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Bericht zum Symposium "Duell unter Freunden" am 28.11.09 im Automuseum PROTOTYP

Mit dem Symposium „Duell unter Freunden“ fiel am 28. November der Startschuss zur großen Le Mans-Sonderausstellung im AUTOMUSEUM PROTOTYP in der Hamburger HafenCity.

Den mehr als 350 Symposiumsgästen bot sich im ausverkauften Saal ein Treffen der Rennsportgrößen, welches es so wohl kein weiteres Mal mehr geben wird. Rennfahrerlegenden wie Jürgen Barth, Herbert Linge oder Kurt Ahrens trafen auf „Mister Le Mans“ Tom Kristensen und plauderten zusammen mit Rennleitern, Mechanikern, Ingenieuren und Künstlern über ihre persönlichen Erlebnisse bei den 24 Stunden von Le Mans. Sie schwärmten von der einzigartigen Atmosphäre und warnten vor den Gefahren dieses Rennens. Und in einem Punkt waren sie sich einig: die 24 Stunden von Le Mans sind einzigartig!

Durch die Veranstaltung führte der langjährige Automobiljournalist und Buchautor Adriano Cimarosti, der selbst über 40 Jahre lang in Le Mans das 24-Stunden-Rennen verfolgte und den Interviewpartnern in wechselnder Runde somit die richtigen Fragen stellen konnte, um dem Mythos Le Mans auf die Spur zu kommen.

Als Einstimmung auf diesen Mythos erlebten die Zuschauer auf den Videoleinwänden eine Runde in Le Mans, gefahren von Jürgen Barth 1977 in einem Porsche 936. Ein Raunen ging durch die Menge, als der Porsche die Kurven durchfährt und auf die endlos scheinende, fünf Kilometer lange Hunaudières-Gerade steuert. Das Geschwindigkeitsgefühl ist atemberaubend und veranlasste zu spontanem Gelächter, als mehrere Porsche 911 Carrera RSR , immerhin 250 km/h schnell, überholt werden, als würden sie nur mit 30 km/h dahin schleichen. Und dazu der Klang des 6-Zylinders: Gänsehaut pur.

Einmal im Jahr durchbrechen diese Motorenklänge die Ruhe der französischen Provinz, wie Manfred Jantke, PR -Chef und ehemaliger Rennleiter bei Porsche, zu berichten wusste. Früher richteten sich die Rennteams in Werkstätten ein, wo im restlichen Jahr Citroën 2CV repariert wurden, und genossen die ländliche Idylle, während die Hühner zwischen den Porsche-Rennwagen gackerten. Peter Falk, ehemaliger Porsche-Rennleiter, erinnerte sich, dass die Mechaniker und Fahrer bei Privatleuten wohnten und von diesen herzlich aufgenommen wurden. Keiner hätte sich beschwert, als bei Nacht Probefahrten stattfanden. Die Insassen eines Busses hätten aber schon ganz schön geschaut, meint Barth, als er nachts an einem alten Linienbus vorbeidonnerte. „Mit langsam geht da nichts.“, stimmte Jochen Engel, Rennmechaniker, da zu: „Wenn die Porsche 917 vorbeifuhren, zitterten die Bäume.“ An Schlaf war für die Rennteams eh nicht zu denken. „Vier Nächte ohne Schlaf waren schon gang und gäbe.“

Süchtig nach diesem Erlebnis wurde auch Rainer Schlegelmilch, Fotograf und Künstler, den die Atmosphäre kurz vor dem Start faszinierte. Die vielen Köpfe, die sich in Richtung der Fahrzeuge reckten, der klassische Le Mans-Start, wo die Fahrer nach dem Schwenken der Trikolore als Startzeichen noch zu ihren Autos liefen um dann erst los zu fahren, all das war gigantisch. Doch durch den Neubau des Start-Ziel-Bereichs Anfang der 1990er sei für Schlegelmilch diese geradezu familiäre Atmosphäre verloren gegangen, jetzt wo die Fahrer und Fahrzeuge vor den Blicken der Zuschauer abgeschottet werden.

Doch für Jochen Engel sind die 24 Stunden von Le Mans immer noch das „gescheiteste Rennen auf der Welt“. Auch für Herbert Linge, einen Le Mans-Veteran, war es ein Riesenspaß, in Le Mans zu fahren, auch wenn das Risiko sehr hoch war. „Als noch mit Trommelbremsen gefahren wurde, musste man höllisch aufpassen. Je nach Temperatur zogen sie mal nach rechts, mal nach links. Und bei Regen war das Ganze ein absoluter Blindflug, da die Windschutzscheibe durch die Feuchtigkeit von innen beschlug.“ Für Simo Lampinen, damals Rallyefahrer und Le Mans-Teilnehmer, kam außerdem noch hinzu, dass er 1965 bei seinem langsameren Triumph Spitfire – „nur 214 km/h schnell“ – mehr mit Blick in den Rückspiegel gefahren ist, als nach vorn auf die Strecke zu schauen.

Auf Zelluloid bannte 1970/71 Steve McQueen die 24 Stunden von Le Mans und schuf mit seinem Film eine Hommage an die klassische Le Mans-Zeit der 60er und 70er Jahre. Bisher unveröffentlichte Filmaufnahmen von den Dreharbeiten zu Steve McQueens Le Mans-Film präsentierte das AUTOMUSEUM PROTOTYP mit Ausschnitten aus dem Filmtagebuch von Paul Blancpain, der via Internettelefon aus Brasilien zugeschaltet war und die Aufnahmen kommentierte. Hans-Joachim Bunnenberg, Kamerakonstrukteur beim Le Mans-Film, schilderte die ausgefallene Technik, mit der die spektakulären Rennaufnahmen überhaupt erst möglich gemacht wurden.

Doch der Mythos Le Mans ist nicht allein in der Vergangenheit dieses ältesten Langstreckenrennens Europas zu finden, sondern auch in der Gegenwart. Das beste Beispiel hierfür ist „Mister Le Mans“ höchstpersönlich: Tom Kristensen. Mit acht Gesamtsiegen ist er der erfolgreichste Le Mans-Fahrer aller Zeiten. Und nächstes Jahr will er wieder antreten, um mit Audi ein weiteres Mal zu siegen.

Für Kristensen ist Le Mans jedes Mal eine unglaubliche Herausforderung. Seit 1990 unterbrechen Schikanen die lange Gerade, um die Höchstgeschwindigkeiten der Wagen aus Sicherheitsgründen zu reduzieren. „Deshalb muss man heute in den Kurven die Geschwindigkeit herausholen.“ Doch hohe Kurvengeschwindigkeiten sorgen für eine große Belastung. Mehrere G wirken da auf den Fahrer ein. „Wenn man bremst, denkt man, die Augen berühren die Brillengläser – wenn man eine aufhätte.“ So sei es auch besser, inzwischen mit drei Fahrern in Le Mans anzutreten, um optimale Fahrleistungen erbringen zu können. „Kleinste Fehler werden teuer bezahlt.“, so Kristensen. „Doch ich freue mich immer auf die nächste Kurve.“

Am Schluss der Veranstaltung war fast jedem klar, was die 24 Stunden von Le Mans so einzigartig macht: die Faszination der Technik, das „An-die-Grenze-gehen“ von Mensch und Maschine und die Emotionen. Es will schon etwas heißen, wenn gestandene Männer wie der Porsche-Rennmechaniker Gustav Nitsche zugeben, geweint zu haben, als Jacky Ickx 1969 im Ford GT40 Hans Hermann auf Porsche 908 kurz vor Schluss überholte und mit nur 120 Metern Vorsprung gewann.

„Le Mans ist das härteste Rennen der Welt.“, resümierte Hans Mezger, Konstrukteur des legendären Porsche 917. Und sein Kollege Valentin Schäffer fügte hinzu, was wohl einige während des Symposiums dachten: „Nachts habe ich davon geträumt, dass ich auch einmal fahren darf.“