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06.05.09 Alt aber in Schuß

Unter dem Titel „Alt, aber in Schuss“ veröffentlichte die KÜS die Auswertung ihrer Hauptuntersuchungen an Oldtimerfahrzeugen im vergangenen Jahr.

Das durchaus erstaunliche Ergebnis: Die alte HU-Weisheit „umso älter, desto mehr Mängel“ gilt bei Oldtimern ganz und gar nicht. Im Vergleich zum 8,1 Jahre alten Durchschnittsauto sind insbesondere erhebliche Mängel an den im Durchschnitt 5-mal so alten Oldtimerfahrzeugen selten: nur 12,3% aller Oldtimerfahrzeuge wurde im ersten Anlauf die begehrte Plakette verwehrt – beim Durchschnittsauto ist die Wahrscheinlichkeit, ohne Plakette wieder nach Hause geschickt zu werden, über 40% höher. Dies ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass an Oldtimerfahrzeuge dieselben Anforderungen wie an aktuelle Modelle gestellt werden, obwohl der Stand der Technik vor Jahrzehnten ein anderer war als heute. Bei einem aktuellen Auto hat selbst eine von Verschleiß und Wartungsstau gebeutelte Bremsanlage noch die Chance, die HU-Hürden zu schaffen. Bei einem 50 Jahre alten Auto sieht das anders aus, da muss die Bremsanlage top gewartet sein, um im Rahmen der HU bestehen zu können. Ähnlich sieht es bei der elektrischen Anlage aus – aus heutiger Sicht (6V-Anlagen, die besonders mit Kontaktwiderständen zu kämpfen haben, aber auch generell korrosionsanfällige Steck- und Klemmverbindungen) war die Fahrzeugelektrik vor Jahrzehnten extrem anfällig und wartungsintensiv. Bei Oldtimerfahrzeugen allerdings ist sie kein Thema, ein Beleg für den im Durchschnitt guten Wartungszustand.

Schauen wir uns die Ergebnisse im Einzelnen an: Deutlich besser als das Durchschnittsauto schneiden Oldtimer in den Bereichen „Bremse“, „Sicht“ (also Verglasung, Rückspiegel), „Licht / Elektrik“ (wie der Punkt „Bremse“ bemerkenswert, da auch hier vor Jahrzehnten der Stand der Technik ein anderer war als heute) und Fahrwerk ab. Bei „sonstigem“ und „Identifikation“ (also Lesbarkeit und vorschriftsmäßige Anbringung von Fahrgestellnummer und Typschild) gibt es keine signifikanten Unterschiede.

Allerdings gibt es auch drei Bereiche, in denen Oldtimerfahrzeuge Defizite zeigen: Korrosion (wenn man bedenkt, dass diese bei neueren Fahrzeugen keinerlei Rolle spielt, aber auch bei Oldtimern in erfreulich engen Grenzen bleibt, zumal bei Oldtimerfahrzeugen bereits äußerlich sichtbare Anrostungen einen Mangel darstellen während beim „Normalautomobil“ nur technisch relevante Durchrostungen bemängelt werden), Lenkung (nach Einschätzung der KÜS eine Folge z.T. unzureichender Ersatzteilverfügbarkeit) und Umwelt. Im Rahmen der Hauptuntersuchung fällt unter diesen Prüfpunkt vor allem die Abgasanlage (da gibt es oftmals ähnliche Probleme mit Ersatzteilnachschub wie bei der Lenkung) und das leidige Thema Ölverlust – dieses Problem dürfte bei sehr vielen Fahrzeugen konstruktiv bedingt sein – vor Jahrzehnten war der Stand der Technik hinsichtlich der Abdichtung von Motor, Getriebe und Differential nicht der heutige. Geringer Ölverlust war dereinst Stand der Technik und der Werkstattmeister tat Beschwerden über verölte Aggregate mit Sprüchen à la „Wer schwer arbeitet, muss auch schwitzen dürfen!“ ab. Heutzutage sind solche, gelegentlich leider immer noch zu hörenden, Einlassungen sicherlich deplaziert. Im allgemeinen Interesse kann man Oldtimerbesitzer daher nur dringlichst dazu aufrufen, diesem Problembereich besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Und das nicht nur zur Hauptuntersuchung.

Obwohl die KÜS ein durchweg positives Bild vom technischen Zustand von Oldtimerfahrzeugen zeichnet, gibt es auch einen erheblichen Kritikpunkt:

Es wäre alles noch deutlich positiver, wenn es nicht nach den Erfahrungen der KÜS eine Art automobile Zweiklassengesellschaft beim H-Kennzeichen gäbe. Der Pressesprecher der KÜS sieht das Bild, das die Oldtimerfahrzeuge bei der HU abgeben, durch Oldtimer getrübt, die als Alltagsauto genutzt, aber mit einem H-Kennzeichen betrieben werden. Diese Autos sind nach der Erfahrung der KÜS eher ungepflegt. Die KÜS hat die Erfahrung gemacht, dass bei den Fahrern solcher Fahrzeuge nicht die Pflege mobilen Kulturgutes, sondern das von A-nach-B-kommen im Vordergrund steht. Von Liebhaberei sei in diesen Fällen laut KÜS kaum zu sprechen. Vielmehr steht zu befürchten, dass speziell bei großhubigen Fahrzeugen die steuerlichen Vorteile für Fahrzeuge mit H-Kennzeichen und die Ausnahmeregelung zum Befahren von Umweltzonen im Vordergrund bei der Oldtimerzulassung stehen.

Schade, denn wenn sich dieses Bild bewahrheitet, passiert bald etwas, was eigentlich gänzlich unsinnig ist: der Ruf nach weiteren Restriktionen hinsichtlich des H-Kennzeichens wird ertönen. Und das, obwohl bereits heute alle Voraussetzungen bestehen, ungepflegten Fahrzeugen, deren Halter keinerlei Ambitionen in Sachen Pflege mobilen Kulturgutes haben und statt dessen eine Möglichkeit zum kostengünstigen Endverbrauchen alter Fahrzeuge suchen, das H-Kennzeichen zu verweigern bzw. im Rahmen der HU zu entziehen.

Wieso der Pressesprecher der KÜS die Existenz von Fahrzeugen, die unter dem Deckmantel des H-Kennzeichens kostengünstig endverbraucht werden, laut beklagt, während gleichzeitig die KÜS-Prüfer diese Fahrzeuge trotz Vorliegen geeigneter Instrumentarien zur Durchsetzung der „H-Kriterien“ bzw. zur Aberkennung des H-Kennzeichens bei offensichtlichen Endverbrauchsobjekten mit neuen Plaketten ausstatten, wird ein Rätsel bleiben.