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Der Countdown für die Räumung des Autofriedhofs läuft

Die Szenerie ist gespenstisch. Ein Hauch von Schnee und viel Laub liegt wie eine dünne Decke des Vergessens über den Dächern der unzähligen Oldtimer. In der Ferne blitzen die Alpengipfel durch die dürren Baumwipfel am Rand der Anlage. Eigentlich ist der Autofriedhof Kaufdorf seit Ende Oktober endgültig geschlossen.

Zeugen einer vergangenen Kunstausstellung türmen sich vor dem Horizont. Ein Räumungsbescheid für Ende März 2009 liegt vor. Wir wollen einen letzten Blick werfen, auf die Ansammlung von mobilem Kulturgut, die leise vor sich hin stirbt. Marc Renaud, Sprecher des Fördervereins "Autofriedhof Kaufdorf" schließt noch einmal für unser Kamerateam auf.

Zwischen Vorwurf und Faszination ist viel Platz für Gefühle beim Anblick der vielen, vielen Oldtimer. Manche könnte man retten, einige sind hoffnungslos verloren. Wie kann man solche Schätze so vor sich hin rosten lassen? Unglaublich, welche Symbiosen die Natur mit dem sterbenden Material eingeht. Kaum zu glauben, dass Eigentümer Franz Messerli die Fahrzeuge verschrotten will, wenn sein Widerstand gegen das Räumungsurteil keine Früchte trägt.

Begonnen hatte alles in den Dreißigern. Walter Messerli schlachtete auf dem elterlichen Hof alte Autos aus. Der Ersatzteilehandel florierte. Statt in der Schrottpresse landeten die Teil-Ausgeweideten hinter dem Haus. Studebaker, Mercedes, DKW, Tatra, Dodge, Lancia, Renault und viele mehr - in langen Reihen wurden sie jahrelang dicht an dicht nebeneinander gestellt. Zwei langen Hallen bergen Spuren einstiger Ordnung, Reste eines begonnenen Projektes: Türen wurden zu Türen sortiert, Stoßstange liegt sorgsam an Stoßstange. Die meisten Fahrzeuge stammen aus den 40er bis 60er Jahren, wenige aus den 30ern, einige aus den 70ern. Etwa 1975 zog sich Vater Messerli aus dem Geschäft zurück und übergab an Sohn Franz. Franz Messerli schätzt, dass es etwa 200 Fahrzeuge auf dem Gelände sein müssten. Es sieht nach viel mehr aus.

Mittlerweile ist die rostige Ansammlung selbst als Alteisen nur noch für 200.000 SFr zu verkaufen. Monatlich verursacht der Schrottplatz Kosten von ca. 30.000 SFr, für die nach Schweizer Recht die Gemeinde Kaufdorf einspringen muss, wenn Franz Messerli die Mittel fehlen. Messerli gilt in der Schweiz als schillernde Figur - ein ehemaliger Ferrari-Besitzer, der mit einem historischen Maserati auch Rennen fuhr, der bei einer Keller-Überflutung seine Altersvorsorge in Form von 40 Oldtimern verlor und nun auch seine Autoverwertung von der Freifläche verschwinden lassen soll. Sprecher Marc Renaud: “Das komplette Erdreich soll einen Meter abgegraben und entsorgt werden. Da läuft doch jetzt nichts mehr aus den Autos aus. Sehen sie mal, was hier alles wächst."

Durch den dünnen Schnee und die Schicht aus Laub recken sich dicke Brombeerranken. Eine typisch anspruchslose Pflanze, die gut auf Brachland gedeiht. Dazwischen wachsen schmale, hohe Bäume gen Himmel. Mancher kämpft sich durch einen Kofferraum, ein anderer scheint einen Autoteil förmlich zu umschlingen und als Stütze zu nutzen. Auf Dachdellen zittern zarte Sprösslinge im kalten Wind. Efeu windet sich durch eingedrückte Glasscheiben entlang der A-Säule und über die Motorhaube. Brennnesseln, vom Winter dahingerafft, geben den Blick frei auf Reifen, die nur noch zur Hälfte aus dem ansteigenden Morast der vergangenen Jahre ragen. Hier und da huscht ein Waldtier durch die bedrückende Ruhe. Friedhofsstille.

"Jetzt," so Marc Renaud zur Berner Zeitung vor wenigen Tagen "hat sich ein wohlhabender Mann aus Dubai gemeldet, der Interesse hat einzusteigen. Er war im Sommer hier und war begeistert." Ein Hoffungsschimmer? Beim Spaziergang über die eigens für Besucher auf Stelzen gebauten Holzwege scheint es, als wäre Frieden eingekehrt an einem Ort, um dessen Bewahrung so emotional gerungen wird. Wären da nicht einige hässliche Überbleibsel von der vergangenen Kunstausstellung: Koffer, Plastik-Spielzeug und anderer nicht verrottende Dinge aus der Neuzeit " man könnte in musealen Natur-Gefühlen schwelgen " statt mit dem Eindruck einer Entsorgungsstätte zu hadern.

Marc Renaud kämpft weiter für ein Freilicht Museum: "Durch unser Projekt soll eine spätere Räumung mit eigenen Mitteln bezahlt werden können. Wir möchten Geld auf ein Sperrkonto anlegen. Unsere Marktanalyse des Museumsbetriebs rechnet mit einem Jahresumsatz von 100000 bis 150000 Franken. Nach 15 bis 20 Jahren wäre eine halbe Million beisammen, um das Gelände zu räumen."

Januar 2009 Désirée Rohrer

Quelle und Film zum Thema: Oldtimer-TV