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Brief an den Bundesrechnungshof zur Besteuerung von Oldtimern

Der Bundesrechnungshof hat mit seinen Bemerkungen 2022 Nr. 36 mit der Überschrift „Immer mehr Oldtimer-Kennzeichen für Alltagsfahrzeuge: Hoher Steuerverzicht und Schadstoffbelastung“ eine Abschaffung der Pauschalsteuer für H-Kennzeichen gefordert und eine Alltagsnutzung unterstellt. Die Initiative Kulturgut Mobilität e.V. hat den Präsidenten des Bundesrechnungshofs daher angeschrieben.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Scheller,

mit Entsetzen hat die Initiative Kulturgut Mobilität e.V. die Ausführungen 2022, Nr. 36 des Bundesrechnungshofes mit der Überschrift „Immer mehr Oldtimer-Kennzeichen für Alltagsfahrzeuge: Hoher Steuerverzicht und Schadstoffbelastung“ zur Kenntnis nehmen müssen. Entsetzt deshalb, da die darin beschriebenen Sachverhalte in erheblichem Maße irreführend und in Teilen schlicht unzutreffend sind.

Meine Kritik möchte ich nachfolgend begründen.

Punkt 36.1 Prüfungsfeststellungen

In diesem Punkt kritisieren Sie die Ihres Erachtens geringe Pauschalbesteuerung von historischen Fahrzeugen und gehen dabei indirekt auf eine mutmaßliche Alltagsnutzung dieser Fahrzeuge ein. Mehrmals erhobene Studien haben die Mär der überbordenden Alltagsnutzung historischer Fahrzeuge inzwischen wiederholt widerlegt. Aktuell liegt die „Classic-Studie 2023 Wirtschaftsfaktor Young- und Oldtimer 2023“ der BBE Automotive GmbH in der nunmehr fünften Auflage vor, in welcher die durchschnittliche Fahrleistung eines H-Kennzeichen-bewehrten klassischen Fahrzeugs mit 1600 km pro Jahr angegeben wird, was 0,2% der jährlichen Fahrleistung des Gesamt-PKW-Bestands in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Ein im Alltag genutztes Fahrzeug weist lt. KBA-Inländerfahrleistung für das Jahr 2021 eine PKW-Laufleistung von durchschnittlich 12843 km pro Jahr auf. Bezogen auf den gefahrenen Kilometer bezahlt der Besitzer eines mit H-Kennzeichen zugelassenen historischen Fahrzeugs 0,12 EUR. Verglichen beispielsweise mit 0,01 EUR pro gefahrenem Kilometer einer aktuellen Mercedes-Benz C-Klasse-Limousine, C200, 1496 ccm, 204 PS, und einem CO2-Ausstoß von 163 g/km (Quelle: Mercedes-Benz). Eine Subventionierung klassischer Fahrzeuge stellen wir nicht fest. Dieselfahrzeuge sind mit 11% Anteil am Bestand historischer Fahrzeuge in der Betrachtung nahezu irrelevant.

Weiter geben Sie an, der Bestand an Oldtimern mit H-Kennzeichen habe sich verdreifacht. Diese Aussage ist formal richtig. Es sind 704000 historische Fahrzeuge mit H-Kennzeichen zugelassen (Quelle: BBE-Studie). Allerdings geht aus dieser Zahl nicht der Mehrfachbesitz eines einzelnen Besitzers hervor, was die Gesamtlaufleistung aufgrund der Verteilung der gefahrenen Kilometer auf mehrere Fahrzeuge nicht erhöht. Darüberhinaus sind inzwischen (lt. BBE-Studie) 553211 Fahrzeuge älter als dreißig Jahre, welche nicht mit H-Kennzeichen zugelassen sind. Dieser Anteil steigt künftig zulasten der mit H-Kennzeichen zugelassenen historischen Fahrzeuge, da diese über eine geregelte Abgasreinigung verfügen und somit weder steuerlich noch in Bezug auf die Einfahrt in Umweltzonen einen Vorteil haben. Zusätzlich wird durch die ab den 1990er-Jahren vermehrte Verwendung elektronischer Komponenten und Assistenzsysteme der Erhalt und die Wartung von Fahrzeugen durch fehlende Ersatzteile entweder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht. Eine Zunahme von Fahrzeugen, die in Zukunft das das Alter von dreißig Jahren überschreiten, sehen wir daher insgesamt nicht.

Auch gehen Sie kurz wie folgt auf Steuermindereinnahmen ein: „Durch Zunahme der H-Kennzeichen wechselten zwangsläufig immer mehr Oldtimer bei der Kraftfahrzeugsteuer von der Regelbesteuerung in die günstigere Pauschalbesteuerung.“ Hier scheint es sich um eine Schätzung ohne belastbaren Nachweis des Bundesrechnungshofs zu handeln. Zu diesem Punkt verweise ich überdies auf meine Ausführungen in vorigem Absatz. Außerdem: Je weniger Fahrzeuge über 30 Jahre mit Abgasnachbehandlung auf ein H-Kennzeichen zugelassen werden, desto geringer können die Steuereinnahmen daraus ausfallen.

Ihre Rechnung beschreibt sehr einseitig lediglich eine angenommene Mindereinnahme durch die Pauschalbesteuerung historischer Fahrzeuge mit H-Kennzeichen. Die Steuereinnahmen durch den gesamten Oldtimer-Sektor läßt die Betrachtung Ihres Hauses ungerechtfertigterweise völlig außer Acht. Aus der „Classic-Studie 2023 Wirtschaftsfaktor Young- und Oldtimer 2023“ der BBE Automotive GmbH, darf ich zitieren: „Dabei sind Old- und Youngtimer ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Das Reparatur- und Wartungsvolumen für die echten Old- und Youngtimer beträgt 3,8 Milliarden Euro. Jedes Fahrzeug verursacht pro Jahr etwa 1.300 bis 1.600 Euro an Reparaturkosten, hinzu kommen bei Oldtimern teilweise teure Restaurierungen. Etwa 10.000 Mitarbeiter haben einen Arbeitsplatz bei den Werkstätten, die auch Classic-Cars reparieren. Hinzu kommen jeweils 50 spezialisierte Teile- und Fahrzeughändler.“ Somit sind die Ihrerseits prognostizierten Mindereinnahmen bei der KFZ-Steuer durch eine nicht belegbare Alltagsnutzung historischer Fahrzeuge mit H-Kennzeichen mehr als nur kompensiert und für den Finanzhaushalt der Bundesrepublik Deutschland keineswegs zu vernachlässigen. Durch eine negative Änderung der Oldtimerbesteuerung drohen Stillegungen historischer Fahrzeuge mit all den nachgelagerten negativen Effekten für den Wirtschaftszweig und dadurch eine reale Minderung des damit verbundenen Steueraufkommens.

Punkt 36.2 Würdigung

Ihre Aussage, Oldtimer mit H-Kennzeichen würden im Alltag eingesetzt, ist ohne die Führung eines Nachweises eine Unterstellung. In diesem Zusammenhang fehlt die belastbare Angabe, wie Ihr Haus den Alltagseinsatz des historischen Fahrzeugs mit H-Kennzeichen definiert und wie der Nachweis geführt wird. Bereits die Versicherungen legen eine maximale Fahrleistung fest und verlangen den Nachweis eines Alltagsfahrzeugs neben dem historischen, um eine übermäßige Alltagsnutzung zu verhindern. Die praktisch nicht nennenswerte Schadensquote bei historischen im Vergleich zu Alltagsfahrzeugen widerspricht im Übrigen der Annahme übermäßiger Nutzung und unterstellt den Besitzern klassischer Fahrzeuge ungerechtfertigt Mißbrauch Ihrerseits. Außerdem schließt die Vergabe des H-Kennzeichens eine alltägliche Nutzung nicht aus. Ein solches Kennzeichen kann überdies nur dann erlangt werden, wenn das zur Abnahme vorgeführte Fahrzeug festgelegte Kriterien erfüllt. Siehe nachfolgenden Abschnitt 36.3 Stellungnahme.

Die von Ihnen angeführten Schadstoffemissionen entstehen bei der Nutzung der Fahrzeuge, somit im Fahrbetrieb. Wie bereits ausgeführt, sind diese bei der jährlichen durchschnittlichen Nutzung von 1600 Kilometern im Vergleich zur Gesamtbilanz der Schadstoffemissionen des Verkehrssektors vollkommen irrelevant. Im Übrigen bestätigt durch das Umweltbundesamt, dessen Vertreter Helge Jahn am 21.10.2022 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk bestätigte, daß der Einfluß der Oldtimer bei der Verkehrswende sehr gering sei und dies auf den vernachlässigbaren Bestand von 1% des gesamten Fahrzeugbestands zurückführte.

Punkt 36.3 Stellungnahme

Bzgl. der angeblichen Lockerung der Voraussetzungen für die Zuteilung eines H-Kennzeichens fehlt der entsprechende Nachweis, weswegen diese Annahme als spekulativ gewertet werden muß. Die Anforderungen an die Beschaffenheit eines historischen Fahrzeuges wurden seit der Einführung der H-Kennzeichens 1997 mitnichten gelockert, sondern verschärft. Ein H-Kennzeichen kann nur zugeteilt werden, wenn das vorgeführte Fahrzeug mindestens 30 Jahre alt, in einem guten Zustand ist und weitgehend dem Originalzustand entspricht. Die Originalität muß in allen Hauptbaugruppen gegeben sein. Ein Fahrzeug, welches dreißig Jahre ununterbrochenen Alltagseinsatz in allen Jahreszeiten unter allen Wetterbedingungen hinter sich hat, wird diese Kriterien kaum erfüllen können. Insofern trennt sich an dieser Stelle bereits Spreu vom Weizen, was die Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes betrifft. Sorge dafür tragen nicht nur die Prüfingenieure der Überwachungsorganisationen durch die Erstellung eines Gutachtens nach §23 StVZO sondern insbesondere die konsequente Anwendung der „Arbeitsanweisung für Oldtimer im Arbeitskreis Erfahrungsaustausch in der technischen Fahrzeugüberwachung (AKE)“.

Abschließend noch Bemerkungen abseits der spröden Betrachtung finanzieller Auswirkungen und Formalia.

Die bereits mehrfach angesprochene „Classic-Studie 2023 Wirtschaftsfaktor Young- und Oldtimer 2023“ der BBE Automotive GmbH hat auch die Wirkung historischer Fahrzeuge auf die Bevölkerung erhoben. Demnach ist deren Einstellung nicht nur zum Oldtimer, sondern dem Auto insgesamt, positiv, denn 90% der befragten Autofahrer wollen ein Auto besitzen und haben auch Spaß daran. 76% sehen in Oldtimern ein Kulturgut. Zwei Drittel der Befragten können als Oldtimerfans bezeichnet werden, lediglich ein knappes Viertel steht dem Oldtimer skeptisch gegenüber. 14% sind neutral, über 70% freuen sich, einen Oldtimer auf der Straße zu sehen und 37% interessieren sich dafür. Dies beweist die hohe Emotionalität, die mit dem Auto insgesamt und mit dem historischen Fahrzeug im Besonderen verbunden ist.

Bei klassischen Fahrzeugen handelt es sich inzwischen, die oben genannten 76% belegen dies eindrucksvoll, um mobiles Kulturgut. Die Beschäftigung mit allen Ausprägungen dieses Komplexes trägt zum Erhalt eines technischen Erbes für nachfolgende Generationen bei. Der Zugang zu diesem Hobby darf jungen Menschen durch eine finanzielle Verschärfung nicht erschwert werden. Die Auseinandersetzung ist als sinnstiftend und mit hohem Wissenstransfer behaftet zu betrachten. Da die älteren Generationen zunehmend aus unterschiedlichen Gründen aus der Auseinandersetzung mit dem historischen Fahrzeug ausscheiden werden, ist der Erhalt des technischen Kulturguts durch die Weitergabe der angesammelten Kenntnisse an junge Interessierte elementar. Es drohen in diesem Zusammenhang traditionelle Handwerkstechniken und damit verbundene Handwerksunternehmen verloren zu gehen. Dies steht im krassen Gegensatz zur Mission der Weltkulturorganisation UNESCO, deren Leitlinie die Weitergabe und der Erhalt von Wissen und Können der Menschheit ist. Treten wir die über Jahrhunderte entstandene kulturelle, auch die technische, Vielfalt mit Füßen und verhindern wir die Ausübung derselben durch schier unüberwindliche Zugänge, degradieren wir das Leben, gespeist durch Vielfalt und Sinn, zur bloßen Existenz eines ordinären Steuerzahlers.

Sehr geehrter Herr Scheller, gerne stehe ich Ihnen bei Bedarf für einen vertieften Austausch zur Verfügung.

Mit herzlichen Grüßen

Mario De Rosa

Erster Vorsitzender