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Zu wertvoll für den Schrott

Viele gut erhaltene Autos werden abgewrackt / Händler haben kaum noch Fahrzeuge vorrätig

von David Schellenberg

Lübbecke. Seine Worte sind an Deutlichkeit nicht zu überbieten: "Es ist eine Schande, was durch die Abwrackprämie in Gang gesetzt wurde", sagt der Lübbecker Autoverwerter Michael Muth. Die Autos, die er jetzt ausschlachten und verschrotten soll, könnten gut noch ein paar Jahre laufen - teilweise mit dem Euro-4-Umweltstandard. Die Autohändler hingegen frohlocken.

Pausen kennt Michael Muth derzeit nicht. 10 bis 20 alte Autos täglich holt er derzeit von Autohändlern und Privatpersonen mit seinem Transporter auf seinen Hof. Dort wird dann das Benzin und Öl abgelassen wie es der Gesetzgeber vorschreibt. "Zudem bauen wir alles ab, was sich irgendwie als Ersatzteil verwerten lässt", erzählt Muth. Dieses Geschäft läuft gut.

Das bestätigt Fred Kirscht von der Autoverwertung Be-Ki. Auch bei ihm stehen zahlreiche Kunden mit Fragen rund um die Abwrackprämie im Büro. Viele wollen ein Auto loswerden, dass sie gut und gerne noch ein paar Jahre hätten fahren können. "Kürzlich kam einer, dessen Auto hatte ein frisches TÜV-Siegel. Dafür hatte er einige hundert Euro investiert", berichtet Kirscht.

Das er jetzt solche Autos ausschlachten muss, sei ärgerlich, auch wenn er sein Ersatzteillager auffüllen kann.

Allerdings befürchten die Verwerter, dass der kurze Aufschwung zum Bumerang werden könnte, denn die alten Wagen, für die sie Ersatzteile anbieten, sind dann nicht mehr auf dem Markt. "Das würde dann nicht nur uns, sondern auch die Werkstätten treffen, die dann kaum noch Autos zum Reparieren haben", sagt Michael Muth. Deshalb will seine Firma, die fünf Angestellte hat, keine neuen Mitarbeiter einstellen, auch wenn derzeit sehr viele Überstunden anfallen.

Viel Arbeit gibt es wegen der Abwrackprämie auch bei den Autohändlern. Im Autohaus Schmale ist die Kaufinteresse in den vergangenen Wochen um rund 50 Prozent gestiegen, berichtet Geschäftsführer Fritz Schmale. Vor allem Kleinwagen und günstige Einstiegsmodelle seien gefragt.

"Neben Kunden, die für ihr sehr altes Auto ein neues anschaffen sind auch viele, die jetzt ihren Zweitwagen tauschen. Das hält sich etwa die Wage", sagt Schmale. Aber auch teurere Fahrzeuge werden nachgefragt. So hat Manuel Wehmeyer vom Smart-Autohaus Weitkamp derzeit alle Hände voll zu tun. "Es ist sehr viel los", sagt er. 50 Prozent mehr Käufer seien eine realistische Marke.

Die Nachfrage führt bereits zu Lieferengpässen. Jahreswagen bestimmter Modelle seien bereits nicht mehr verfügbar, sagt Seat-Verkaufsberater Andreas Brosend vom Autohaus Schneider.

Auch bei Neuwagenmodellen müsse inzwischen mit den üblichen Lieferzeiten von sieben bis acht Wochen gerechnet werden. "Um den Jahreswechsel hatten wir einen sehr hohen Lagerbestand. Davon ist nichts mehr da. Die Kunden rufen bereits aus einem Umkreis bis zu 300 Kilometern an", berichtet Brosend. "Wir legen sogar Nachtschichten ein, um noch die Büroarbeiten zu erledigen."

Das Problem dabei: Die Abwrackprämie von 2.500 Euro wird erst bezahlt, wenn der Neuwagen zugelassen wird. Das Risiko, dass die Förderung bereits ausgeschöpft ist, die deutschlandweit auf 600.000 Autos beschränkt ist, trägt der Käufer. "Wir übernehmen zwar gern die Formalitäten im Namen des Kunden, können aber die Prämie nicht im Voraus verrechnen", betont Schmale.

Vor allem bei Wunschautos mit zusätzlichen Details, die erst im April oder später ausgeliefert werden können, sei die Prämie in Gefahr, ergänzt Wehmeyer.

Autohändler wie Verwerter freuen sich über die Konjunkturspritze durch die Abwrackprämie. Allerdings fürchten auch sie einen erneuten Einbruch, wenn die Abwrackprämie ausgeschöpft ist. "Vielleicht sagen die Leute aber: Mein Nachbar ein neues Auto, jetzt kaufe ich ebenfalls eines", hofft Verkäufer Brosend.

Quelle: Neue Westfälische Zeitung