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Alfa Romeo Giulia Sprint GTA wird 1966 Europameister

In den 1960er Jahren ist der Motorsport mit Tourenwagen eine große Nummer. Die Langstreckenrennen auf dem Nürburgring, in Monza, Brands Hatch, Budapest oder Zandvoort locken Hunderttausende von Fans an. Sie identifizieren sich stark mit den äußerlich wie Serienautos aussehenden Rennern. Außerdem sind hier - anders als in der zu dieser Zeit von britischen Privatteams dominierten Formel 1 - einige der großen Automobilhersteller werksseitig engagiert.

Alfa Romeo gehört zu den erfolgreichsten Teams. Im Februar 1965 stellt die italienische Traditionsmarke auf dem Autosalon in Amsterdam ein neues Auto vor, das fortan als Basis für Einsätze bei Tourenwagen-Rennen dienen soll: das Modell Giulia Sprint GTA. Hinter dem Zusatz „A" in der Typenbezeichnung verbirgt sich dabei der italienische Begriff „alleggerita", zu Deutsch „erleichtert". Die Leichtbau-Version des schmucken Coupés entsteht bei Autodelta, der offiziellen Motorsportabteilung von Alfa Romeo.

Um das Gewicht zu senken, greifen die Ingenieure tief in die Karosseriestruktur ein. Die komplette Außenhaut wird aus nur 1,2 Millimeter dünnem Peraluman getrieben, einer sehr leichten Aluminium-Magnesium-Zink-Mangan-Legierung. Türen und Motorhaube sowie alle nicht tragenden Teile der Karosserie (innere Abschlussbleche, Windlaufblech, Reserveradwanne) werden aus Aluminium gefertigt. Nur Bodenblech und Dachsäulen bestehen noch aus Stahlblech. Hintere und seitliche Scheiben sind aus leichtem Plexiglas hergestellt.


1966 wird Alfa Romeo Tourenwagen-Europameister, Werkspilot Andrea de Adamich holt den Fahrertitel. Am 4. September 2016 erinnert der „Gran Premio Alfa Romeo" im Oldtimer-Zentrum Klassikstadt an diese Ära. Rund 60 historische Rennwagen drehen Demonstrationsrunden. Alfa Romeo Giulia Sprint GTA trifft auf die Konkurrenten von damals. Besucher können einzigartigen Motorensound und Fahrerlager-Atmosphäre genießen.
Foto: FCA Germany AG

Optisch ist der GTA durch die zusätzlichen Lufteinlässe in der Front, die Türgriffe in Form leichter Aluminiumschlaufen, Magnesium-Felgen von Campagnolo, die offensichtlichen Nieten der Karosseriebefestigung, Sportlenkrad sowie Aufkleber mit dem legendären Quadrifoglio Verde (vierblättriges Kleeblatt) zu erkennen. Der GTA bringt als Serienfahrzeug schließlich nur noch 745 Kilogramm auf die Waage, über 200 Kilogramm weniger als ein konventioneller Sprint GT.

Der 1,6-Liter-Motor stammt aus dem Entwicklungsprogramm für den GT-Rennwagen Alfa Romeo TZ2. Der Block besteht aus Aluminium, während Ölwanne, Motorstirnwanddeckel, Ventildeckel, Getriebeglocke und hinterer Getriebedeckel aus der Magnesium-Legierung Elektron gegossen werden. Bestückt mit Doppelzündung und zwei 45er Weber-Doppelvergasern leistet er serienmäßig 115 PS.

Doch die offiziell knapp über 500 Mal gefertigte Serienversion ist nur der erste Schritt, um die vorgeschriebene Zulassung zum Rennsport (Homologation) zu erfüllen. Für den Einsatz auf der Rennstrecke bietet Autodelta betuchten Kunden die Corsa-Variante an, die noch einmal stark modifiziert wird. Zu den Unterschieden gehören der 90-Liter-Tank, Ölkühler, Überrollbügel, Sperrdifferenzial von ZF, Stabilisator auch an der Hinterachse sowie der länger übersetzte fünfte Gang. Autodelta hält außerdem weitere Tuningteile wie beispielsweise spezielle Vorderradaufhängungen, die in ihrer Führung modifizierte Gleitstein-Hinterachse oder unterschiedliche Getriebe- und Achsübersetzungen parat. Außerdem fällt die Innenausstattung noch spartanischer aus - die Armaturentafel besteht bei manchen Exemplaren aus einer Art Pappe, die mit Dekorfolie beklebt ist. Für Werksautos werden zeitweise sogar Bodenbleche aus Peraluman verwendet. Dadurch sinkt das Gewicht auf etwa 700 Kilogramm. Die jetzt im Kofferraum installierte Batterie verbessert zusätzlich die Gewichtsverteilung.

Die Motorleistung steigt bei der Corsa-Variante durch die Verwendung anderer Kolben, eines Stahl-Fächerkrümmers mit größerem Querschnitt, schärferer Nockenwellen und eines Staudruckkastens über den Ansaugtrichtern auf rund 170 PS. Der seitlich unter der Fahrertür austretende Rennauspuff sorgt für einen unvergleichlichen Sound.

Tourenwagen-Europameisterschaft 1966 - Marken- und Fahrertitel für Alfa Romeo

Die Tourenwagen-Europameisterschaft 1966 teilt das Teilnehmerfeld in drei Hubraumdivisionen ein: bis 1.000, bis 1.600 und über 1.600 Kubikzentimeter. Wie geplant, wird der Alfa Romeo Giulia Sprint 1600 GTA aus dem Stand zum dominierenden Fahrzeug in der Division 2. In den von Autodelta eingesetzten Werksautos drehen als Stammpiloten die Italiener Andrea de Adamich, Giovanni „Nanni" Galli, Teodore Zeccoli, Giacomo Russo, Ignazio Giunti und Enrico Pinto in wechselnden Kombinationen am Lenkrad. Gelegentlich treten auch die Formel-1-Piloten Jochen Rindt (Österreich) und Lucien Bianchi (Belgien) für Autodelta an. Weitere GTA werden von privaten Mannschaften wie dem belgischen VDS Racing Team eingesetzt. Hauptgegner sind die britischen Ford Cortina mit Lotus-Motor.

Die Saison beginnt mit dem Sieg von De Adamich/Zeccoli beim Vier-Stunden-Rennen in Monza (Italien). Auf dem Flugplatz von Wien-Aspern und im belgischen Zolder gewinnt Ford-Pilot John Whitmore, der auch das zur Europameisterschaft zählende Bergerennen am Mont Ventoux (Frankreich) für sich entscheidet. Runde fünf ist das Sechs-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. In der berühmt-berüchtigten „Grünen Hölle" lassen De Adamich und Zeccoli sogar die stärkeren Fahrzeuge aus der Division 3, darunter auch das BMW-Werksteam, hinter sich und feiern den Gesamtsieg. Der siegreiche Alfa Romeo Giulia Sprint GTA ist im Training außerdem das einzige Auto, das die Nordschleife in weniger als zehn Minuten umrundet.

Saisonhöhepunkt ist das 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa-Francorchamps. Autodelta landet in der Division einen Doppelsieg. Bei der Zandvoort Trophy in den Niederlanden und beim 500-Kilometer-Rennen im britischen Snetterton siegt Andrea de Adamich im Alleingang. Hier zeigt er auch wieder der Division 3 die Rücklichter, in der Lokalheld Jacky Stewart (Ford) ein Gastspiel gibt. Beim Vier-Stunden-Rennen in Budapest werden rund 100.000 Besucher Zeuge vom Sieg des Alfa Romeo Werksteams Pinto/Giunti. Auf das Saisonfinale beim Bergrennen in Eigental (Schweiz) verzichtet Autodelta.  

Werksfahrer Andrea de Adamich (Italien) ist der Europameister-Titel nicht mehr zu nehmen. Teodore Zeccoli wird hinter John Whitmore EM-Dritter. Alfa Romeo gewinnt außerdem den Markentitel in der Division 2 vor Ford.

Es bleiben nicht die einzigen Erfolge für den Alfa Romeo Giulia Sprint GTA in der Europameisterschaft. De Adamich verteidigt seinen Titel 1967, 1969 wird Alfa Romeo Werkspilot Spartaco Dini (Italien) Champion. Alfa Romeo holt auch in diesen Jahren den Markentitel.

Auch außerhalb der Europameisterschaft feiert der Alfa Romeo Giulia Sprint GTA unzählige Erfolge. Manchmal landen GTA-Piloten wie Jochen Rindt (bei einem TransAm-Rennen in Sebring/USA 1966) sogar Gesamtsiege gegen die hubraumstärkere Konkurrenz. Herbert Schultze wird 1968 und 1969 Deutscher Rundstreckenmeister. Auch bei Bergrennen - Ignazio Giunti (Italien) wird 1967 Berg-Europameister in der Tourenwagen-Kategorie - und vielen Rallyes geht der Siegerpokal an Fahrer eines Alfa Romeo Giulia Sprint GTA.

1970 steigt Alfa Romeo in die Kategorie bis zwei Liter Hubraum auf. Außer den größeren Motor weist der Alfa Romeo Gulia Sprint GTAm auch gewaltige Kotflügelverbreiterungen auf. Prompt wird der Niederländer Toine Hezemans Europameister. Ab 1971 beherrscht die 1300er Variante des Alfa Romeo Giulia Sprint GTAm die kleine Hubraumklasse und holt mit den für Divisionssiege erzielten Punkten noch zwei Europameistertitel in der Markenwertung (1971 und 1972). Dann ist die werksseitige Karriere des Alfa Romeo Giulia Sprint GTA im Rennsport endgültig beendet.

 

Die Technik des Alfa Romeo Giulia Sprint 1600 GTA

 

Bauzeit Serienmodell (Tipo 105.02A): 1965 - 1969
Stückzahl / Preis Serienmodell: ca. 500 / 2.995.00 Lire bzw. 21.500 Mark (1965)

 

Motor (Code 00502/A):    

vier Zylinder, Anordnung in Reihe, wassergekühlt,

zwei obenliegende, von einer Kette angetriebene Nockenwellen,

zwei Ventile pro Zylinder, Auslassventile natriumgefüllt, Fächerkrümmer aus Stahl,

Motorblock und Zylinderkopf aus Aluminium, nass eingesetzte Zylinder-Laufbuchsen,

Ventildeckel, Motorstirnwanddeckel, Getriebeglocke, Getriebedeckel und Ölwanne aus Elektron,

zwei Doppelvergaser Weber 45 DCOE,

Bohrung x Hub 78,0 x 82,0 mm, Hubraum 1.570 cm3

Leistung im Motorsport bis zu 136 kW (185 PS)

 

Kraftübertragung

Fünfgang-Getriebe,  Hinterradantrieb

 

Fahrwerk

vorne:

Einzelradaufhängung mit unteren Dreiecksquerlenkern, Schraubenfedern, Teleskop-Stoßdämpfer, Stabilisator, Schneckenlenkung, Scheibenbremsen
hinten: Starrachse mit Längslenkern und Reaktionsdreieck, Schraubenfedern, Teleskop-Stoßdämpfer, Scheibenbremsen

 

Karosserie / Maße

tragende Karosseriestruktur aus Stahlblech; Außenhaut (z. B. Kotflügel und Dach) aus Peraluman-Legierung; alle Türen, und Hauben aus Aluminium, seitliche und hintere Scheiben aus Plexiglas

Länge / Breite / Höhe: 3.970 mm / 1.580 mm / 1.320 mm
Radstand: 2.350 mm
Spurweite vorne / hinten: 1.324 mm / 1.274 mm
Leergewicht (Serie): 745 kg

 

Wichtigste Motorsporterfolge des Alfa Romeo Giulia Sprint 1600 GTA


Tourenwagen-Europameisterschaft:        

1966 Gesamtsieg beim 6-Stunden-Rennen Nürburgring (D), De Adamich/Zeccoli
  Gesamtsieg beim 500-Kilometer-Rennen Snetterton (GB), Andrea de Adamich
  Fahrertitel in der Division 2 durch Andrea de Adamich
  Markentitel für Alfa Romeo in der Division 2
   
1967 Gesamtsieg Großer Preis von Wien, Wien-Aspern (A), Nanni Galli
  Gesamtsieg Tourist Trophy, Oulton Park (GB), Andrea de Adamich
  Gesamtsieg GP der Tourenwagen, Nürburgring (D), Lucien Bianchi/Jean Rolland
  Fahrertitel in der Division 2 durch Andrea de Adamich
  Markentitel für Alfa Romeo in der Division 2
   
1969 Fahrertitel in der Division 2 durch Spartaco Dini
  Markentitel für Alfa Romeo in der Division 2

Sonstige Rennserien / Siege

1965 Bergrennen Mont Dore (F); Sieg in der Tourenwagen-Klasse, Jean Rolland
   
1966 Großer Preis von Australien der Tourenwagen, Lakeside (AUS), Frank Gardner
  Heilbronner Bergpreis (D), Gesamtsieg Gerhard Schüler
  4-Stunden-Rennen Sebring (USA), Gesamtsieg, Jochen Rindt
  Markentitel in der Trans-Am-Meisterschaft für Tourenwagen (USA)
  Fahrertitel (Gruppe 2) in der Deutschen Rundstrecken-Meisterschaft durch Herbert Schultze
   
1967 Bergeuropameister Tourenwagen-Klasse, Ignazio Giunti
  Fahrertitel in der Deutschen Rundstrecken-Meisterschaft durch Herbert Schultze
   
1968 Eckberg-Rennen Säckingen (D), Gesamtsieg Fritz Tröndlin
  Fahrertitel in der Deutschen Rundstrecken-Meisterschaft durch Herbert Schultze