Logo

NSU-Rennwagen Typ 6/60 PS: Vierfachsieg für beim „Großen Preis von Deutschland“ auf der AVUS

<>Die Marke NSU und der Motorsport: eine Verbindung mit Tradition, mit ganz vielen Höhepunkten und vor allem Emotionen. Herausragend in der NSU-Rennsporthistorie zwischen den beiden Weltkriegen ist der Vierfachsieg der weißen Sechszylinder-Kompressorwagen in ihrer Klasse beim ersten Großen Preis von Deutschland 1926 auf der Berliner AVUS.

Schon 1908 beteiligt sich NSU an internationalen Automobilrennen. Die Prinz-Heinrich-Fahrt 1909 ist für das Unternehmen ein großer Erfolg, ebenso die Teilnahme an vielen Langstrecken-und Zuverlässigkeitsfahrten. Nach dem Ersten Weltkrieg wird 1921 in Berlin die „Automobil-Verkehrs- und Übungss traße“ – kurz AVUS – eröffnet. Sie ist bis zum Jahr 1940 für den öffentlichen Verkehr gesperrt und dient als erste Renn- und Teststrecke in Deutschland dazu, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Automobilindustrie unter Beweis zu stellen. Schon beim Eröffnungsrennen der AVUS im September 1921 gewinnt ein „kleiner“ NSU in seiner Klasse, der NSU 8/24 PS. Die Rennversion entspricht dabei vom Grundaufbau dem Serienmodell, die Neckarsulmer haben das Auto im Vergleich zum offenen Rennzweisitzer lediglich leicht modifiziert.


Großer Preis von Deutschland 1926 auf der Berliner AVUS: Die NSU Kompressor-Rennwagen NSU 6/60 PS stehen in den Boxen und warten auf die Freigabe des Starts. Im Wagen Nr. 32 der spätere Sieger in der 1,5-Liter-Klasse Georg Klöble mit Beifahrer Karl Gailing.
Foto: Audi AG

Komplett neu und speziell für den Renneinsatz entwickelt hat die damalige "Neckarsulmer Fahrzeugwerke Aktiengesellschaft" den NSU Typ 6/60 PS. Dieser Rennwagen ist das erste Sechszylindermodell von NSU – die 6 steht dabei für die Steuer-PS, wichtig für die Einteilung in die Steuerklasse. Der offene Zweisitzer leistet 60 PS, wiegt 830 Kilogramm und bringt es in der Spitze auf 175 Stundenkilometer. Gebaut wird er in den Jahren 1925 und 1926 – entsprechend den damaligen Regularien gibt es ihn ausschließlich in der deutschen Rennfarbe Weiß.


Start zum Großen Preis von Deutschland 1926 auf der AVUS in Berlin. Jakob Scholl (Nr. 28) erwischte mit seinem NSU Sechszylinder-Kompressor den besten Start, gefolgt von der Nr. 29 (Josef Müller). Im Mittelfeld – aber schon auf der Überholspur – Georg Klöble, der dieses Rennen in seiner Klasse gewinnen sollte.
Foto: Audi AG

1925 nehmen die Neckarsulmer mit einem der neuen Sechszylinder-Kompressorrennwagen am Internationalen Taunus-Rennen teil und fahren gleich den Gesamtsieg des 450 Kilometer langen Rennens ein. Im folgenden Jahr feiert NSU am 11. Juli auf der AVUS mit dem NSU Typ 6/60 PS beim ersten „Großen Preis von Deutschland 1926“ in der 1,5-Liter-Klasse einen vielbeachteten Vierfachsieg und holt den fünften Platz im Gesamtklassement. Dieser Grand Prix – ausgerichtet vom AvD, dem Automobilclub von Deutschland – ist das Motorsportereignis des Jahres 1926, rund eine Viertelmillion Schaulustige pilgern zur AVUS. Sie erleben ein Rennen, das an Dramatik und Tragik kaum zu überbieten ist: Schon im Training kommt es zu einem Unfall mit tödlichem Ausgang. Im Rennen selbst setzt heftiger Dauerregen ein, Runde um Runde wird die Strecke immer rutschiger, es häufen sich die Ausfälle, am Ende schaffen es nur 17 Autos ins Ziel.


Nach dem Vierfachsieg beim Großen Preis von Deutschland 1926 auf der Berliner AVUS wird das Rennteam vor dem Heilbronner Rathaus von der Bevölkerung empfangen und bejubelt.
Foto: Audi AG

Die Stärke der NSU-Rennwagen ist der neue Reihensechszylinder: Der Motor ist über die gesamte Distanz von mehr als 400 Kilometern robust und zuverlässig und so gehen in der so genannten Klasse F, der Klasse bis 1.500 Kubikzentimeter, die ersten vier Plätze an NSU. Wieder daheim in Neckarsulm wird das erfolgreiche Rennteam im NSU-Werk frenetisch empfangen: Mitarbeiter und die damaligen Direktoren Fritz Gehr und Georg Schwarz gratulieren den Fahrern, für die es anschließend mit ihren Rennwagen auf „Reklamefahrt“ nach Heilbronn und Stuttgart geht. Der Erfolg des NSU Typ 6/60 PS auf der Rennstrecke lässt in Neckarsulm die Entscheidung reifen, ein neues Auto zu entwickeln, das in die damals beliebte 6-PS-Steuerklasse passt: den NSU 6/30 PS. Ein Novum ist der direkt vom Rennmotor abgeleitete Sechszylindermotor. Noch Ende 1927 wird das neue Automobil den Händlern vorgestellt. Gebaut wird es jedoch nur im Verlauf des Jahres 1928; NSU beendet die Fertigung und konzentriert sich auf die Produktion des technisch eng verwandten Nachfolgers NSU Typ 7/34 PS.

NSU Typ 6/60 PS eines der seltensten Fahrzeuge der Audi Sammlung

„Es ist ein großes Glück und eine Geschichte für sich, dass wir eines dieser seltenen Grand-Prix-Fahrzeuge von 1926 heute in der historischen Fahrzeugsammlung von Audi haben“, sagt Timo Witt, bei Audi Tradition verantwortlich für diese Sammlung. Einer der NSU 6/60 PS Rennwagen ist auf unbekannten Wegen nach Berlin gekommen, wo ihn 1931 ein Autoliebhaber für 150 Reichsmark ewirbt. Am 4. Juni 1932 erhält der Berliner die Genehmigung, den einstigen Rennwagen auf öffentlichen Straßen zu fahren – so geht es aus der im Original erhaltenen Steuerkarte hervor. 1937 allerdings wird ihm diese Genehmigung wieder entzogen; offenbar ist das Auto zu laut, so die Begründung der Behörden. Und so macht sich der Eigentümer der Rarität an die Arbeit: Er will den NSU 6/60 PS überholen und zerlegt ihn in seine Einzelteile.

<p
Der NSU Typ 6/60 PS Rennwagen.
Foto: Audi AG

Das Projekt kommt zum Erliegen, als der Zweite Weltkrieg ausbricht. 1945 inspizieren russische Soldaten das Teilepaket, sie wollen den Wagen eigentlich beschlagnahmen. Jedoch erkennen sie schnell, dass sie zum Zusammenbau des komplexen Gefährts nicht in der Lage sind. Und so bleibt der NSU 6/60 PS in zerlegtem Zustand in Deutschland. Der Eigentümer der Rarität setzt die Restaurierung fort, eine Zulassung für den Straßenverkehr bekommt er allerdings nicht mehr. Viele Jahre lang pflegt der Berliner den ehemaligen Rennwagen in seiner Garage, bis er sich 1965 dazu entschließt, das Auto zu verkaufen. Er schreibt NSU, denn er möchte den ehemaligen Rennwagen unbedingt zurück ins Werk geben. Schnell ist ein Tausch vereinbart: Der Retter des für die NSU-Renngeschichte so wertvollen Unikats bekommt einen fabrikneuen NSU Typ 110. Zurück im Werk verbringen Auszubildende fünf Monate lang damit, den Kompressorrennwagen wieder instand zu setzen. Sie entfernen Schutzbleche und Lampen und die zwischenzeitlich rotlackierte Karosserie bekommt wieder ihre ursprüngliche Rennfarbe Weiß. Heute ist dieser NSU Typ 6/60 PS eines der ältesten und seltensten Automobile in der historischen Fahrzeugsammlung von Audi.