Kommentar: Danke für die Blumen, Herr Präsident!
Mehr der Not gehorchend als dem eigenen Triebe hat US-Präsident Barack Obama in den USA längst die Rolle des Super-Automanagers übernommen. Er muss sich mit General Motors und Chrysler rumschlagen und darf auch Ford nicht aus dem Blick verlieren. Da kommt die Diskussion um Kohlendioxid und Kraftstoffverbrauch gerade recht, um den Unternehmen zu zeigen, wo es langgeht. Bis 2016 sollen sie nun also den Kraftstoffverbrauch ihrer jeweiligen Flotten um 30 Prozent senken.
Obama geht es dabei nicht nur um den Klimaschutz. Doch die Einsicht in seiner Gesellschaft und bei den US-Medien, dass die „Treibhausgase“ gesenkt werden müssen, kommt ihm sehr gelegen. So kann er den Unternehmen, die in den USA produzieren und verkaufen, Ziele setzen, die zumindest die US-Unternehmen zwingen, sich grundsätzlich neu zu orientieren. Die Europäer werden die neuen CAFE-Standards (Corporate Average Fuel Economy) eher gelassen entgegen genommen haben. Denn die EU-Standards sind härter. Auch die deutschen Hersteller können die neuen Vorschriften als Kompliment an ihre technischen Fähigkeiten verstehen.
Obama hat neben der Umwelt seine Volkswirtschaft im Sinn, wenn er die Messlatte jetzt auf eine für die Amerikaner schwierig zu überspringende Höhe legt. Er will 2016 knapp zwei Milliarden Barrel Öl einsparen. Das entspricht etwa einem Zehntel des Ölverbrauchs der USA und in etwa der Menge, die die USA heute aus Saudi-Arabien, Libyen, Venezuela und Nigeria importieren. So verringert CAFE die Abhängigkeit der USA vom Ölimport und könnte gleichzeitig dazu führen, dass die Kapazitäten der Raffinierien in den USA endlich ausreichen. Das hätte für die Europäer den angenehmen Effekt, dass die Amerikaner nicht mehr den Benzinmarkt in Rotterdam leerkaufen, wenn das Benzin bei ihnen mal wieder knapp wird. Unsere Benzinpreise werden das zeigen – hoffentlich.
Die neuen Vorschriften werden auch Einfluss auf den US-Fahrzeugmarkt nehmen. Mal sehen, wie viele Amerikaner tatsächlich der Obama-Vision folgen. Folgen sie ihm, werden sie ihre Autokäufe aufschieben und warten, bis die neue Fahrzeuggeneration zur Verfügung steht. Folgen sie ihm nicht, werden sie sich rasch noch einen dicken Acht-Zylinder anschaffen, bevor es den nicht mehr gibt. Man darf wohl angesichts der Erfahrung mit dem erneut wachsenden Markt für die beliebten Trucks davon ausgehen, dass sich die Mehrheit dafür entscheiden wird, schnell noch einen Achtzylinder zu kaufen. So gesehen, ist der Sparbeschluss auch ein Konjunkturprogramm.
Auf jeden Fall weiß die US-Automobilindustrie jetzt, wo es langgeht. Obama verordnet ihnen das Umdenken mit dem weiteren Hintergedanken, sie weltweit wettbewerbsfähiger zu bekommen. Zu lange haben die US-Hersteller im eigenen Saft geschmort und Schulden angesammelt, statt die Autos zu bauen, die der Markt – und nicht nur der amerikanische – auch wirklich haben will.
Doch jetzt stellt sich die Frage, was Umdenken denn eigentlich bedeutet. In der Kürze der Zeit werden die Amerikaner sicher den Weg zu kleinen Turbo-Triebwerken nicht ohne Hilfe beschreiten können. Werden die amerikanischen Mütter jetzt die Technologien ihrer europäischen Töchter ausplündern? Kann sich dann General Motors (GM) eigentlich leisten, Opel jetzt gehen zu lassen? Kann man denn alles hybridisieren?
In den USA gilt der Elektroantrieb als eine der möglichen Antworten. Man muss seiner Flotte möglichst viele Fahrzeuge ohne Emissionen (Zero Emission Vehicles –ZEV) beimischen, um den Flottenverbrauch zu senken. Es ist eine Eigenart des statistischen Mittelwert, die hier in den Blick gerät: Jedes verkaufte Elektroauto rettet einem Dinosaurier das „Leben“.
Doch das Elektroauto als Massenprodukt ist noch lange nicht in Sicht, auch wenn Exoten wie Tesla die Phantasie immer wieder beleben. Vor 2012 werden wir keine nennenswerten Stückzahlen erleben. Und Käufer wird man auch erst einmal motivieren müssen. Dabei haben noch gar nicht die Frage diskutiert, wo denn der Strom herkommt. Etwa aus Kernkraftwerken? In den USA sicher. Die deutschen Elektroauto-Fans setzen dagegen auf erneuerbare Energien. Andere weisen darauf hin, dass ein Elektroauto in seiner Kohlendioxid-Bilanz trotz „zero emission“ nicht notwendigerweise besser dasteht als ein Benziner.
Die Amerikaner könnten zwei Drittel ihres Ziels erreichen, wenn sie sich auf den Dieselmotor einigen könnten. Aber das ist ja wohl nicht zu erwarten. Mehr als zehn Prozent Diesel-Anteil am US-Markt traut kaum ein Experte dem Selbstzünder für die kommenden Jahre zu. So viel „Not“ kann es für den typischen Amerikaner abseits der Großstädte gar nicht geben, dass der freiwillig und aus eigenem Triebe einen Diesel kauft. Auch in einem Elektroauto kann man sich ihn kaum vorstellen. Aber der Mensch ist lernfähig, also schau‘n wir mal. (ar/Sm)
Von Peter Schwerdtmann
Quelle: Auto-Reporter.net