielsweise der zwei Jahre nach Nibels Tod präsentierte Mercedes-Benz 260 D (W 138, 1936 bis 1940) durchaus als Vermächtnis des Ingenieurs angesehen werden: Nibel hatte die anfängliche Entwicklung des ersten Serien-Personenwagen mit Dieselantrieb noch begleitet; sie ist äußerst langwierig und greift auch zurück auf seine frühen Erfahrungen mit dem ersten Diesel-Straßenfahrzeug, dem Ackerschlepper von Benz & Cie.

„Mit Herrn Dr. Hans Nibel verliert die Daimler-Benz AG einen hervorragenden Konstrukteur und bedeutenden Techniker von internationalem Ruf und Rang, dessen konstruktive Schöpferarbeit Musterbeispiel für die technische Entwicklung des Automobil- und Motorenbaus der ganzen Welt gewesen ist“ – so beschreibt das Unternehmen in einem Nachruf Hans Nibel und fasst wesentliche Verdienste zusammen: „Man kann kaum von dem großen Erfolg des Fahrzeug-Dieselmotors, den unabhängig gefederten Rädern, von Schwingachsen, von Schnellganggetrieben, von neuzeitlichen Karosserie- und Motorenbau sprechen, ohne dass nicht sein Name an erster Stelle genannt werden muss.“

Die von Hans Nibel beeinflussten Fahrzeuge prägen über eine lange Zeit und deutlich über seinen Tod hinaus den guten Ruf der Marke Mercedes-Benz. Viele seiner Konstruktionen bleiben gültig bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit kann er als einer der einflussreichsten Automobilkonstrukteure nicht nur von Mercedes-Benz, sondern der gesamten Branche angesehen werden. Sein Nachfolger wird Max Sailer, der die Tätigkeit krankheitshalber nur bis Ende 1941 ausüben kann. Danach ist Fritz Nallinger bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1965 Chefingenieur.

Hans Nibel

geboren: 31. August 1880 in Olleschau/Mähren
gestorben: 25. November 1934 in Stuttgart

Der Ingenieur Hans Nibel (1880 bis 1934) prägt als Chefkonstrukteur von Benz & Cie. und später der Daimler-Benz AG in erheblichem Maß die Produkte beider Unternehmen. Zu den von ihm konstruierten Fahrzeugen zählen beispielsweise der „Blitzen-Benz“ (1909), der „Große Mercedes“ Typ 770 (1930), der Mercedes-Benz 170 (1932) und der Silberpfeil-Rennwagen W 25 (1934). Als Vorstandsmitglied ist er zudem Mitgestalter der Fusion von Benz & Cie. und der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) zur Daimler-Benz AG im Jahr 1926.

Wichtige berufliche Stationen:

  • Studium an der Technischen Hochschule München, Abschluss als Diplom-Ingenieur
  • 1904, 1. März: Eintritt bei Benz & Cie.
  • 1908: Ernennung zum Leiter des Konstruktionsbüros
  • 1911, 28. Dezember: Leiter des Konstruktionsbüros, Prokurist
  • 1917, 16. August: Stellvertretendes Vorstandsmitglied
  • 1922, 25. August: Ordentliches Vorstandsmitglied
  • 1922, 8. November: Verleihung des Titels Dr.-Ing. e.h. durch die TH Karlsruhe
  • 1929, 1. Januar: Technischer Direktor der Daimler-Benz AG als Nachfolger von Ferdinand Porsche
  • 1929, 1. März: 25jähriges Dienstjubiläum