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Verursacherprinzip – ja, bitte!

 von Mario De Rosa

Nach dem Verursacherprinzip wird zur Beseitigung eines Problems bei den Ursachen des Problems angesetzt. Dementsprechend taucht das Schlagwort Verursacherprinzip regelmäßig in der Diskussion um die Luftreinhaltepläne auf. Doch wenn das Verursacherprinzip greifen soll, dann müssen zunächst einmal die Verursacher festgestellt werden.

Offizielle Stellen jonglieren mit widersprüchlichen Zahlen ab 20 % für den Beitrag des Straßenverkehrs an der Feinstaubbelastung. Das UBA gibt anteilig für die Feinstaubbelastung durch Abgasimmissionen von Dieselfahrzeugen im innerstädtischen Bereich sogar bis zu 50 % und für den Gesamtbeitrag durch »mobile Staubquellen« innerorts bis 75 % (Abgase und Abrieb) an(1).

Als logische Konsequenz wird der Straßenverkehr als einer der Hauptverursacher eingestuft und soll zur Bekämpfung der Luftverunreinigungen durch Feinstäube eingeschränkt werden; speziell sollen alte Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen werden, da der Feinstaubausstoß dieser Fahrzeuge pro gefahrenem Kilometer besonders hoch sei – so die Argumentation.

Das alles klingt zunächst völlig logisch und vernünftig, weshalb sich zahlreiche Umweltorganisationen diese Argumentation zu Eigen gemacht haben.

Der Straßenverkehr auf dem Prüfstand

Tatsächlich beruhen die Zahlen des UBA und anderer offizieller Stellen auf Schätzungen und Modellrechnungen und sind damit nicht eindeutig belegbar. Wie weit solche Schätzungen von der Wirklichkeit entfernt sein können, beweisen einige Erfahrungen, die man inzwischen mit den Aktionsplänen zur Luftreinhaltung gemacht hat.

  • Im Bereich Mainz/ Wiesbaden führten umfangreiche Verkehrssperrungen anlässlich des Bush-Besuchs zu keiner messbaren Senkung der Feinstaubbelastung(2).
  • Für Berlin kann aus Straßensperrungen für Lkws anhand der Angaben der Berliner Umweltverwaltung eine Gesamtbelastung durch den Straßenverkehr von ca. 10 % des einzuhaltenden Grenzwerts hochgerechnet werden (siehe: Ein Verwirrspiel mit Zahlen)(3).
  • Die Verantwortlichen in Ludwigshafen sind aus ihren eigenen Erfahrungen zu den entsprechenden Schlüssen gekommen: »Sämtliche Maßnahmen, den Staub einzudämmen, richteten sich lediglich gegen fünf bis zehn Prozent der Gesamtbelastung« gibt die Ludwigshafener Rundschau die Einschätzung der Stadtverwaltung wieder.(4)

Die Schätzwerte des UBA werden also in der Praxis nicht bestätigt und sind offensichtlich unverhältnismäßig hoch gegriffen. Doch diese Zahlen werden weiterhin als Grundlage für Aktionspläne zur Verminderung der Feinstaubbelastung herangezogen und dienen einigen Umweltverbänden nach wie vor als Aufhänger für ihren werbewirksamen Medienauftritt.

Feinstaub ganz ohne Motor

Tatsächlich sollen die betroffenen Straßen und Stadtviertel nicht zu Fußgängerzonen erklärt werden. Der Verkehr soll und muss weiter fließen, um die Umweltzonen nicht zu einer menschenleeren Betonwüste zu machen.

Die Luftreinhalte- und Aktionspläne sehen deshalb vor, nur bestimmte Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen und durch neue, angeblich schadstoffärmere Fahrzeuge zu ersetzen. Allerdings hat diese Maßnahme zwangsläufig überhaupt keinen Einfluss auf einen großen Teil der verkehrsbedingten Feinstaubbelastung:

  • Allein die Bewegung von Fahrzeugen erzeugt unabhängig von der Antriebsart Staub durch Abrieb (Bremsen, Reifen, Straßenbelag, u. a.).
  • Ein weiterer Teil wird durch Luftbewegungen (auch Wind) vom Straßenbelag aufgewirbelt.

Diese Anteile an der Staubbelastung werden von allen Fahrzeugen verursacht. Auch ein Pferdewagen erzeugt solche Stäube. Eine Anwendung des Verursacherprinzips hieße, Transport und Verkehr generell zu verbieten (und den Wind?).

  • Das Umweltbundesamt gibt in seinem Hintergrundpapier diese Anteile an der Feinstaubbelastung nicht genauer an. Allerdings muss man aus den Angaben auf mindestens 10 bis 15 kt/a (Kilotonnen Feinstaub pro Jahr) schließen(5). Das ist immerhin ein Viertel der Gesamtemissionen durch den Straßenverkehr.
  • Offizielle Stellen in Niedersachsen sehen den »Hauptanteil der fahrzeug-bedingten Immisionen« bei der Aufwirbelung(6).

Diesen Teil der Feinstaubbelastung kann das zwangsweise Ersetzen der Fahrzeuge also nicht beeinflussen.

Saubermann oder Stinker

In der ersten Stufe der Luftreinhaltepläne einiger Ballungsräume sollen nur diejenigen Fahrzeuge von den Straßen verbannt werden, die die EURO-2-Norm noch nicht erfüllen, da diese Fahrzeuge einen zu großen Anteil an der Feinstaubemission hätten. Hier soll das Verursacherprinzip bezogen auf die Abgase der Fahrzeuge greifen.

  • Allerdings sollen von diesen Fahrverboten auch Fahrzeuge mit Ottomotor betroffen sein. Bei diesem Fahrzeugtyp sind jedoch alte Fahrzeuge ohne Katalysator nicht mehr an der Feinstaubbelastung beteiligt, als die neuesten Fahrzeuge mit der bestmöglichen Technik.
  • Die ganz alten Dieselmotoren, die in Oldtimern (ab 30 Jahre) verbaut wurden, arbeiten mit der damals üblichen Vorkammer/Saug-Technik. Die von diesen Dieselfahrzeugen emittierten Stäube bestehen zum größten Teil aus groben Partikeln, die in der Feinstaubproblematik unerheblich sind. Der Rußausstoß dieser Fahrzeuge ist sicher nicht schön, doch eher harmlos im Vergleich zu den extrem kleinen Partikel, um die es in den Luftreinhalteplänen eigentlich geht.
  • Außerdem wurden vor 1980 nur vergleichsweise wenig Fahrzeuge mit Dieselmotoren gebaut. Hinzu kommt, dass davon nur sehr wenige den "Zahn der Zeit" überlebt haben. Der Anteil dieser Fahrzeuge am Gesamtbestand liegt weit unter 1 Promille. Obendrein ist die Jahresfahrleistung derartiger Fahrzeuge im Durchschnitt sehr gering (unter 2000 km/Jahr). Diese extrem wenigen Fahrzeuge können unmöglich einen nennenswerten Beitrag zur Feinstaubbelastung leisten.
  • Laut KBA wird fast jedes zweite Neufahrzeug durch einen TDI-Dieselmotor angetrieben. Bis heute ist nur ein Teil dieser Fahrzeuge mit der modernsten Filtertechnik ausgestattet. Laut Expertenmeinung ist die derzeit verbaute Filtertechnik gerade bezüglich der besonders kritischen Feinststäube mit Teilchengrößen bis 1 Mikrometer nicht nur wirkungslos sondern die Anzahl dieser Teilchen wird sogar erhöht(7). Da diese Teilchen aufgrund ihrer geringen Größe extrem leicht sind, werden die entsprechenden Euro-Normen trotzdem problemlos eingehalten.

Durch die geplanten Fahrverbote kann die Feinstaubbelastung also tatsächlich nicht verringert werden, da sich die Maßnahmen tatsächlich gerade gegen diejenigen Fahrzeuge wenden, deren Abgase die kritischen Feinstäube kaum enthalten. Das Verursacherprinzip wird hier regelrecht auf den Kopf gestellt!

Das Problem mit der Logik

Offensichtlich lassen die bisherigen EU-Grenzwerte und -Richtlinien den Sinn für die Realitäten vermissen. Das ist auch dem Europäischen Parlament bereits aufgefallen und Nachbesserungen sind in Arbeit(8). Doch die geplagten Stadtväter müssen trotzdem entsprechende Pläne zur Luftreinhaltung aufstellen. In dieser in Bezug auf den Feinstaub tatsächlich hoffnungslosen Lage stürzt man sich auf ein in solchen Fällen seit den legendären Sonntagsfahrverboten und der Ozon-Debatte übliches Modethema: Individualverkehr mittels Pkw.

Wie unsinnig diese Politik bezüglich des Umweltschutzes ist, zeigen die Erfahrungen aus der Vergangenheit: Zunächst führte man begeistert die »Ex-und-Hopp«-Produkte ein; seitdem wurden zahlreiche Versuche unternommen, die gravierenden Umweltprobleme durch Wegwerfprodukte in den Griff zu bekommen – nicht zuletzt auch von den Grünen, die heute so begeistert für die Fahrverbote eintreten.

Nun geht man den Weg zum kurzlebigen Wegwerfprodukt in der Automobilbranche, obwohl Herstellung und Entsorgung gerade des Automobils zu besonders hohen Umweltbelastungen führen und kostbare Ressourcen an Energie und Rohstoffen verbrauchen, wie eine diesbezügliche Bilanz der Volkswagenwerke(9) belegt. Die Argumentation einiger Umweltverbände und der Grünen für Fahrverbote und gegen eine nachhaltige Nutzung der Kraftfahrzeuge wird dadurch zu einem Verrat an den eigenen Prinzipien.

Das Verursacherprinzip wird also auch in Bezug auf den Umweltschutz auf den Kopf gestellt: Fahrzeuge mit einer langen Lebensdauer und dadurch vergleichsweise guter Umweltbilanz werden durch kurzlebige Produkte ersetzt, welche die Umweltprobleme durch das Automobil verschärfen.

Tatsächliche Folgen für die Umwelt

Der größte Teil der feinstaub-belasteten Fahrzeugabgase stammt aus den Auspuffrohren der Lkws und modernen Diesel-Direkteinspritzer (TDI).

Die alten Benziner und Diesel, die an der Feinstaubbelastung weniger beteiligt sind, als moderne Fahrzeuge mit der bestmöglichen Filtertechnik, sollen also gegen Fahrzeuge ersetzt werden, die mehr Feinstaub emittieren?

Klingt das immer noch logisch und vernünftig?

Verursacherprinzip? Ja, bitte! Dann müssten zumindest für die Oldtimer-Fahrer goldene Zeiten anbrechen. Die Wirklichkeit sieht leider wieder einmal völlig anders aus.

1) Hintergrundpapier zum Thema Staub/Feinstaub (PM), Umweltbundesamt, März 2005

2) FAKT, Manuskript des Beitrages vom 13.06.2005 »Feinstaub-Hysterie« von Inga Klöver

3) Tagesspiegel, März 2006, von Stefan Jacobs

4) «Die Rheinpfalz« - Ludwigshafener Rundschau; Samstag 10. Juni 2006

5) Hintergrundpapier zum Thema Staub/Feinstaub (PM), Umweltbundesamt, März 2005

6) http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C7180699_L20.pdf

7) tagesschau.de Inland Interview mit Feinstaub-Experten vom 03.06.2006 mit Professor Reinhard Zellner

8) »Feinstaub ohne Fahrverbot, Ende des Aktionismus um Abgase«, F.A.Z. online, 21. Juni 2006

9) »Prügel auch für Saubermänner«, Motor Klassik 2/2005, S. 3