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Die Motorradsaison beginnt

Kaum wehen die ersten lauen Winde und heben die Pflanzen vorsichtig ihre Triebe aus der Erde, da spürt man auch allenthalben wie die Freunde der motorisierten Zweiräder unruhig werden. Da wird geputzt, gewienert, geprüft und alles für die erste Ausfahrt im Frühling vorbereitet. Welch ein Glück, wenn man dann zur ersten Ausfahrt startet und das tolle Gefühl von Sonne, Luft und Freiheit genießen darf.

Immerhin fuhr das Motorrad schon vor dem Automobil. Am 10. November 1885 knatterte Gottlieb Daimlers Sohn Paul mit 0,5 PS auf zwei Rädern von Stuttgart-Bad Cannstadt nach Untertürkheim. Der erste Motorradausflug der Welt vor 124 Jahren über eine Entfernung von drei Kilometern konnte in die Geschichte der Motorisierung eingehen. Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach entwickelten 1883 den ersten schnell laufenden Prototyp eines Viertaktmotors. 1885 bauten sie einen kleinen, leichten Versuchsmotor in ein zweirädriges Holzgestell ein. Das Motorrad war erfunden. Der Einzylinder-Motor wog 60 Kilogramm und leistete 0,5 PS.

Im Auto + Technik Museum Sinsheim ist ein originalgetreuer Nachbau dieses ersten Motorrades zu sehen. Aber noch mehr Raritäten aus der Motorradgeschichte sind ausgestellt. Da gibt es zum Beispiel eine Hildebrand & Wolfmüller, das erste fabrikmäßig gebaute Motorrad als wunderschöne Replika. Ein mit einem Propeller angetriebenes Fahrrad erweckt unsere Neugierde und die weiße Mars, ein tolles Motorrad mit einem Zweizylinder Boxermotor den Maybach in Friedrichshafen baute.

Nach dem Ersten Weltkrieg bekam das Motorrad einen neuen Stellenwert. Seine Vorzüge als einfaches, motorisiertes Fortbewegungsmittel, welches für eine relativ breite Bevölkerungsschicht erschwinglich wurde, führten zu steigender Nachfrage und ständig zunehmender Verbreitung. Es kam zur Gründung von Hunderten von Motorradfirmen. Dabei entstanden neben vielen unvollkommenen auch technisch hochinteressante und anspruchsvolle Konstruktionen.

Als Hitler ab 1935 aufrüstete und der Aufbau der Wehrmacht explosionsartig vonstatten ging, war auch ein gewaltiger Bedarf an Motorrädern zumal noch kein leichtes, wendiges Kraftfahrzeug wie später der VW Kübel zur Verfügung stand. Viele der von den Streitkräften benutzten Motorräder und Seitenwagenmaschinen stehen im Museum. Auch das amerikanische Pendant die Harley Davidson Militärmaschine ist zu sehen. Nicht zuletzt ein Motorrad auf Ketten, das legendäre NSU-Kettenkrad bereichert die Ausstellung.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Motorrad erst recht zum Volksmobil bevor der Kleinwagen an seine Stelle trat. Das Auto war noch ein Luxusartikel. Viele Motorroller rollten über unsere Straßen. Erst die Wohlstandsgesellschaft ließ die Motorradproduktion radikal sinken. Das Auto war zum Statussymbol für Jedermann geworden. Aber viele Enthusiasten sind dem Motorrad treu geblieben und freuen sich auf den Frühling.

Deutschland war einmal das Land mit der umfangreichsten Motorradproduktion der Welt. Viele klingende Namen sind auch heute noch bekannt, obwohl die Produktion schon lange eingestellt ist. Ca. 100 Motorräder vom Mofa bis zu den Rennboliden der Nachkriegsjahre machen einen Ausflug in das Auto + Technik Museum Sinsheim zu einer Reise in die Vergangenheit der motorisierten Zweiräder.