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Diskussionsbeitrag der FIVA zum Grünbuch der Europäischen Union

Das aktuelle Grünbuch („Green Paper“) der Europäischen Union (EU) zum Thema „Hin zu einer neuen Kultur städtischer Mobilität“ ist ein Diskussionspapier mit dem Zweck, eine breite Debatte zum Thema innerstädtische Fahrzeugnutzung in Gang zu setzen. Seitens der EU wird hierbei eine Vielzahl von Ideen und Fragen aufgeworfen, die mit Beiträgen Einzelner oder betroffener Organisationen ergänzt werden, um einen Konsultationsprozess auf europäischer Ebene in Gang zu setzen. Der vorliegende Beitrag legt die Standpunkte des Oldtimer-Weltverbands FIVA zum genannten Thema bezogen auf den Erhalt und die Nutzung historischer Fahrzeuge dar und bildet damit einen Teil der politischen Lobbyarbeit der FIVA auf europäischer Ebene ab.

Die Rolle historischer Fahrzeuge in der Debatte um die Verbesserung städtischer Mobilität
Ältere Fahrzeuge werden häufig als alleinige Übeltäter an den Pranger gestellt, wenn es um das Thema Umweltverschmutzung geht. Als Ergebnis solcher Debatten äußern sich einige Politiker dahingehend, ältere Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen zu wollen oder ihnen die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zunehmend zu erschweren, um die Luftqualität zu verbessern. So bemerkt das Grünbuch beispielsweise, dass eine schrittweise Verschärfung der Umweltstandards dauerhaft zu einer Dezimierung älterer Fahrzeuge mit scheinbar hohem Verschmutzungsanteil führen kann. Darüber hinaus beschränken bereits einige politisch Verantwortliche den Zugang von Fahrzeugen in die Innenstädte auf Basis von Abgasnormen nach EURO-Standard.

Dem hält die FIVA entgegen:

1.  Verwendung historischer Fahrzeuge

Der spezielle Charakter historischer Fahrzeuge bemisst sich nicht allein nach ihrem Alter, sondern in erster Linie daran, wie sie gebraucht und gepflegt werden. Genau in diesen Punkten gibt es einen deutlichen Unterscheid zwischen einem einfach nur „alten“ und einem „historischen“ Fahrzeug:

- Historische Fahrzeuge sind im Allgemeinen überdurchschnittlich gut gewartet: sie werden in
  erster Linie dazu verwendet, das Erbe kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes zu erhalten
  und zu pflegen und weniger, um mit ihnen alltägliche Transportaufgaben zu bewältigen.
  Hieraus ergibt sich zweifelsfrei, dass ihre Besitzer eine Menge Zeit, Energie und auch Geld
  investieren, um diese Fahrzeuge in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten.

- Die Anzahl historischer Fahrzeuge macht nur einen Bruchteil des in Europa vorhandenen
  und zugelassenen Fahrzeugbestands aus. So beträgt laut einer im Auftrag der FIVA vor
  zwei Jahren durchgeführten Studie der Anteil historischer Fahrzeuge am Gesamtbestand
  gerade einmal 0,8 % und die Jahreskilometerlaufleistung dieser Fahrzeuge liegt mit 0,07 %
  gemessen an allen Fahrzeugen in Europa noch einmal deutlich darunter. Zudem werden die
  historischen Fahrzeuge überwiegend an den Wochenenden und meist außerhalb der
  Ballungsräume eingesetzt.

- Fahrer historischer Fahrzeuge legen darüber hinaus im Umgang mit Ihren Kraftfahrzeugen
  eine besondere Vorsicht an den Tag, was sich nicht zuletzt an den sehr günstigen
  Versicherungsprämien ablesen lässt.

2.  Kultureller Wert historischer Fahrzeuge

Hinzukommt, dass die Pflege und der Umgang mit historischen Fahrzeugen auch der Allgemeinheit zu Gute kommt, indem diese die Möglichkeit besitzt, die historischen Fahrzeuge bei öffentlichen Veranstaltungen auf den Strassen zu bewundern und mit deren Besitzern in Austausch zu treten sowie den Nachwuchs an die Technik vergangener Tage heranzuführen.

3.  Wirtschaftlicher Stellenwert des Oldtimerhobbies

Der Wert der Oldtimerszene bemisst sich nicht allein in der Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturguts. Auch die wirtschaftlichen Fakten sprechen laut Studie der FIVA eine eindeutige Sprache:

- Die europaweit ansässigen 9.000 Betriebe und Geschäfte in der Oldtimerbranche
  beschäftigen über 55.000 Mitarbeiter, wodurch pro Jahr ein Umsatz von zirka 17 Mrd. Euro
  erzielt wird.

- Die Mitglieder der verschiedenen Clubs geben pro Jahr umgerechnet knapp 5 Mrd. Euro für
  Versicherung, Kraftstoff, Wartung, Reparatur und nicht zuletzt für den Kauf historischer
  Fahrzeuge und weiterer oldtimerbezogener Produkte aus.

- Die Gesamtausgaben der Oldtimer-Clubs belaufen sich auf das Jahr gerechnet auf etwa
  40 Mio. Euro.

All diese Zahlen zeigen recht deutlich, dass die Oldtimerei nicht nur eine kleine eingeschworenen Gemeinde von Oldtimerliebhabern berührt, sondern darüber hinaus einen signifikanten Beitrag zur europäischen Wirtschaft und deren Wachstum leistet, der zumeist von klein- und mittelständischen Unternehmen getragen wird.

4. Historische Fahrzeuge vor dem Hintergrund kommunaler Politik

All dies zeigt, dass historische Fahrzeuge nicht Teil der allgemeinen Transportinfrastruktur sind und daher aus Sicht der FIVA in der Diskussion um die Verbesserung der urbanen Mobilität entsprechend betrachtet werden müssen. Dennoch ist es notwendig, dass sie Teil der öffentlichen Debatte sind, da unter dem breiten Begriff der Altfahrzeuge allzu häufig die Vielfalt klassischer und historischer Fahrzeuge untergeht. Die Beteiligten machen es sich hierbei oftmals zu leicht, indem sie die viel zitierten „alten Stinker“ einseitig für die Umweltproblematik in den Städten verantwortlich machen und somit an den öffentlichen Pranger stellen.
Da die alten Fahrzeuge hierbei häufig über einen Kamm geschoren werden, unterliegen auch die Liebhaber historischer Fahrzeuge oftmals strengen Restriktionen seitens der Politik. Die Aufgabe der FIVA besteht somit hauptsächlich darin, durch politische Einflussnahme und öffentliche Aufklärung dafür zu sorgen, dass es möglich sein wird, der Oldtimerei auch zukünftig ohne Einschränkungen nachgehen zu können und die gesellschaftliche Akzeptanz in diesem Bereich nachhaltig zu fördern. Dies hat bereits in der Vergangenheit zu Erfolgen geführt und so wurden beispielsweise in Deutschland, Italien, Großbritannien und Dänemark sinnvolle und klare Ausnahmeregelungen für die Nutzung historischer Fahrzeuge geschaffen.

Doch auch künftig planen einige europäische Städte und Regionen Maßnahmen, die die Besitzer und Fahrer historischer Fahrzeuge in unverhältnismäßigem Maße treffen werden. Daher begrüßt die FIVA, dass die Europäische Kommission bereits erkannt hat, dass „ein Risiko darin besteht, einen gesetzlichen Flickenteppich in Europa zu gestalten und dadurch neue Grenzen innerhalb der EU aufzubauen. Als Beispiel hierfür kann genannt werden, dass einige europäischen Staaten ihre gesetzlichen Vorgaben an europäischen Standards orientieren, andere jedoch wiederum hierfür eine andere Basis wählen.“

Die FIVA hofft jedenfalls, dass die Entwicklung unterschiedlicher Regelungen innerhalb Europas gestoppt wird und sich zukünftig einheitliche, klar verständliche sowie gerechte Lösungen durchsetzen werden. Die Europäische Kommission würde mit diesem Schritt nicht nur die Besitzer historischer Fahrzeuge vor überzogenen und ungerechtfertigten Regelungen zur Verbesserung innerstädtischer Mobilität schützen, sondern auch den Erhalt und die Zukunft des kraftfahrzeugtechnischen Kulturerbes in Europa und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Nutzen sicherstellen.

Weitere Details zur FIVA-Studie finden Sie hier ...

Quelle: ADAC Oldtimer