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Fiat auf der Flucht nach vorn

Ende 2008 orakelte Fiat-Chef Sergio Marchionne, dass nur Autohersteller mit ausreichender Größe durch die Branchenkrise kommen werden. Seinem eigenen Unternehmen, Fiat, stellte er allerdings ein schlechtes Zeugnis aus. Mit seinem Absatz von rund 2,2 Millionen Wagen in der Kern-Autosparte 2008 seien die Italiener viel zu klein.

Für Marchionne lag die kritische Marke für das Überleben bei 5,5 bis 6 Millionen produzierten und verkauften Neufahrzeuge im Jahr. Der Fiat-Macher als Totengräber des Stolzes der italienischen Industrie? Weit gefehlt, wie sich jetzt zeigt. Marchionne handelte, dachte Kooperationen an - schon mit Chrysler, als der US-Autobauer zwar schwer angeschlagen, aber noch nicht Pleite war.

Die Marchionne-Lösung: Die Krise nutzen, um ein globales Auto-Imperium mit Chrysler und Opel aufzubauen. Ob die angepeilten sechs Millionen Autos in diesem von Absatzeinbrüchen geprägten Jahr verkauft werden können, bleibt allerdings abzuwarten. Dagegen ist das Risiko groß, sich zu verheben. Der für markige Aussagen bekannte Automobil-Professor Ferdinand Dudenhöffer sprach schon von einem „Drahtseilakt“.

Chrysler-Einstieg macht Appetit auf mehr

Der Chrysler-Deal ist inzwischen besiegelt. Hier soll Fiat bei dem insolventen US-Autobauer zunächst mit 20 Prozent einsteigen und später bis auf 35 Prozent aufstocken. Die Italiener beharrten von Anfang an darauf, kein Geld, sondern nur Technologie zu investieren.

Jetzt will der Mann mit Appetit auf mehr „den Kreis schließen“. Mit der vollen Rückendeckung des Fiat-Verwaltungsrates hat Marchionne den Brocken Opel im Blick und will den Einstieg möglichst noch im Mai. „Zweiter nach Toyota, auf Augenhöhe mit Volkswagen“, beschreibt der „Corriere della Sera“ das ehrgeiziges Ziel des Spitzenmanagers.

Das Ergebnis wäre ein Autokonzern mit einem Jahresumsatz von etwa 80 Milliarden Euro, wie in Italien sofort ausgerechnet wurde. Der Chrysler-Deal war für den Fiat-Chef also nur der erste Schritt, den hoch verschuldeten und kleineren Konzern aus Turin aufzupäppeln. Jetzt will er mit seiner «Operation Berlin» einen Spitzenkonzern ausder Taufe heben, der mindestens etwa sechs Millionen Autos im Jahr produziert.

Neue Welt-AG als Lebenswerk

„Meine Zukunft wird immer an Fiat gebunden sein. Dies ist meine letzte Stelle, ich möchte nirgendwo anders mehr hingehen.“ Solche offenen und klaren Worten spricht der Mann, dem die norditalienische Autoschmiede ihren Aufstieg aus einem Jammertal vor einigen Jahren zu verdanken hatte. Marchionne, in den Abruzzen geborener Italiener mit kanadischem Pass, hatte das Zepter in Krisenzeiten in die Hand genommen. Der 56-Jährige will seinen Erfolg in der Rezession nicht verspielen.

In Toronto hatte der Anwalt und Wirtschaftsprüfer studiert, dem dann etwas gelang, was für Fans italienischer Autos an ein Wunder grenzte. Seit 2004 Fiat-Chef, trug er energisch und entscheidend dazu bei, dass der Traditionskonzern eine längere Durststrecke hinter sich lassen und wieder mit schwarzen Zahlen glänzen konnte: Marchionne sanierte, baute Bürokratie ab, halbierte die Entwicklungszeiten für neue Modelle und richtete das gut 100 Jahre alte Unternehmen der legendären Agnelli-Familie neu aus. Und die Käufer dankten es ihm.

Wiederauferstanden aus den Agnelli-Ruinen

Dabei hatten die meisten Experten Fiat bereits abgeschrieben, als Anfang des Jahrtausends immer neue Hiobsbotschaften über den Konzern hereinbrachen. So tief steckte die Gruppe vor allem wegen der verfehlten Managementpolitik von Giovanni Agnelli in den roten Zahlen, dass sie vorübergehend gar einen Teil ihrer Ferrari-Aktien verpfänden musste - Fiat hatte einen riesigen Schuldenberg von etwa 6,6 Milliarden Euro aufgetürmt. Dann kam aber der Mann, der zwar keine Auto-Erfahrung mitbrachte, jedoch einen guten Ruf als Sanierer. Ob Panda, Punto oder Palio, die Turiner Wagen waren wieder im Rennen.

Das Erbe will sich Marchionne, zuvor für Verpackungsfirmen wie die Schweizer Alusuisse tätig, möglichst nicht nehmen lassen. Gemeinsam mit Fiat-Vize-Präsident John Elkann arbeitet er daran. „2009 wird das schwierigste Jahr meines Lebens. Denn Fiat hat noch nicht einmal die Hälfte der Strecke geschafft, also müssen wir uns zusammenschließen“, eröffnete er im Januar.

In die Schlagzeilen geriet der Spitzenmanager in der Vergangenheit auch auf andere Weise - im November 2007 fuhr er einen 200.000 Euro teuren Ferrari zu Schrott. Er selbst blieb dabei ohne Kratzer.

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Quelle: KFZ-Betrieb online