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So war die Sachsen Classic 2013

Sachsen! Wer an Sachsen denkt, dem kommt vermutlich zunächst der meines Erachtens ugerechtfertigterweise als unattraktivster eingestufte deutsche Dialekt in den Sinn. Doch das, lieber Leser (trotz generischem Maskulinum dürfen sich auch die Damen angesprochen fühlen), wird weder dem Land, noch den Leuten gerecht, denn dieses Fleckchen Erde bietet eine ganze Menge mehr.

Das durften die Teilnehmer der 11. Sachsen Classic auch in diesem Jahr buchstäblich erfahren. Diese, von der Motor Presse Stuttgart alljährlich ausgetragene, Veranstaltung führt mitten durch das Herz des Freistaates und ist als Gleichmäßigkeits- und Zuverlässigkeitsprüfung für historische Fahrzeuge ausgelegt, die ihre Wirkung auf die Einwohner nicht verfehlt. Es erweckt sich der Eindruck, daß die Veranstaltung bei den Sachsen zum festen Repertoire ihrer Freizeitgestaltung zählt, denn anders läßt sich die zum Teil überwältigende Resonanz an den Straßen, den Durchfahrtskontrollen und den Sammelpunkten kaum erklären. Offenbar Frucht einer wuchtigen Marketingkampagne verbunden mit einer großen Bereitschaft der Bevölkerung, dieser bereitwillig zu folgen.


Am Vorabend der Rallye "schliefen" die Fahrzeuge des Skoda-Teams noch friedlich in der Tiefgarage

Da nimmt es nicht Wunder, daß auch die Classic-Abteilungen diverser Großserienhersteller an dieser Begeisterung partizipieren und sich möglichst eindrucksvoll präsentieren möchten. Was liegt da näher, als sich mit einigen ihrer beliebtesten Stücke aus der werkseigenen Sammlung an der Rallye zu beteiligen, welche für die recht langen Tagesetappen ausgewählt wurden?


Austin A40 Sports, Baujahr 1952, wartet auf seinen Einsatz

Aufgeboten wurden beispielsweise ein Wanderer Stromlinie Spezial aus dem Jahr 1938 (Audi Tradition), ein Laurin & Klement 300 Baujahr 1923 (Skoda), ein Ford V8-48 aus 1935 (Ford Classic), ein VW 1200 Cabriolet von 1952 (VW Classic), ein Porsche 911 Carrera RS 2.7 aus 1972 (Porsche Klassik), ein Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 von 1969 (Mercedes-Benz Classic) und schließlich ein Volvo PV544 Baujahr 1963 (Volvo Classic). Dies nur stellvertretend für eine ganzen Menge weiterer Fahrzeuge, die durch die Traditionsabteilungen nach Sachsen geschafft wurden.


Auch in der ansonsten gut bestückten Mercedes-Szene nicht oft gesehen: Ein 170V aus dem Jahre 1948 in Flugplatzausführung.

Doch auch die Privatfahrer boten allerlei interessante Oldtimer auf, die aus den geschützten Remisen den Weg in den Freistaat fanden (auch nur eine kleine Auswahl): Fiat 520 Competizione Baujahr 1928, Hudson Terraplane Convertible Baujahr 1936, Opel P4 Geschäftswagen Baujahr 1939, Ferrari 212 Inter Baujahr 1953 oder ein Tatra T-603 Baujahr 1971. Mächtig Aufsehen erregten zwei ehemalige DDR-Behördenfahrzeuge: Majestätisch glitt ein Citroen CX 25 "Honecker" am Publikum vorbei. Eine verlängerte Version, die dem ehemaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker zu Diensten sein mußte. Lautstark hingegen machte ein Lada 2101 in vollem Volkspolizeiornat auf sich aufmerksam, wo immer er die Gelegenheit dazu hatte.


Carl H. Hahn, gebürtiger Chemnitzer und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, fuhr einen Porsche 914 und wurde vom Publikum bejubelt, wo immer er auftrat. Kein Wunder, wurde er doch stets als der Mann angekündigt, der VW nach Sachsen geholt und damit eine Menge Arbeitsplätze geschaffen hatte.

Doch jetzt geht es auf die Strecke. Am ersten Tag stand die Etappe “Sachsenring” an. Um 13:01 Uhr rollte das erste Fahrzeug über die auf dem Hauptmarkt in Zwickau errichtete Startrampe. Durch den späten Start fiel diese Etappe entsprechend kurz aus. Lediglich 127,21 km galt es in vier Stunden zu bewältigen. Es dauerte, bis sich die von Oldtimern und Besuchern geflutete Zwickauer Innenstadt allmählich leerte. Bei schönstem Sommerwetter zeigten sich nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Einwohner von ihrer besten und gutgelauntesten Seite.


Die Nummer 1 war ein Horch 830 aus dem Bestand des August-Horch-Museums und im Jahre 1933 gebaut.

Ein absoluter Höhepunkt des angepeilten Abschnitts bildete die Steile Wand von Meerane. Meerane, einst das Zentrum der Textilindustrie, verwandelte sich an diesem Nachmittag und bei hohen Temperaturen in eine Herausforderung für Mensch und Maschine, wobei der Schwerpunkt auf der Maschine liegt. Die beiden Wertungsprüfungen für den Menschen waren mit Sicherheit weniger anstrengend. Zwar meisterten die meisten Veteranen die 248 Meter lange Strecke ziemlich souverän, doch die 12%-ige Steigung machte vor allem den schwächer motorisierten Teilnehmern sichtlich zu schaffen. Das VW-Käfer "Brezel"-Cabriolet kam beispielsweise über den ersten Gang gar nicht hinaus. Das Kopfsteinpflaster tat sein übriges, um das Material zusätzlich zu belasten. Trotzdem war es ein sehenswertes Ereignis, das wiederum von zahlreichen Zuschauern goutiert wurde.


Ein Mercedes-Benz 190 SL macht sich daran, die Steile Wand zu erklimmen.

Weiter ging es über Glauchau und das Bergbaumuseum in Oelsnitz zum Sachsenring. Dort bekamen die Oldtimer ungehinderten Auslauf. Kein Gegenverkehr, keine Verkehrszeichen oder sonstige Hindernisse schränkten den Fahrgenuß unnötig ein. Nach gut einer Stunde hieß es Abschied nehmen von den Gedanken einer Rennfahrerkarriere und sich wieder dem zivilen Verkehr zuwenden, der wiederum an den Ausgangspunkt der Tagesetappe, den Hauptmarkt in Zwickau, zurückführte.


Ein Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport aus dem Jahre 1930 auf dem Hauptmarkt in Zwickau.

Tag zwei – die Etappe “Vogtland” steht an. 261,19 km mehr wird der Tachometer eines jeden Autos am Abend ausweisen. Dementsprechend früh geht es vom Zwickauer Hauptmarkt aus auf Tour durch den Freistaat Sachsen. Erste Station ist das Städtchen Greiz mit herrlichem Blick auf das erhaben angesiedelte Schloß. Sogar eine Verbindung vom Teilnehmerfeld zum Gastgeberort gibt es, denn im Tross pilotiert ein Teilnehmer einen 1926 in Greiz von der FREIA AG gebauten Freia S3, der nicht minder oft vom Publikum teils neugierig, teils begeistert fotografiert wurde, wie ein 300 SL Flügeltürer oder ein Horch 830.


Freia S3, 1.3 Liter Hubraum, 4 Zylinder in Reihe und mit 20 PS motorisiert, aus dem Jahre 1926 war ein beliebtes Fotomotiv.

Eine ausgesprochene Sehenswürdigkeit und eine malerische Fotokulisse wäre der über 150 Jahre alte und aus über 26 Mio. Ziegelsteinen in nur fünf Jahren erbaute Göltzschtalviadukt gewesen. Leider war die Straße zu dieser einmaligen Eisenbahnbrücke gesperrt, so daß das Feld direkt über das Oelsnitzer Schloß Voigtsberg zur Mittagsrast ins Kurhaus nach Bad Elster weiterfuhr. Das 1888/90 von Landbaumeister Trobsch aus Zwickau errichtete Königliche Kurhaus erinnert mit seiner filigranen Fassadengestaltung an einen italienischen Renaissance-Palast und bildete einen perfekten Rahmen für die historischen Fahrzeuge.


Der Aufforderung dieses sympathischen Damenteams kamen alle gerne nach.

Nach dem Mittagessen und der teilweise eigenwilligen Vorstellung der Fahrzeuge durch den Streckensprecher führte die Route weiter über den Klingenthaler Markt und Stollberg bis zum Endpunkt des Tages, das Industriemuseum in Chemnitz. Es ist beinahe unnötig zu erwähnen, daß die Begeisterung bei der Ankunft der Oldtimer auch in der Kreisstadt hohe Wogen schlug.


Auf malerischen Straßen machte das Volkswagen 1200 Kabriolett, so die offizielle Bezeichnung, eine tolle Figur.

Zum letzten Gefecht rief die Uhr am nächsten Morgen den ersten Teilnehmer um 08:01 Uhr. Der Zug ließ das Chemnitzer Industriemuseum hinter sich und machte sich auf den Weg zur Erzgebirgsetappe unter dem gestrengen Blick des “Nischel”, dem über 7,10 m hohen (incl. Sockel 13 m!) und 40 Tonnen schweren Karl-Marx-Monument, der zweitgrößte Portraitbüste der Welt.


Ein 356er Porsche saust am Karl-Marx-Monument vorbei.

Auf idyllischen Straßen und Sträßchen ging es über Mittweida und Oederan zur Krone des Erzgebirges, dem Schloß Augustusburg im gleichnamigen Ort, das auf den Kurfürsten August zurückgeht, der das monumentale Bauwerk 1568–1572 errichten ließ. Dort wurde zwar nicht stilecht getafelt, doch ausgiebig zu Mittag gegessen. Nach der Stärkung, wiederum bei bestem Wetter, lotsten die Chinesenzeichen die Piloten zum ehemaligen MZ-Werk nach Zschopau, zum Besucherbergwerk Ehrenfriedersdorf, zum Annaberg-Buchholzer Markt und zum Rundkurs nach Grünhain. Dabei handelte es sich nicht um einen Rundkurs im klassischen Sinne, sondern um eine Wertungsprüfung, bei welcher ein vorher festgelegter öffentlicher Streckenabschnitt mehrmals im Kreis befahren werden mußte.


Wo immer Johann Lafer im VW-Bulli auftauchte, war auch der Stift nicht weit, um die zahlreichen Autogramme schreiben zu können.

Bevor sich die Etappe dem Ende zuneigte, stattete die Sachsen Classic Zwönitz einen Besuch ab, um schließlich wieder am Markt in Chemnitz zur Ruhe und Abschluß zu kommen. Der Zieleinlauf ähnelte zeitweise dem Einzug erfolgreicher Gladiatoren, so begeistert und enthusiastisch die ankommenden Teams von den Zuschauern in Empfang genommen wurden.


Dieser Wartburg mußte aufgrund Dampfblasenbildung durchs Ziel geschoben werden.

Der Marktplatz bot ausgelassene Volksfeststimmung und bildete den krönenden Rahmen um eine rundum gelungene Rallye, bei der sich die meisten Teilnehmer einig waren, sich im nächsten Jahr wiederzusehen, um sich erneut Wertungsprüfungen zu unterziehen und sich gegenseitig zu messen. Die Besatzungen Fahrzeuge strahlten mit der Sonne um die Wette, als sie, vom Streckensprecher vorgestellt und von den Chemnitzern beklatscht, durch den Ziel-Torbogen zum verdienten Feierabendbier fuhren.


Der Schauspieler (Polizeiruf 110) und Kabarettist Uwe Steimle zeigt stolz sein T-Shirt mit dem Spruch: "Hädsch Fongs... müssdisch ni arbeidn gehn.", wenn er nicht gerade den Skoda um die Ecken wuchtet.

Text und Fotos: Mario De Rosa