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Gastkommentar: Überall Widersprüche

Die Kanzlerin liebt den internationalen Auftritt. Die Mühsal innenpolitischer Diskussionen und die Bewältigung von Konflikten durch harte Entscheidungen liegen ihr nicht. In der Koalition sucht die harmoniesüchtige Kanzlerin immer den Konsens unsäglich schwacher Kompromisse, meist zulasten eindeutiger Unions-Programmatik. Ihre Art, immer wieder lächelnd auf die SPD zuzugehen, wird in der Union zwar kritisch gesehen, laut aufzubegehren, traut sich kaum einer.

Die Kanzlerin tritt nur dann scheinbar stark auf, wenn innenpolitisch keine Konflikte abzusehen sind. Den Papst zu kritisieren, fällt ihr deshalb leicht, weil es natürlich über alle Parteigrenzen hinweg klar ist, dass man den Holocaust weder leugnen noch Leugner in Schutz nehmen darf, wie es der Papst zu tun scheint. Frau Merkel spricht immer dann ein Machtwort, wenn es keiner Macht bedarf, es auszusprechen. Es klingt aber so.

Auch auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos spielt sie diese Rolle. Staatstragend und sich der internationalen Aufmerksamkeit bewusst, redet sie den USA und dem neuen Präsidenten ins Gewissen. Obwohl sie selbst nicht so recht zwischen Umschuldung und Schuldentilgung zu unterscheiden weiß, gibt sie den USA gute Ratschläge, wie die Finanzkrise nicht zu bewältigen sei: durch Protektionismus. Wohlgemerkt: Sie weiß auch nicht wie, aber sie weiß, wie nicht. Und das sagt sie dann sehr deutlich: Milliarden-Subventionen für die amerikanische Autoindustrie würden auf jeden Fall den Wettbewerb verzerren. Zur offenen Weltwirtschaft gebe es keine Alternative. Auch hier stellt sie Selbstverständliches so dar, als würde daran jemand zweifeln. Auch die USA setzen natürlich auf den Freihandel.

Warum ist die Rede Merkels in Davos der Rede wert? – Weil genau am selben Tag ihr Finanzminister im Bundestag ungefähr das Gegenteil sagt: Der Bundesfinanzminister verteidigt die Staatshilfen für die deutsche Autoindustrie mit den Worten, dass man sie „nicht versacken lassen“ dürfe. Diese Leitindustrie sei schützenswert, weil jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland davon abhänge. Widersprüchlicher kann Politik nicht auftreten. Denn die Wahrnehmung ist die, dass die USA falsch handeln, wenn sie ihrer Industrie helfen, Deutschland aber das Richtige tut, wenn es über Bürgschaften für Opel nachdenkt und eine Abwrackprämie einführt. Also das klingt zumindest nach doppelter Moral.

Tatsächlich haben beide Recht, denn während die USA Milliarden in amerikanische Autounternehmen pumpen, um sie am Leben zu erhalten, unterstützt die Abwrackprämie in Deutschland tatsächlich auch ausländische Hersteller. Die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung ist aber nicht die beste. Denn sonst würde deutlicher und klarer werden, was die Bundesregierung meint, wenn sie gegen US-Subventionen bei den „Großen Drei“ argumentiert, gleichzeitig aber die Autoindustrie in Deutschland unterstützt.

Aber widersprüchlich ist auch die Kommunikation verschiedener deutsche Autohersteller und des VDA. Hatten sie noch vor zwei Jahren lautstark deutlich gemacht, dass der Hybridantrieb im Grunde genommen physikalisch (Gewicht, Batterieentsorgung) nicht so effizient ist wie ein sparsamer Diesel, heißt es nun, dass der Hybrid ein Höchstmaß an Sparsamkeit garantiere. Eigentlich ein Widerspruch, der nur durch das schnelle Vergessen von Meinungen so unauffällig bleibt.

Deutlich wird aber, dass der Hybridantrieb ganz klar nicht aus Notwendigkeit kommen wird, sondern auf Druck des Marktes. Kein Unternehmen kann es sich noch leisten, ihn nicht im Programm zu haben. Allerdings, und hier muss man die deutschen Hersteller wieder loben, bringen sie den Hybrid nicht allein um des Hybrids willen auf den Markt, sondern streben wieder mal nach technologischer Vollendung. Der Ehrgeiz, die beste Lösung zu bringen, überwiegt sogar den Drang nach höherer Rendite.

Es ist falsch, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck gepflegt wird, die deutsche Autoindustrie hätte den Trend zum Hybrid verschlafen. Wahr ist aber, dass der Hybrid tatsächlich nicht das allein selig machende System ist, um die Flottenverbräuche weiter zu senken. Und wenn deutsche Politiker nun sagen, die deutsche Autokrise sei der falschen Modellpolitik geschuldet, dann kann man ob solcher Ahnungslosigkeit nur den Kopf schütteln.

Als die gleichen deutschen Politiker – es ist kein Jahr her – Deutschland auch „dank der Autoindustrie“ als „Exportweltmeister“ loben konnten, war die Begeisterung für „die automobile Innovationskraft“ in fast jeder Politiker-Rede zu hören. Heute kritisiert CDU-Fraktionschef Kauder die Autoindustrie, die falschen Autos zu bauen. Auch hier gilt: Widersprüche überall. (ar/PS/HU)

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes „PS-Automobileport)

Von Hans-U. Wiersch

Quelle: Auto-Reporter.net