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110 Jahre Skoda: Vom Fahrrad zum Happy End

110 Jahre sind in der Automobilindustrie ein seltener Geburtstag. 2015 feiert Skoda dieses Jubiläum. Seit 1905 entstehen in Tschechien Automobile. Das Unternehmen Laurin & Klement, das die Grundlage für die Autoproduktion legte, geht sogar auf das Jahr 1895 zurück. Die Geschichte der tschechischen Marke führt vom Fahrrad-Bauer durch fünf politische Systeme zum Happy End einer der erfolgreichsten aktuellen Marken. Ein Blockbuster-Regisseur aus Hollywood hätte sich die Skoda-Story nicht abwechslungsreicher ausdenken können.

Die Initialzündung, die an Skodas Anfang stand, begegnet einem beim Streifzug durch die Historie des Automobils öfter: Arrogante Abweisung der Reklamation eines mangelhaften Fahrzeugs seitens des Herstellers. Im Fall von Skoda widerfuhr dies dem Buchhändler Vàclav Klement (1868 – 1938), aus dem böhmischen Mlada Boleslav. Er hatte sich über Haltbarkeit und Qualität eines Fahrrads des Dresdner Herstellers Seidl & Naumann derart geärgert, dass er in einem geharnischten Schreiben sein Missfallen kund tat. Der Adressat beging den Fehler das auf Tschechisch formulierte Schreiben im Geist des Hochmuts zurückzuweisen. Der erzürnte Klement fasste daraufhin den Entschluss mit dem Schlosser Vàclav Laurin (1865 – 1930) in der Adventszeit 1895 die Firma Laurin & Klement zu gründen – eine Reparaturwerkstatt für Fahrräder.


Vaclav Klement (1868 - 1938)                       Vaclav Laurin (1865 - 1930)

Aus dem Reparaturbetrieb entwickelte sich rasch ein Hersteller für Fahrräder, der 1898 das erste Zweirad mit einem Hilfsmotor versah. Da standen bei Laurin & Klement schon 40 Mitarbeiter in Lohn und Brot. 1899 entstand das erste Motorrad. Die Motorräder aus der böhmischen Provinz unter der Herrschaft der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie bewährten sich schnell bei Wettbewerben. 1903 traten L & K-Motorräder bei 34 Rennen an und gewannen davon 32. Die Böhmen bauten Motorräder mit ein, zwei und vier Zylindern.

Der Erfolg veranlasste die Verantwortlichen 1905 in den Autobau einzusteigen. Damit vollzog das Unternehmen eine ähnliche Entwicklung wie andere Autopioniere der Zeit. Auch Marken wie Rover, Peugeot und Opel sammelten mit Fahrrädern, dem ersten industriell gefertigten Massenverkehrsmitteln für den Individualverkehr, frühe Meriten im Fahrzeugbau, bevor der Schritt zur Automobilproduktion erfolgte.
1907 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. 1912 übernahm Laurin & Klement die 1907 gegründeten Reichenberg Automobil-Fabrik aus Reichenberg, dem heutigen Liberec, und war damit der größte Autoproduzent Österreich-Ungarns. Die Firma baute neben Autos und Motorrädern auch landwirtschaftliche Maschinen, Lastwagen, Omnibusse, stationäre Motoren und Straßenwalzen. 40 Prozent der Exporte gingen alleine nach Russland. In ganz Europa kauften Kunden gerne einen Laurin & Klement. Sogar nach Japan, Südamerika und bis nach Neuseeland wurden Autos aus Böhmen geschippert.


Frühe Skoda-Motorräder

Als Rüstungsproduzent zwischen 1914 und 1918, sah sich Laurin & Klement mit der gleichen Situation konfrontiert, wie so viele andere Autobauer der alten Welt nach Ende des Ersten Weltkriegs. Der Markt für zivile Fahrzeuge war komplett zusammengebrochen. 1919 kam die Autoproduktion zögerlich wieder in Gang. Es misslang, eine stringente Modellpalette zu entwickeln. Als der Skoda-Konzern mit dem Autobauer 1925 fusionierte, hatte Laurin & Klement in zwei Jahrzehnten 60 verschiedene Modelle produziert.
Skoda war ein Pionier der Industrialisierung in der Doppelmonarchie Österreich-Ungarns. Ernst Graf von Waldstein aus dem uralten böhmischen Adelsgeschlecht gründete das Unternehmen 1859 in Pilsen. Dort produzierte er Ausrüstungen für Brauereien, Bergwerke, Zuckerfabriken und Dampfmaschinen. 1869 kaufte Emil Ritter von Skoda (1839 – 1900), ein Ingenieur und Industrieller den Waldsteinschen Betrieb. Skoda erweiterte das Unternehmen um Gießereien, Schmieden und ein Stahlwerk. Ab 1881 entwickelte sich Skoda zum Technologiekonzern, der japanische, russische und südamerikanische Schlachtschiffe ebenso ausstattete wie das Kraftwerk an den Niagarafällen in den Vereinigten Staaten oder die Schleusen für den Panamakanal.

Der Turnaround des Waffenproduzenten zu zivilen Produkten gelang nach 1918 durch das finanzielle Engagement des französischen Rüstungskonzerns Schneider & Cie. Der wollte mit zivilen Produkten in Europas Osten expandieren. Die Nachkriegsproduktion bei Skoda begann mit Lokomotiven.

Mit der Übernahme von Laurin & Klement war Skoda auch Autobauer. 1930 beschäftigte der Konzern 36 000 Mitarbeiter. Die deutschen Besatzer Böhmens und später der gesamten Tschechoslowakei drängten den Konzern in die Rolle eines wichtigen Lieferanten für die deutsche Wehrmacht auf, für den bis zu 101 000 Menschen arbeiteten.
Am 10. Mai 1945 übernahm die Rote Armee die Leitung bei „Skoda Auto“ und trennte die Autosparte vom Rest des Konzerns. Am 24. Oktober 1945 erfolgte die Verstaatlichung. In Punkto Entwicklung zeitgemäßer Produkte versagte die sozialistische Planwirtschaft in den folgenden Jahren nicht nur bei Skoda vollkommen. Während im Westen innerhalb eines Jahrzehnts die Auto- zur Schlüsselindustrie heranwuchs, geriet die Planwirtschaft des Ostens beim Fahrzeugbau immer stärker ins Hintertreffen. Nicht nur bei Skoda entstand eine unausgewogene Fahrzeugpalette, die sich zu allem Überfluss in erster Linie der Mobilisierung der herrschenden, weniger der werktätigen Klasse verpflichtet fühlte. So baute Skoda beispielsweise zwischen 1948 und 1952 rund 100 gerne gepanzerte Exemplare des VOS – Eine Oberklasselimousine mit 120 PS starkem 5,2-Liter-Sechszylinder.


L & K Voiturette (1906)

Neun Jahre werkelten die Ingenieure, bis Skoda 1964 die erste wichtige Neuentwicklung für ein breites Publikum vorstellen konnte. Die viertürige Limousine mit Heckmotor erhielt einen Vierzylinder, der zwischen 35 und 45 PS leistete. Der 1000 MB bzw. 1100 MB bereitete ständig Probleme bei Technik und Verarbeitung. Trotz der Unzulänglichkeiten sorgte die enorme Autonachfrage in den Ländern des Warschauer Paktes bis 1969 für eine Auflage von rund 450 000 Einheiten. Verglichen mit Autos aus russischer oder ostdeutscher Produktion galten Skodas als innovative automobile Kostbarkeiten mit formalem Schick und sportlicher Note.

1987 hatte sich die Tschechoslowakei im Rahmen von „Glasnost“ und „Perestroika“ soweit vom Sozialismus emanzipiert, dass Skoda in zeitgemäße Produkte einsteigen konnte. In jenem Jahr erschien der frontgetriebenen Favorit. Dessen ansprechende, moderne Form hatte das Designstudio Bertone in Italien entworfen hatte.

Im Zuge der Privatisierung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 standen westliche Interessenten Schlange, um mit der Übernahme von Skoda einen Fuß in den Wachstumsmarkt des Ostens zu bekommen. Neben Renault, boten BMW und Volkswagen für die damalige „AZNP“ („Automobilové závody, národní podnik“, deutsch: Automobilwerke, Volksbetrieb). Die tschechoslowakische Regierung entschied sich für VW. Die Wolfsburger integrierten Skoda am 16. April 1991 als damals vierte Marke in den Konzern.


Skoda 1000 MB (1966)

Skoda nutzte klug die technischen Möglichkeiten, die der VW-Konzern mit seinen Plattformen und Antriebsalternativen bot und verband diese bewährte Technik mit einem stringenten zurückhaltenden, aber ansprechenden Design. Das niedrigere Lohnniveau in der Tschechischen Republik ermöglicht Skoda, preislich spürbar unterhalb der VW-Produkte zu agieren. Das Publikum reißt seit 20 Jahren Skoda jedes neue Auto förmlich aus den Händen. Die sozialistische Vergangenheit belastete das Image der Marke zu keiner Phase. Von 336 336 Neuwagen in 1997, wuchs die Produktion mit jährlich neuen Produktionsrekorden. 2014 waren es erstmals mehr als eine Million Skodas. Neben Deutschland, wo Skoda schon lange der erfolgreichste Importeur mit einem Marktanteil von 5,6 Prozent (Stand Juli 2015) ist, wächst die Marke vor allem in China überproportional.

Im 110. Jahr des Bestehens ist Skoda als Autobauer so erfolgreich wie nie zuvor in seiner Geschichte. Alleine in Tschechien beschäftigt der Hersteller 26 000 Mitarbeiter. Das gerade vorgestellte Topmodell Superb, dessen Kombiversion auf der IAA (17. - 27.9.2015) seine Weltpremiere feiert, steht nicht nur symbolisch für die steile Karriere der Marke in den vergangenen beiden Jahrzehnten, sondern auch für die erworbene Kompetenz bei Technik und Design, die Fachleute und Kunden schon als Wettbewerber auf Augenhöhe mit deutschen Premiumanbietern sehen. Damit schließt sich der Kreis zum Nimbus den die Fahrzeuge der Marke bereits am Beginn ihrer Karriere genossen haben. (ampnet/tl)

Text: Thomas Lang
Fotos: Auto-Medienportal.Net/Skoda