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Das aktuelle Rundschreiben der Initiative (06/09)

Parlamentskreis "Automobiles Kulturgut"
H-Kennzeichen - droht uns die Schwemme der 30-jährigen Autos?

Das heutige Rundschreiben fällt etwas umfangreicher aus als sonst. Es würde mich freuen nähmen Sie sich trotzdem die Zeit, dieses in Gänze durchzulesen.

Am 23.04.09 machte eine Pressemeldung die Runde, der man etwas mehr Aufmerksamkeit widmen sollte. Es ging um die Gründung des fraktionsübergreifenden Parlamentskreises "Automobiles Kulturgut" im Deutschen Bundestag. Auf Initiative des Meilenwerk-Betreibers Martin Halder in Zusammenarbeit mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. Andreas Scheuer (CSU) wurde diese Gesprächsplattform ins Leben gerufen, um die Kommunikation zu verbessern zwischen Politik, Wirtschaft und Verbänden, um so die Politik frühzeitig für Themen rund um unser automobiles Erbe zu sensibilisieren. Dazu soll ein regelmäßiger Meinungsaustausch mit Fachvertretern und Multiplikatoren aus dem Oldtimersegment geführt werden. Fraktionsübergreifend soll dieses Bündnis offen gestaltet werden, jeder Parlamentarier kann sich hier einbringen.

Das erste Treffen fand nun am gestrigen Dienstag, dem 26.05.09 in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin mit einer überwältigenden Besucherresonanz statt. Fast alle Eingeladenen haben sich diesen Termin, der recht kurzfristig angesetzt worden war, freigehalten. Nach einer ersten, konstituierenden Sitzung, in welcher die Teilnehmer von Martin Halder untereinander vorgestellt und von Herrn Dr.Scheuer über das Konzept des Kreises unterrichtet wurden, fand anschließend im Garten der Parlamentarischen Gesellschaft der symbolische Kickstart des Parlamentarierkreises in Form des richtigen Antretens eines eigens dafür bereitgestellten Vorkriegsmotorrades statt. Außer den anwesenden Mitgliedern des Deutschen Bundestages, Dagmar Enkelmann (Die Linke), Carsten Müller (CDU), Jens Koeppen (CDU), Patrick Döring (FDP) sowie Dr.Andreas Scheuer (CSU), gab sich der Bundestagspräsident Dr.Norbert Lammert (CDU), sehr zur Freude der Anwesenden, höchstselbst die Ehre, den Kreis in seiner Gründungsfeier zu besuchen. Kurz gesichtet wurde auch der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Ramsauer.

Überhaupt standen die Parlamentarier jederzeit zum persönlichen Austausch zur Verfügung und machten keinen Hehl daraus, wie wichtig ihnen das Bewahren des technischen Erbes unserer Gesellschaft ist und wie ernst sie diesen Kreis nehmen.

Daß der Kreis eine echte Chance hat etwas zu bewegen, beweist die versammelte Kompetenz an diesem Tage. Hochrangige Vertreter der Clubs, der Verbände, der Presse, der Museen und der Wirtschaft spiegelten die komplette Bandbreite der Oldtimerszene wider, die sich immer mehr professionalisiert.
Es ist wünschenswert, besännen sich weitere Teile der Politik auf Jean Jaurés' Ausspruch aus dem 19.Jhd., der da heißt: "Tradition pflegen heißt nicht, Asche aufzubewahren, sondern Glut am Glühen halten".

Ich danke daher sowohl Herrn Dr.Scheuer als auch Martin Halder für die Initiative, die einen Schritt in die richtige Richtung bedeutet und wünsche allen Beteiligten noch viele fruchtbare Sitzungen, in die sich die Initiative gerne mit ihrer Kompetenz einbringen wird.

Unser Vorstandsmitglied, Dr.Ralf Ziegler, hat sich die aktuellen Zahlen in Bezug zum H-Kennzeichen etwas genauer angeschaut und analysiert.
Immer wieder kursieren Meldungen, die Zahl der in Deutschland als Oldtimer anerkannten PKW und Motorräder bewege sich von Jahr zu Jahr zu neuen Rekorden. Nicht selten wird geargwöhnt, Grund für diese Zunahme seien in Wirklichkeit alte Gebraucht-, vielleicht auch Verbrauchtwagen, die mit Müh' und Not ein H-Kennzeichen bekommen. Schließlich halten Autos immer länger, somit überschreiten auch immer mehr Alltagsfahrzeuge, deren Besitzern eigentlich nicht an der Pflege mobilen Kulturgutes gelegen ist, die magische 30-Jahres-Grenze. Ein Hauch von unterstellter Steuerhinterziehung weht durch einschlägige Internetforen und Blogs.

Statt uns wie viele andere in Mutmaßungen zu ergehen, haben wir die einschlägige Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes im Detail durchgearbeitet. Hier die amtlichen Zahlen:
Am 1.1.2007 liefen ca. 154.000 PKW auf H-Kennzeichen, am 1.1.2008 waren es (vermutlich in Folge einiger methodischer Änderungen bei der Erhebung der Statistik) 145.000, also ca. 6% weniger als 2007. Am 1.1.2009 waren es dann 164.225 PKW, die ein H-Kennzeichen trugen. Das sind stolze 13,3% mehr als 2008 bzw. 6,6% mehr als 2007.

Übrigens: Am 1.1.2009 waren insgesamt 500.778 PKW mit einem Alter von mindestens 30 Jahren zugelassen, nicht einmal ein Drittel davon hatte ein H-Kennzeichen, war also offiziell als Oldtimer anerkannt.

Droht uns nun wirklich, wie so oft behauptet, eine Oldie-Schwemme durch immer mehr knapp-über-30-jährige Autos mit H-Kennzeichen?
Definitiv nein. Im Gegenteil: Es gibt einen deutlichen Trend hin zu älteren Oldtimer-Fahrzeugen.

Die Zahl der "jungen" (d.h. 30- bis 34-jährigen) Fahrzeuge mit H-Kennzeichen ist entgegen dem allgemeinen Trend seit Jahren deutlich rückläufig: Waren 2007 noch 26,7% aller H-Kennzeichen für 30- bis 34-jährige Fahrzeuge zugeteilt, sank deren Anteil über 23,3% im Jahr 2008 auf derzeit nur noch 20,9%. In Absoluten Zahlen: Von 2007 bis 2009 ist die Zahl der 30- bis 34-jährigen Oldtimer-PKW mit H-Kennzeichen von über 41.000 auf ca. 34.300 gesunken, also um knapp 17%. Vermutlich zeigt die zum 1.3.2007 eingeführte Überprüfung der Einhaltung der H-Kriterien bei jeder Hauptuntersuchung die ihr zugedachte Wirkung.

Wenn man bedenkt, daß am 1.1.2009 insgesamt 228.837 PKW zwischen 30 und 34 Jahren Alter zugelassen waren, hatten also 85% der PKW dieser Altersklasse kein H-Kennzeichen. Auch wenn vielerorts geargwöhnt wird, jedes 30-jährige Auto bekäme quasi automatisch ein H-Kennzeichen: Die Statistik widerlegt dies eindrucksvoll. In dieser Altersklasse ist das H-Kennzeichen die krasse Ausnahme. Bei den mindestens 40-jährigen Fahrzeugen verfügen übrigens über 2/3 über ein H-Kennzeichen.

Im Gegenzug zu den "H-Junioren" ist der Anteil der Oldtimer-PKW im Alter ab 50 Jahren, die ein H-Kennzeichen tragen, von 11,4% (2007) über 12,5% (2008) auf derzeit 13,8% deutlich gestiegen. In Absoluten Zahlen ist das ein Anstieg von über 17.500 Fahrzeugen (2007) auf 22.700 Fahrzeuge (2009). Das ist ein Anstieg der Zahl der mindestens 50-jährigen PKW mit H-Kennzeichen um ca. 30 % in nur 2 Jahren!

Woher kommt's? Ein nicht unerheblicher Teil der Oldtimer-Besitzer mied bisher das H-Kennzeichen und meldete sein Auto normal an. Oft waren es ganz profane finanzielle Gründe, die für die Normal-Zulassung sprachen: Bei ganzjähriger Zulassung ist die Normalzulassung bis ca. 700 ccm Hubraum in jeden Fall kostengünstiger als das H-Kennzeichen. Wird der Wagen, was wohl die Regel ist, nur im Sommerhalbjahr gefahren, kann unter Berücksichtigung der Versicherungsprämie sogar bis ca. 2 Liter Hubraum die normale Zulassung mit Saisonkennzeichen die kostengünstigere Alternative sein. Hinzu kamen viele Oldtimerbesitzer, die das DIN-Kennzeichen an ihrem Wagen, wohlmöglich noch ausgestellt auf einen seit Jahrzehnten nicht mehr existierenden Landkreis, aus sentimentalen Gründen (schließlich ist auch das historische Kennzeichen Teil der Historie des Autos) erhalten wollten.

Im Laufe des letzten Jahres wurden diese Fahrzeugbesitzer jedoch vielerorts vor eine Alternative gestellt: Entweder in den sauren Apfel beissen und auf das unerwünschte H-Kennzeichen umsteigen oder aus den Umweltzonen ausgesperrt werden. Da verwundert es kaum, dass sich viele Fahrzeugbesitzer für das H-Kennzeichen entschieden haben, um (wenn auch unter Mehrkosten oder Inkaufnahme eines unerwünschten Kennzeichens) überhaupt noch mit dem Auto fahren zu dürfen.

Eins ist jedenfalls durch die Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes klar widerlegt: Der Oldtimer-Szene droht keineswegs eine Überflutung mit "jungen" Fahrzeugen - vielmehr geht der Trend ganz deutlich hin zu älteren Fahrzeugen und weg vom H-Kennzeichen für Fahrzeuge der Altersklasse 30-34 Jahre.

Am vergangenen Sonntag ging sie zu Ende, die zweite Ausgabe der Klassikwelt Bodensee. Aus Sicht der IKM ein kurzes Resümee:
Die wohl grundlegendste und wahrlich nicht neue Erkenntnis ist die, daß die Faszination "Oldtimer" nach wie vor ungebrochen ist. Dies spiegelte sich auch anläßlich des Branchengespräches wider, zu welchem der Veranstalter am Eröffnungs-Donnerstagvormittag um 10 Uhr geladen hatte. Stefan Röhrig vom VDA hielt einen kurzen Vortrag zur statistischen Entwicklung von Fahrzeugen über 20 Jahre, Oliver Morgenthaler der Firma best-log gab Einblicke in logistische Herausforderungen beim Transport von Oldtimern, Martin Halder vom Meilenwerk referierte über den Wirtschaftsfaktor Oldtimer und die IKM hatte Gelegenheit, sich und ihre Ziele den zahlreich anwesenden Journalisten vorzustellen. Erfreulich war das offenkundige Interesse der Anwesenden am Thema Oldtimer und ich bin sicher, der allgemeine Tenor der Presse dürfte positiv ausgefallen sein.

Was an der Klassikwelt ausgesprochen positiv auffällt ist der Familiencharakter und der Umstand, eine Messe mit Bewegung und Leben, ideal für einen Familienausflug, zu besuchen. Wenn nicht gerade Vorkriegsrennfahrzeuge über die eigens aufgebaute Rennstrecke donnern, sind historische Fluggeräte am Himmel zu bewundern. Meines Erachtens der richtige Weg, die Bevölkerung für die historische Mobilität zu begeistern und für sich zu gewinnen. Sehr schön ist auch die Idee, mit dem Oldtimer angereiste Besucher mitten ins Messegelände fahren zu lassen, um dort eine Art Freilichtmuseum zu schaffen.

Die Resonanz auf dem Gemeinschaftsstand der Deutschen Fachwerkstraße und der IKM war durchweg positiv. Sowohl unsere Infobroschüre als auch unser Flugblatt zum "Tag des offenen Denkmals" im September in Duderstadt fanden zahlreiche Abnehmer.

Auf unserem Infoportal unter www.kulturgut-mobilitaet.de haben wir wieder interessante und lesenswerte Berichte sowie Rezensionen für Sie bereitgestellt.

Konkret erwartet Sie sowohl die Geschichte des Mini, anlässlich dessen 50.Geburtstages als auch der Werdegang des Mercedes-Sterns (beide zu finden in unserer Rubrik "Historische Mobilität" ). Rezensiert wurden in unserer Literaturecke die Bücher "Audi-Automobile 1909-1940", erschienen anlässlich des 100.Geburtstages der Marke sowie der "Bugatti Typenkompaß". In unserem Bereich "Oldtimerrecht" finden Sie eine Abhandlung unseres Vorstandsmitglieds Michael Eckert über den Nutzungsausfall bei Oldtimern.

Ich hoffe, es ist etwas Lesenswertes und Informatives für Sie dabei.

Mit besten Grüßen aus Schwaben,
Ihr Mario De Rosa
stellvertretend für den Vorstand der Initiative