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Das Autoradio: Mercedes-Benz Museum Inside Nr. 32/2021

  • Vom Radio im Armaturenbrett zu Multimediainhalten in MBUX
  • Musik und Verkehrsnachrichten als Soundtrack zur Autofahrt
  • „33 Extras“: Exponate der Automobilkultur im Mercedes-Benz Museum

160 Fahrzeuge und insgesamt 1.500 Exponate präsentiert die vielfältige Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums. Ein besonderer Bestandteil sind die „33 Extras“: Sie lassen am Beispiel oft überraschender Details Mobilitätshistorie und Automobilkultur lebendig werden. Die Newsletter-Reihe Mercedes-Benz Museum Inside lenkt den Blick auf die „33 Extras“ und bringt ihre Geschichten auf den Punkt. In der heutigen Folge geht es um das Autoradio.

32/33: Das Autoradio

Klang der Mobilität: Seit 135 Jahren ermöglicht das Automobil individuelle Mobilität. Und das Autoradio liefert seit rund 100 Jahren den Klang dazu. Über viele Jahrzehnte gilt: einfach einschalten, Frequenz auswählen und schon tönt der Lieblingssender aus dem Lautsprecher. Radio informiert und unterhält, auf dem Weg zur Arbeit oder während der Fahrt in den Urlaub. Die heutige Medientechnik des digital vernetzten Fahrzeugs bietet sogar Möglichkeiten, die weit über Unterhaltungsprogramm, Nachrichten und Verkehrsfunk hinausgehen.

Radio mobil: Erste Autoradios entstehen in den frühen 1920er-Jahren zunächst in den USA als Einzelstücke technikverliebter Bastler auf Grundlage der damaligen Röhrentechnik. In Europa schaut man zunächst staunend auf diese Entwicklung. Am 13. August 1922 berichtet beispielsweise die „Berliner Illustrirte Zeitung“ über „die ‚Drahtlose‘ als Zeitvertreib – die neueste Mode in Amerika“ und bebildert den Artikel mit einer Radioinstallation samt quer über die Frontscheibe gespannter Antennenanlage. Die Begeisterung am mobilen Radioempfang wächst schnell: Die deutsche Fachzeitschrift „Funkschau“ schreibt am 1. Juni 1931: „Kein Zweifel: Auto und Radio passen glänzend zusammen. Die Geschwindigkeit der Ortsveränderung, die der Wagen gestattet, findet ihre Ergänzung in der räumlichen Ungebundenheit des Radios.“

Autorundfunk für Europa: An der technischen Weiterentwicklung beteiligen sich in den 1920er-Jahren beispielsweise auch die United American Bosch, ein Tochterunternehmen des deutschen Unternehmens. So stammt das erste serienmäßig in Europa gefertigte Autoradio schließlich auch von Bosch. Es heißt Autosuper 5 (AS5) und wird 1932 vom Tochterunternehmen Ideal-Werke (die im selben Jahr den Markennamen Blaupunkt einführen) auf der Funkausstellung in Berlin präsentiert. Das 15 Kilogramm wiegende Gerät kostet die stattliche Summe von 465 Mark. Doch dieser Preis fällt bei den wohlhabenden Kunden kaum ins Gewicht. Denn noch ist das Autoradio eine hochexklusive Sonderausstattung in meist noblen Autos.

Integration: Zu dieser Zeit ist es üblich, dass nur die kompakte Bedieneinheit direkt am Armaturenbrett befestigt ist. Das voluminöse Empfangsteil und der Verstärker hingegen finden an anderer Stelle Platz: etwa im Kofferraum. Das AS5 ist bereits vergleichsweise kompakt, und die Technik kann unterhalb des Armaturenbretts verbaut werden. Wenige Jahre später wird das Autoradio nahtlos ins Fahrzeug und dessen Bedienkonzept integriert. Beispielsweise über eine runde Senderskala direkt neben den Instrumenten im Blickfeld des Fahrers, wie Mercedes-Benz es unter anderem im Typ 770 „Großer Mercedes“ verwirklicht.

Kompakt und ab Werk: Nach dem Zweiten Weltkrieg werden Autoradios dann noch einmal deutlich kompakter und können komplett ins Armaturenbrett integriert werden. Etwa im Mercedes-Benz 170 S (W 136), dem ersten Oberklassefahrzeug der Marke nach dem Zweiten Weltkrieg: Radios wie das 1949 vorgestellte Becker AS 49 sind für diesen Typ ab dem 28. Februar 1950 als Sonderausstattung lieferbar. Ein eng verwandtes Autoradio vom Typ Becker Solitude mit Rundskala ist das Exponat aus der Reihe der „33 Extras“ im Mercedes-Benz Museum.

Komfort und Information: Mit dem Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre startet auch das Autoradio in eine neue Blütezeit. Ultrakurzwellensender (UKW) bieten eine bessere Empfangsqualität. Weitere Innovationen in den 1950er-Jahren sind Stationstasten und Sendersuchlauf. Transistortechnik, Kassettenlaufwerk und Stereoklang folgen in den 1960er-Jahren. In den 1970ern wird das Autofahrer-Rundfunk-Informationssystem (ARI) eingeführt, das Verkehrsmeldungen im Programm automatisch erkennt und die Lautstärke leicht anhebt.

Digitalisierung: Seither wird der Rundfunkempfang im Auto kontinuierlich um ein ganzes System digitaler Medien- und Informationstechnik erweitert. Entscheidende Schritte sind unter anderem die Integration des CD-Spielers in den 1980er-Jahren und die Verknüpfung mit der Navigationstechnik in den 1990er-Jahren. Ein Meilenstein für die Vernetzung der Systeme in Mercedes-Benz Automobilen ist die Einführung des Anzeige- und Bediensystems COMAND. Es hat 1998 in der S-Klasse der Baureihe 220 Weltpremiere. Heute ist das Autoradio bei Mercedes-Benz Teil des lernfähigen und individualisierbaren Infotainmentsystems MBUX (Mercedes-Benz User Experience).

High Fidelity: Ob digitaler Rundfunk, Streaming übers Smartphone oder MP3 vom USB-Stick; wer heute im Auto Musik auf klanglichem Topniveau genießt, profitiert von der vielfältigen Technikgeschichte des Autoradios. Manche Ideen wie der mobile Schallplattenspieler finden keine große Verbreitung. Andere Erfindungen wie der CD-Wechsler im Handschuhfach sind beliebt aber schon bald von der Entwicklung der digitalen Medientechnik überholt.

Akustisches Lebensgefühl: An der Faszination des individuellen Soundtracks zur Fahrt im Auto mit bestem Klang hat sich jedoch nichts geändert. Ob Informationsprogramm oder Musik, im klar abgegrenzten Raum des Fahrzeugs schafft sich jeder sein persönliches akustisches Ambiente. Die einen schätzen Wortbeiträge, andere hören vor allem ihre Lieblingsmusik und singen lauthals mit. Und dass jemand auf der Autobahn ein paar Ausfahrten verpasst, weil der Podcast gerade so spannend ist hat es auch schon gegeben. In jedem Fall ist Entertainment nicht allein eine Klangkulisse, sondern spricht die Sinne an.